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09/07/2016 08:33

Beeinträchtigte Lebensqualität: Jucken bei Dialyse-Patienten findet häufig zu wenig Beachtung

Julia Bird Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Sozialmediziner des Universitätsklinikums Heidelberg untersuchten erstmals systematisch Auftreten, Ursachen und Folgen von chronischem Jucken bei Patienten mit Nierenversagen / Bei rund einem Fünftel der Patienten liegt eine behandelbare Hauterkrankung zugrunde, zu selten wird der Hautarzt aufgesucht

    Rund ein Drittel der Patienten, die aufgrund von Nierenversagen regelmäßig Hämodialyse erhalten, leiden mindestens einmal unter chronischem Hautjucken (Pruritus). Die länger als sechs Wochen anhaltenden Beschwerden beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen deutlich. Das hat eine deutschlandweite Studie der Abteilung für Klinische Sozialmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg mit 860 Patienten an 25 Dialyse-Zentren ergeben. Die Studie (German Epidemiological Haemodialysis Itch Study / GEHIS) ist die weltweit erste repräsentative Erhebung zu chronischem Juckreiz bei Dialyse-Patienten, bei der zudem wissenschaftlich geprüfte Fragebögen speziell zur Lebensqualität bei Hautjucken zum Einsatz kamen. Die Studie zeigte darüber hinaus, dass nur ein Drittel der Betroffenen eine Therapie zur Linderung der Beschwerden erhielt.

    „Chronisches Juckempfinden ist ein großes Problem bei Nierenpatienten und eine zusätzliche Last zu den ohnehin gegebenen gesundheitlichen Einschränkungen und Beschwerden. Das sollte zukünftig in der Behandlung mehr Beachtung finden“, sagt Studienleiterin Professor Dr. Elke Weisshaar. „Außerdem ist weitere Forschung dringend notwendig, um die bisher noch unbekannten Ursachen des Juckreizes zu klären und passende Therapien zu entwickeln.“ Verschiedene Ergebnisse der Studie – z.B. zu Häufigkeit und Ursachen des chronischen Juckens bei Dialyse-Patienten – wurden bereits 2015 veröffentlicht. Die Auswertung zur Lebensqualität ist aktuell in der Fachzeitschrift „Qualitiy of Life Research“ erschienen.

    Dialyse-Patienten sind häufig von quälendem und lang anhaltendem Hautjucken geplagt – dies ist aus der täglichen Praxis gut bekannt. Genaue Zahlen gab es dazu bisher allerdings nicht, der Anteil der betroffenen Patienten wurde bisher weltweit sehr unterschiedlich auf bis zu 80 Prozent geschätzt. Ursache dieser Schwankungen sind unterschiedliche Studientypen, uneinheitliche Umfrageinhalte und fehlende Definitionen, ab welcher Beschwerdedauer Jucken als chronisch bezeichnet wird. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, in welchem Land die Untersuchung stattfand: Je besser die Qualität der Dialyse, desto weniger häufig kommt es zu chronischem Jucken.

    Mehr als ein Drittel der betroffenen Dialyse-Patienten zerkratzt sich die Haut

    Die 2012 gestartete GEHIS-Studie lieferte nun erstmals konkrete und repräsentativ erhobene Zahlen. Unter chronischem Juckempfinden, das mindestens sechs Wochen andauerte, litten demnach zum Zeitpunkt der Befragung ein Viertel der Patienten. 27 Prozent waren in den vergangenen zwölf Monaten betroffen und 35 Prozent mindestens einmal in der Vergangenheit. Besonders häufig trat das chronische Jucken zusammen mit trockener Haut oder Ekzemen auf oder bei Studienteilnehmern, die jünger als 70 Jahre alt waren.

    177 der Patienten mit aktuell bestehendem Jucken unterzogen sich einer dermatologischen Untersuchung. Bei 38 Prozent war die Haut vom häufigen und intensiven Kratzen verletzt, bei rund 19 Prozent identifizierten die Hautärzte eine Hauterkrankung wie z.B. Ekzem als Ursache. 40 Prozent der Geplagten hatten sich medizinische Hilfe gesucht, nur 32 Prozent – meist Patienten mit schwerem Juckreiz – eine Behandlung erhalten. „Leider gibt es bisher nur lindernde, keine wirklich ursächlichen Therapien – möglicherweise haben deshalb nicht einmal die Hälfte der Betroffenen einen Hautfacharzt aufgesucht“, sagt Weisshaar. „Ein weiterer Grund ist sicherlich, dass Dialysepatienten schon eine hohe Anzahl von Arztbesuchen zu bewältigen haben. Aber die Zahlen zeigen: Bei rund einem Fünftel der Patienten liegt eine behandelbare Hauterkrankung zugrunde.“ Auch bei Patienten ohne ursächliche Hauterkrankung kann beispielsweise eine UV-Lichttherapie, der Einsatz spezieller Cremes sowie die fachgerechte Pflege der trockenen Haut die Beschwerden lindern. „Dialyse-Patienten sollten immer einen Hautarzt aufsuchen, vor allem wenn sich an der Haut Ausschläge etc. zeigen und das Hautjucken nicht durch Hautpflege in den Griff zu bekommen ist, damit eine mögliche Hauterkrankung nicht übersehen wird“, so die Hautärztin und Sozialmedizinerin

    Chronisches Jucken geht häufig mit schlechtem Schlaf und Schmerzen einher

    Darüber hinaus belastet das ständige Jucken auch Psyche und seelische Gesundheit. Mit Hilfe wissenschaftliche überprüfter Fragebögen zu Lebensqualität, Angst, Depression, Schlafqualität und Schmerzen ermittelten die Heidelberger Sozialmediziner, dass chronischer Juckreiz die ohnehin schon durch Nierenversagen und Dialyse massiv eingeschränkte Lebensqualität der Betroffenen noch zusätzlich minderte – vergleichbar mit den Auswirkungen von chronischen Schmerzen. Patienten mit Hautjucken schätzten ihren allgemeinen Gesundheitszustand ebenso wie ihr emotionales Wohlbefinden schlechter ein als nicht betroffene Dialyse-Patienten. „Studienteilnehmer mit chronischem Jucken berichteten zudem überdurchschnittlich häufig von Schmerzen und Schlafstörungen. Wie das häufig gleichzeitige Auftreten von Jucken und Schmerzen zusammenhängt, muss allerdings noch geprüft werden“, so Weisshaar. Angesichts der Ergebnisse der GEHIS-Studie ist eine ergänzende psychosoziale Betreuung der Patienten sinnvoll und angebracht.

    In der Universitäts-Hautklinik Heidelberg gibt es seit bereits zehn Jahren eine Spezialsprechstunde von Professor Weisshaar für Patienten mit chronischem Pruritus (Jucken), darunter auch Dialyse-Patienten. Im Vordergrund stehen dabei stets die Ursachensuche und die Einleitung einer entsprechenden Therapie, die bei chronischem Pruritus sehr häufig aus äußerlicher und innerlicher Therapie mit Tabletten besteht.

    Literatur:
    Health-related quality of life in haemodialysis patients suffering from chronic itch: results from GEHIS (German Epidemiology Haemodialysis Itch Study). Weiss M, Mettang T, Tschulena U, Weisshaar E. Qual Life Res. 2016 Jun 15. [Epub ahead of print]

    Kontakt:
    apl. Prof. Dr. med. Elke Weisshaar
    Stellvertretende Ärztliche Direktorin
    Klinische Sozialmedizin
    Schwerpunkt: Berufs- und Umweltdermatologie
    Universitätsklinikum Heidelberg
    E-Mail: Elke.Weisshaar@med.uni-heidelberg.de

    Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
    Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

    Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw. teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg. www.klinikum.uni-heidelberg.de


    More information:

    https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Ambulanzen.1004.0.html Sprechstunden in der Universitäts-Hautklinik Heidelberg


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    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

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