Umweltprobleme zählen nicht nur unbestritten zu den größten Herausforderungen unserer Zeit, sondern haben auch eine oft jahrhundertelange Vorgeschichte. Das Buch „Im Spiegel des Wassers“ von Christoph Bernhardt, Leiter der Historischen Forschungsstelle des IRS, liefert anhand der 200-jährigen Transformations- und Konfliktgeschichte in einer der am stärksten umgebauten Flussregionen Europas einen Beitrag zur transnationalen Umweltgeschichte. Ausgangspunkt ist die Begradigung des Flusslaufs zwischen Basel und Mannheim im 19. Jahrhundert, einer der größten Landschaftseingriffe der jüngeren europäischen Geschichte.
Zwischen 1817 und 1876 wurde der Flussabschnitt um über 80 Kilometer verkürzt. Das Großprojekt brachte auf der einen Seite umfangreiche Landgewinne und verbesserte die Voraussetzungen für die Großschifffahrt, verursachte aber andererseits bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhebliche Konflikte. Diese kulminierten in hitzigen Reichstagsdebatten im Umfeld der Jahrhundertflut im Winter 1882/83, als der begradigte Oberlauf des Rheins zu massiven Überschwemmungen insbesondere im Mittellauf zwischen Mannheim und Bingen, aber auch am Niederrhein, beitrug. Der Eingriff in den Strom war damit endgültig zum Streitfall im Deutschen Reich, aber auch mit den Nachbarn, allen voran Frankreich, geworden.
Das zentrale Anliegen des auf der Habilitationsschrift Bernhardts basierenden Buches ist es, Grundfragen zum Verhältnis von Umweltgeschichte und sozialer Raumentwicklung zu analysieren. Zu diesen Grundfragen zählen etwa die Entwicklung wasserbaulicher Techniken, kollektive Verhaltensmuster in den Rheindörfern, Legenden um Ingenieure, Budgetdebatten um Wasserbauvorhaben und Konflikte zwischen Städten und Regierungen. Darüber hinaus werden zentrale Probleme der sozialwissenschaftlichen Raumtheorie, insbesondere die latente Ausblendung von Materialität und physischer Raumdimension, sowie die historischen Wurzeln und die Nachwirkungen des Geo-Determinismus in der umweltgeschichtlichen Raumforschung diskutiert.
Das Buch untersucht über das in seiner Zeit gigantische Begradigungsunternehmen hinaus auch die späteren Großprojekte zum Umbau des Oberrheins, von der Regulierung des Flussbetts im frühen 20. Jahrhundert über die Wasserkraftgewinnung in den 1920er Jahren bis zur Auenrenaturierung des späten 20. Jahrhunderts. Die transnationale Perspektive zeigt die grenzüberschreitenden Wasserbauprojekte in neuem Licht, beispielsweise im Hinblick auf die Kooperationsformen, Konflikte, Zirkulation von Ideen und Wasserbautechniken. Die historische Perspektive auf Nutzungskonflikte und Umweltprobleme, die sich in „critical periods“ zuspitzten, erweitert Bernhardt bis auf in die Gegenwart hinein wirkende Prozesse und Aushandlungen, wie etwa die seit 1982 von Frankreich und Baden-Württemberg verfolgten Großvorhaben zur Rückgewinnung von Überschwemmungsflächen.
BERNHARDT, Christoph: Im Spiegel des Wassers. Eine transnationale Umweltgeschichte des Oberrheins (1800-2000). Umwelthistorische Forschungen, Band 5. Köln Weimar Wien: Böhlau, 2016, 569 S.
Kontakt:
PD. Dr. Christoph Bernhardt
Leiter der „Historischen Forschungsstelle“ des IRS
Tel: 03362/793-280
Mail: christoph.bernhardt@leibniz-irs.de
Cover des Buchs "Im Spiegel des Wassers"
Böhlau Verlag
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Criteria of this press release:
Journalists
Construction / architecture, Environment / ecology, History / archaeology, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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