Wissenschaftler der Universität Jena geben ein Buch über „Heimat gestern und heute“ heraus
„Heimat“ – wohl kaum ein anderes Wort der deutschen Sprache vereint so viele Deutungen und Zuschreibungen auf sich. Dem Begriff sei „eine vielsagende Unschärfe“ eigen, so bringt es der Volkskundler Prof. Dr. Friedemann Schmoll von der Universität Jena auf den Punkt.
Fachübergreifend haben sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf einer Tagung dem Begriff Heimat genähert. Die Ergebnisse der Konferenz „Heimat denken“ sind nun als Buch erschienen.
Immer wieder habe der Heimat-Begriff seine Konjunkturen gehabt, sagt der Historiker Prof. Dr. Klaus Ries. Meist geschehe das in Zeiten der Unsicherheit und des Umbruchs. Unbestreitbar erlebe „Heimat“ als Deutungsangebot gegenwärtig eine Renaissance. „Die Sehnsucht nach Heimat entsteht fast immer im Zuge von Verlusterfahrungen und Unsicherheit“, sagt Klaus Ries. Das könne zum einen der tatsächliche Verlust der Heimat sein – wie ihn Migranten gegenwärtig erleben müssen – oder zum anderen der gefühlte Verlust von Heimat.
„Die Frage nach Heimat ist für viele Menschen in den neuen Bundesländern bis heute brisant“, sagt der Romanist Prof. Dr. Edoardo Costadura. Viele Bewohner der neuen Länder fühlten sich fremd im eigenen Land, befördert durch die Erfahrung einer als feindselig wahrgenommenen globalisierten Welt.
Costadura hat gemeinsam mit Klaus Ries das Buch „Heimat gestern und heute. Interdisziplinäre Perspektiven“ herausgegeben. Für den gebürtigen Italiener, der seine Kindheit in Belgien und Deutschland verbrachte, hat die Frage nach „Heimat“ sogar einen biografischen Bezug.
In seiner ursprünglichen Bedeutung steht Heimat für „das land oder den landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden aufenthalt hat“, so nachzulesen im Grimmschen Wörterbuch von 1877. In Bayern bezeichnete Heimat sogar „das elterliche haus und besitzthum“.
In dem neuen Buch kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zu Wort: Vertreten sind u. a. eine Juristin, ein Biologe, ein Altgeschichtler, Historiker, Theologen und Musikwissenschaftler. Sie spüren den unterschiedlichen Facetten des Begriffs Heimat nach. Herausgearbeitet werden Parallelen, wenn etwa Naturschutz als Heimatschutz begriffen wird, und fragwürdige Kontinuitäten, als zum Beispiel die Natur- und Heimatschwärmerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts sich weitgehend bruchlos in die NS-Ideologie einfügte. „In der NS-Zeit wurde ganz Deutschland mit der Heimat gleichgesetzt“, sagt Klaus Ries. Eine gedankliche Linie reiche bis in die jüngere Gegenwart hinein, als sich Neonazis in Thüringen als „Heimatschutz“ verstanden.
Doch inzwischen, so konstatiert es Edoardo Costadura, werde „Heimat“ als Begriff unbefangen verwendet. Seine vieldeutigen Facetten bleiben dennoch bestehen. Diesen Facetten wollen die Wissenschaftler weiter nachspüren: Vom 20. bis 23. September 2017 gibt es in Jena die internationale Tagung „Heimat – ein Problem der globalisierten Welt“.
Bibliographische Angaben:
Edoardo Costadura, Klaus Ries (Hg.): „Heimat gestern und heute. Interdisziplinäre Perspektiven“, transcript Verlag, Bielefeld 2016, 253 Seiten, 34,99 Euro, ISBN: 978-3-8376-3524-9
Kontakt:
apl. Prof. Dr. Klaus Ries
Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944430
E-Mail: Klaus.Ries[at]uni-jena.de
Prof. Dr. Edoardo Costadura
Institut für Romanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944611
E-Mail: edoardo.costadura[at]uni-jena.de
Das Cover der neuen Publikation.
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Criteria of this press release:
Journalists
Cultural sciences, History / archaeology, Language / literature, Religion
transregional, national
Scientific Publications
German
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