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07/11/2003 11:18

Keine Heilung, aber weniger Komplikationen

Dr. Annette Tuffs Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Ursache chronisch entzündlicher Darmerkrankungen ungeklärt / Antikörper, "gute" Bakterien und schonende Operationen verbessern Lebensqualität

    Sie leiden an krampfartigen Bauchschmerzen und Durchfällen, weil ihr Darm chronisch entzündet ist. Komplikationen der schweren Entzündung können für sie lebensbedrohlich sein. Ihre Erkrankung, die meist im Alter von 20 bis 40 Jahren einsetzt, begleitet sie meist ihr ganzes Leben.

    Eine vollständige Heilung können Patienten, die an den chronischen Darmentzündungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa erkrankt sind - in Deutschland sind rund 300.000 Menschen betroffen - derzeit nicht erwarten. Doch gibt es medizinische Fortschritte, die ihnen eine bessere Lebensqualität und weniger Komplikationen verschaffen. Dies wurde beim Internationalen Kongress über chronisch entzündliche Darmerkrankungen in Heidelberg vom 9. bis 12. Juli 2003 deutlich, bei dem rund 400 Ärzte den aktuellen Stand von Forschung und Therapie diskutierten. Im Fokus standen u.a. die immer präzisere Darmchirurgie mit Hilfe von "Schlüsselloch-Operationen", Antikörper-Medikamente, die schwere Entzündungsreaktionen dämpfen, der Ersatz "schlechter" Darmbakterien durch "gute" sowie die spektakuläre Hypothese, dass die Darmentzündungen auf einer Infektion beruhen. In Verdacht geraten ist das dem Tuberkulose-Erreger verwandte Mykobakterium avium.

    Bis zu 20 Prozent der Crohn-Patienten sind Träger eines bestimmten Gens

    Morbus Crohn und Colitis ulcerosa unterscheiden sich in wenigen, aber entscheidenden Merkmalen. Während sich Colitis ulcerosa auf den Dickdarm beschränkt und dort Geschwüre in der oberflächlichen Schleimhaut hervorruft und diese meist fortlaufend befällt, kommt bei der Crohnschen Erkrankung der gesamte Verdauungstrakt für einen Befall in Frage, oft gleichzeitig an mehreren Stellen und immer bis in tiefe Schichten der Darmwand hinein. Am häufigsten ist der Übergangsbereich zwischen Dünn- zum Dickdarm betroffen. Oft bilden sich Engstellen und Fisteln aus, die zu Darmverschlüssen und anderen gravierenden Komplikationen führen können, die nur durch Entfernung von Darmteilen zu beheben sind. Bei der Colitis ulcerosa steht das hohe Krebsrisiko nach längerer Erkrankung im Vordergrund. Werden bei der Darmspiegelung Krebsvorstufen entdeckt, ist eine Entfernung des gesamten Dickdarms erforderlich.

    "Chronischen Darmentzündungen liegen mehrere Ursachen zugrunde", sagte Prof. Dr. Wolfgang Stremmel, Ärztlicher Direktor der Abteilung Gastroenterologie an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, bei einer Pressekonferenz in Heidelberg. Beim Morbus Crohn spiele bei bis zu 20 Prozent der Patienten das Gen NOD2 eine Rolle, allerdings setze es sich nicht immer durch. Warum die natürliche Schutzbarriere des Darms, die Schleimhaut, zusammenbricht, Darmbakterien sie durchdringen und überschießende Abwehrreaktionen schließlich zur chronischen Entzündung führen, ist bislang ungeklärt.

    Ist der Morbus Crohn eine Infektionskrankheit? / Mykobakterium im Verdacht

    Beim Heidelberger Kongress wurde eine interessante Hypothese kontrovers diskutiert: Möglicherweise ist das Mykobakterium avium paratuberculosis, ein Verwandter des Tuberkulose-Erregers, die Ursache des Morbus Crohn. Denn seine Erbsubstanz wurde, so berichtete bei der Heidelberger Tagung Prof. John Hermon-Taylor vom St. George's Hospital, London, bei ca. 90 Prozent der Crohn-Patienten im Darm gefunden. Diese Ergebnisse lagen in anderen Zentren jedoch wesentlich niedriger. Der Erreger kann bei zahlreichen Tierarten, z.B. Kühen, Schafen, Wild und Vögeln, Darmerkrankungen hervorrufen und wird möglicherweise über tierische Produkte übertragen. Studien, bei denen Crohn-Patienten mit Antibiotika behandelt werden, dürften in Kürze mehr Aufschluss über die Bedeutung des Erregers geben.

    Solange die Ursache der Darmentzündungen nicht bekämpft werden kann, steht die Dämpfung der Entzündung und die chirurgische Beherrschung schwerer Komplikationen im Vordergrund. Zu den bewährten Medikamenten wie Kortison und Azathioprin, die überschiessende Immunreaktionen zurückdrängen, kommen jetzt Antikörper, die sich spezifisch gegen den Tumornekrosefaktor alpha richten, der die Immunreaktion unterhält, berichtete Prof. Dr. Robert Löfberg vom Karolinska Institut, Stockholm. Auf die hochdosierte Infusion zu Anfang der Therapie sprechen jedoch nur etwa die Hälfte der Patienten an. Außerdem müsse bei einem kleinen Teil der Patienten mit schweren Nebenwirkungen gerechnet werden. Eine weitere Therapiestrategie soll die entgleiste Darmflora in den Griff bekommen: "Böse" Bakterien werden durch die Einnahme von "guten" ersetzt. Auch hierzu gibt es Studien, die eine positive Wirkung belegen. Die Wissenschaftler arbeiten zudem an einem Wiederaufbau des natürlichen Schleimhautschutzwalls, insbesondere von sogenannten "Defensinen", Eiweißkörpern, die für seine Undurchlässigkeit sorgen.

    Schonende Operation: weniger Blutverlust und besseres kosmetisches Ergebnis

    Trotz neuer Erfolge bei der medikamentösen Behandlung muss jeder Morbus Crohn-Patient und ein kleiner Anteil der Patienten mit Colitis ulcerosa mindest einmal in seinem Leben operiert werden. Beim Morbus Crohn müssen stark verengte Darmabschnitte oder Fisteln entfernt werden. "Wir kämpfen dabei um jeden Zentimeter Darm, den wir erhalten können", erklärte Privatdozent Dr. Jan Schmidt, Oberarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Denn je weniger Darm vorhanden ist, desto eher kann es zu Verdauungsproblemen und Mangelernährung kommen.

    Insbesondere die Colitis ulcerosa birgt im längeren Verlauf ein hohes Krebsrisiko. Jährliche Darmspiegelungen stellen sicher, dass Krebsvorstufen rechtzeitig erkannt werden. Dann muss der gesamte Dickdarm entfernt werden. Der Dünndarm wird mobilisiert und aus einer Schlinge ein Reservoir gebildet, das mit dem Schließmuskel vernäht wird, den Mastdarm ersetzt und die Stuhlkontinenz erhält. Mittlerweile wird dieser Eingriff auch mit Hilfe der minimal invasiven Technik, der "Schlüssellochchirurgie" gemacht, die auf einen großen Bauchschnitt verzichtet und feinste chirurgische Arbeit über in den Bauch eingeführte Geräte leistet. "Unsere Studien haben gezeigt, dass der Blutverlust bei der minimal invasiven Technik wesentlich geringer ist", erklärte Dr. Schmidt. "Die Patienten benötigen keine Bluttransfusionen, wie es bei der herkömmlichen Operation oft der Fall war." Auch das kosmetische Ergebnis ist aufgrund der winzigen Einschnitte überzeugend.

    Weitere Informationen im Internet:
    * Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung: http://www.dccv.de/
    * Der Bauchredner, Mitgliedsjournal der DCCV: http://www.dccv.de/bauchredner/
    * Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten:
    http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/iverd006.htm
    * Deutsche Link-Liste des DCCV: http://www.dccv.de/links/
    * Wichtige Seite zu englischsprachigen Webseiten: http://qurlyjoe.bu.edu/cduchome.html

    Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter
    http://www.med.uni-heidelberg.de/aktuelles/


    More information:

    http://www.dccv.de/
    http://www.dccv.de/bauchredner/
    http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/iverd006.htm
    http://www.dccv.de/links/
    http://qurlyjoe.bu.edu/cduchome.html
    http://www.med.uni-heidelberg.de/aktuelles/


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    Colitis ulcerosa: Werden Krebsvorstufen gefunden, wird der gesamte Dickdarm entfernt und ein Dünndarmreservoir gebildet, das den Mastdarm ersetzt. / Abb.: Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg.
    Colitis ulcerosa: Werden Krebsvorstufen gefunden, wird der gesamte Dickdarm entfernt und ein Dünndar ...

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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results, Scientific conferences
    German


     

    Colitis ulcerosa: Werden Krebsvorstufen gefunden, wird der gesamte Dickdarm entfernt und ein Dünndarmreservoir gebildet, das den Mastdarm ersetzt. / Abb.: Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg.


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