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07/10/2003 07:42

Neue Methode zur schonenden Gemäldereinigung

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Tübinger Biochemiker helfen Restauratoren

    Ein von Professor Dr. Ulrich Weser und Dipl. Biochem. Uwe Hilfrich vom Arbeitsbereich Anorganische Biochemie am Physiologisch Chemischen Institut der Universität Tübingen entwickeltes Verfahren wird künftig Restauratoren ihre Arbeit erleichtern. Sie haben herausgefunden, wie sich die obere Schutzschicht eines Gemäldes, der sogenannte Firnis, auf schonende Weise entfernen lässt, ohne tiefer liegende Schichten zu beschädigen. Dies ist ein großer Fortschritt auf dem Gebiet der Restaurierung und Konservierung, da klassische organische Reinigungsmittel häufig die Malschicht nach Entfernen des Firnisses von Gemälden angreifen und schwere Schäden am Kunstwerk verursachen können. Die Untersuchungen wurden von der Stiftung Landesbank Baden-Württemberg, Kunst und Kultur durch eine Sachbeihilfe gefördert.

    Das Konzept der Tübinger beruht dabei auf einer alkalischen Abnahme der Oberfläche mit Hilfe dreier Bausteine: großmolekulare Lösungsmittel, starke Base, großes Gegenkation. Weser und Hilfrich gehen davon aus, dass gealterte Ölfirnisse ebenso wie einige Harzfirnisse chemisch als eine Art "Polyester" anzusehen sind. Durch die alkalische Behandlung lässt sich diese Schutzschicht besonders schonend in kleinmolekulare, wasserlösliche Bruchstücke spalten.

    Die Wissenschaftler binden Rubidiumhydroxid an einen makromolekularen Träger. Dazu verwenden sie hochmolekulares Polyetylenglycol-400 als geeigneten Komplexbildner. Der großmolekulare Polyalkohol verbindet dieses Alkaliion kronenetherartig, woraufhin die hochmolekulare Base mit dem Firnis auf der Bildoberfläche reagiert und daran gehindert wird, in tiefer liegende Malschichten einzudringen. Die alkalischen Kronenether-Polyethylenglycol-Lösungen ermöglichen also im Gegensatz zu gleichkonzentrierten wässrigen oder alkoholischen Lösungen, einen langsamen Firnisabbau von der Oberfläche her.

    Die hohe Zähflüssigkeit der Lösung sowie das große Polyetylenglycol verlangsamen die Diffusion und Konvektion der Firnisspaltprodukte. Auf diese Weise kann der Restaurator das Abtragen der Schicht durch langsames oder schnelles Bewegen der Reaktionslösung steuern, beispielsweise durch Abrollen mit Wattestäbchen oder einem Spatel aus Polypropylen. Die braun-orange gefärbten Spaltprodukte der jeweiligen Polyesterfirnisse werden anschließend in überschüssigem Polyethylenglycol gelöst.

    Der Vorteil dieser Methode besteht im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren mit organischen Lösungsmitteln darin, dass die Spaltung des Firnis nur an seiner Oberfläche erfolgt. Tiefer liegende Mal- oder Firnisschichten werden auch dann nicht angegriffen, wenn ihre chemische Zusammensetzung der des abzubauenden Firnis oder der Übermalung ähnelt. Soll der Prozess kurzzeitig abgebrochen werden, so kann der Alkaliionen-Kronenether durch rasche Zugabe von hochmolekularer Polyacrylsäure, die in Polyethylenglycol gelöst ist, neutralisiert und deaktiviert werden.

    Wenn die Reinigung beendet ist, wird die Lösung abgenommen. Verbleibende Reste des Rubidium-Kronenether werden durch Markierung der Lösungen mit radioaktivem Rubidium-86 sichtbar und können in einem anschließenden Prozess entfernt werden. Nach mechanischem Abwischen verbleiben 2,5 Prozent, nach einer Nachreinigung sind nur noch 0,8 Prozent der ursprünglichen Rubidium-Konzentration auf der Maloberfläche.

    Die mikroskopische Kontrolle des gereinigten Bereichs ergab keine erkennbaren Änderungen auf der Maloberfläche. Durch das von Professor Dr. Ulrich Weser und Uwe Hilfrich entwickelte Verfahren der alkalischen Firnisabnahme wird die Struktur des zu reinigenden Gemäldes folglich nicht beschädigt. Die Tübinger Entwicklung ist das anwendungsbezogene Ergebnis Anorganisch-Biochemischer Grundlagenforschung mit einem kulturhistorischen Bezug. Es wurde bereits mehrfach vor größerem internationalem Fachpublikum vorgestellt und begeistert aufgenommen, so zum Beispiel anlässlich eines Workshops am renommierten Courtauld Institute of the History of Art in London und am Opificio delle Pietre Dure in Florenz.

    Ansprechpartner für weitere Informationen:

    Professor Dr. Ulrich Weser
    Anorganische Biochemie, Physiologisch Chemisches Institut
    Hoppe-Seyler-Straße 4
    72076 Tübingen
    Tel.: 07071-2976391
    Fax: 07071-295564
    E-Mail: ulrich.weser@uni-tuebingen.de

    Zwei Abbildungen zu dieser Pressemitteilung finden Sie im Internet unter www.uni-tuebingen.de...
    Auf Wunsch senden wir Ihnen die Abbildungen in höher Auflösung zu.


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    Criteria of this press release:
    Art / design, Biology, Chemistry, Music / theatre
    transregional, national
    Research results
    German


     

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