Rund 300.000 begleitete minderjährige Flüchtlinge und 64.000 weitere durch die Kinder- und Jugendhilfe betreute unbegleitete Geflüchtete sind seit 2015 in Deutschland. Die meisten wollen möglichst rasch Deutsch lernen, um in die Schule gehen oder eine Ausbildung machen zu können. Viele sind von der Flucht gezeichnet und sehnen sich nach ihren Familien. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts stellt erstmals die Perspektiven und die Lebenswelt der geflohenen jungen Menschen in den Mittelpunkt. Die bundesweite Befragung von über 100 Jugendlichen in verschiedenen Einrichtungen mit kurzer Aufenthaltsdauer zeigt, dass auch begleitete jugendliche Flüchtlinge mehr Unterstützung brauchen.
Die jungen Menschen, die nach Deutschland kommen, bilden eine sehr heterogene Gruppe. Sie unterscheiden sich sowohl mit Blick auf die Herkunftsländer, ihre religiöse Zugehörigkeit als auch den kulturellen Background. Die meisten der befragten minderjährigen Flüchtlinge stammen aus Syrien, Afghanistan, Irak und Somalia. Etwa 90 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sind Jungen; während viele Mädchen in Begleitung von Familienangehörigen nach Deutschland gekommen sind. Einige der Jugendlichen besuchten in ihren Herkunftsländern eine höhere Schule; andere haben noch keinen Tag in der Schule verbracht.
Nach der kräftezehrenden Flucht suchen und brauchen die Jugendlichen in Deutschland zunächst Schutz, Ruhe und Beständigkeit. Viele fühlen sich von der realen Situation mit häufig anstehenden Orts- und Schulwechseln überfordert. „Sie leiden auch unter der Unsicherheit, nicht zu wissen, welche Perspektive sie in Deutschland haben“, berichtet Bernd Holthusen, Leiter der DJI-Fachgruppe „Angebote und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe“. In dieser besonderen Situation vermissten viele Jungen und Mädchen ihre engsten Familienangehörigen und sorgten sich, wie es Eltern, Geschwistern und weiteren Verwandten geht. Die meisten Jugendlichen wünschten sich, dauerhaft mit ihrer Familie an einem Ort zu leben. „Sowohl im Leben der begleiteten als auch der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten spielt die Familie eine zentrale Rolle“, hebt Holthusen hervor.
Die befragten Jugendlichen erzählten, dass sie sich häufig niedergeschlagen und traurig fühlten. So führten fehlende Sprachkenntnisse schnell zu Missverständnissen. Häufig wüssten die Jugendlichen weder über ihre Rechte Bescheid, noch seien sie ausreichend über den Stand des Asylverfahrens oder über das deutsche Schul- und Ausbildungssystem informiert. Ein Großteil der interviewten Jugendlichen erlebe im Alltag Beleidigungen, Beschimpfungen oder das Androhen von Gewalt. „Einige Jugendliche trauen sich nicht mehr, die Einrichtung zu verlassen, insbesondere Mädchen“, erzählt Holthusen. Umso wichtiger seien feste und dauerhafte Bezugspersonen, Mentoren oder Paten, die den Jugendlichen dabei helfen, in der neuen Gesellschaft Fuß zu fassen und sie umfassend zu unterstützen.
„Vor allem um die begleiteten minderjährigen Flüchtlinge müssen wir uns sehr viel mehr kümmern“, mahnt Holthusen. Sie lebten vielfach über Monate in Notunterkünften, Containerdörfern oder Turnhallen – ohne Rückzugsmöglichkeiten. Einzelne der befragten Jugendlichen – auch männliche – berichteten von sexuellen Übergriffen und Gewalttätigkeiten unter den Bewohnern. Vielfach entstünde Streit unter Erwachsenen, der sich z.B. am Essen oder an zu lauter Musik entzünde. „Nicht selten kommen die begleiteten minderjährigen Flüchtlinge z.B. mit einem entfernten Onkel oder einem gerade 19-jährigen Bruder nach Deutschland“, sagt Holthusen, so dass diese Jugendlichen mehr Betreuung und Unterstützung bräuchten. Doch sei für diese Gruppe die Kinder- und Jugendhilfe häufig nicht präsent.
Für die DJI-Studie „Unbegleitete und begleitete minderjährige Flüchtlinge – Lebenslagen, Bedarfe, Erfahrungen und Perspektiven aus Sicht der Jugendlichen“ wurden mehr als 100 unbegleitete (53) und begleitete (51) minderjährige Geflüchtete im Alter zwischen 14 und 18 Jahren befragt; davon 25 Mädchen und 79 Jungen. Die Face-to-Face-Interviews in verschiedenen Einrichtungen in Deutschland wurden größtenteils gedolmetscht, um sie in der Herkunftssprache der Jugendlichen führen zu können. Insgesamt wurden Interviews in elf Sprachen von Arabisch bis Tigrinya geführt.
Weiterführende Informationen:
www.dji.de/thema/flucht
Kontakt
Bernd Holthusen
Deutsches Jugendinstitut
Leiter der Fachgruppe
„Angebote und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe“
Tel. 089 62306-101
holthusen@dji.de
Dr. Felicitas von Aretin
Leiterin der Abteilung Medien und Kommunikation
aretin@dji.de
Tel. 089 62306-258
http://www.dji.de/thema/flucht
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students
Economics / business administration, Politics, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research projects, Research results
German
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