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01/19/2017 09:42

Arbeitnehmerbeteiligung in Boards und Aufsichtsräten: Kein Konflikt mit Europarecht

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Neues Rechtsgutachten
    Arbeitnehmerbeteiligung in Boards und Aufsichtsräten: Kein Konflikt mit Europarecht

    Verstößt die Unternehmensmitbestimmung gegen Europarecht? Darüber entscheidet bald der Europäische Gerichtshof. Ein neues Rechtsgutachten hält die Argumente des Klägers für wenig stichhaltig.*

    Die deutsche Mitbestimmung kann nicht durch europäisches Recht ausgehebelt werden. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Johann Mulder, Rechtswissenschaftler an der Universität Oslo. In seinem Gutachten bezieht er sich auf einen Fall, der aktuell durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) geprüft wird: Ein Kleinaktionär des Reisekonzerns TUI hatte geklagt, die Beteiligung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat verstoße gegen den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sein Argument: Ein deutscher Arbeitnehmer mit Sitz im Aufsichtsrat könne nicht zu einer Auslandstochter seines Arbeitgebers wechseln, ohne sein Mandat zu verlieren. Dadurch sei er in der Wahl seines Arbeitsplatzes eingeschränkt. Außerdem würden Auslandsbeschäftigte deutscher Unternehmen diskriminiert, weil sie bei den Wahlen für den Aufsichtsrat weder mitwählen noch selbst gewählt werden dürfen.

    Nach Mulders Analyse sind diese Behauptungen nicht stichhaltig. Dass sich bestimmte Rechtsansprüche verändern, wenn Beschäftigte zu einem Betrieb in einem anderen Land wechseln, sei rechtmäßig und völlig normal. „Es kann nicht als Diskriminierung angesehen werden, wenn ein Arbeitnehmer, der ins Ausland wechselt, nicht mehr unter die Gesetzgebung seines Heimatlandes fällt“, so der Jurist in seiner von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Expertise.

    Da bislang keine europäische Gesetzgebung zur Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat existiere, gelte das jeweilige nationale Recht – und zwar für alle Beschäftigten innerhalb eines Landes unabhängig von ihrer Herkunft. Das bedeutet: Wer für ein mitbestimmtes Unternehmen in Deutschland arbeitet, profitiert von der deutschen Mitbestimmung. Diese besteht jedoch nur dort, wo deutsches Recht gilt – sie endet an den Landesgrenzen. Das ist im übrigen auch keine Besonderheit: Auch Kündigungsschutz- oder Streikrecht richten sich nach Gesetzen des Landes, in dem Beschäftigte arbeiten, nicht nach ihrer Herkunft. Jede andere Regelung würde die Souveränität der nationalen Gesetzgeber verletzen, betont der Rechtswissenschaftler aus Oslo. Mulders Analyse deckt sich mit der Einschätzung namhafter deutscher Arbeitsrechtler, etwa der Juraprofessoren Rüdiger Krause und Manfred Weiss.

    Der Kleinaktionär ist in den vergangenen Jahren immer wieder aufgefallen durch ähnliche Klagen bei anderen Unternehmen, die darauf hinauslaufen, die Mitbestimmung abzuschaffen. Bislang hatte er vor deutschen Gerichten keinen Erfolg. Doch nun liegt der Fall beim EuGH, und wie der entscheiden wird, ist offen. Eine erste Anhörung findet am 24. Januar statt. Während die deutsche und die österreichische Regierung gegen die Klage argumentieren, haben Juristen der EU-Kommission Argumente des Klägers übernommen. Bekäme er Recht, wären Arbeitnehmerrechte nicht nur in Deutschland, sondern europaweit in Gefahr, warnt Mulder. Auch in 17 anderen EU-Ländern gibt es gesetzliche Regelungen, die Arbeitnehmerbeteiligung in Boards oder Aufsichtsräten garantieren (siehe auch die Hintergrundinformationen in unserer digitalen Mappe; Link unten).

    Dass es bislang keine EU-Gesetzgebung zur Unternehmensmitbestimmung gibt, muss übrigens nicht heißen, dass das immer so bleiben muss, betont der Juraprofessor. Die EU könne künftig eine Regelung schaffen. Die europäischen Gewerkschaften haben dafür bereits vor zwei Jahren einvernehmlich einen Vorschlag gemacht: Über eine EU-Richtlinie ließe sich ein Mindeststandard als Untergrenze für bindende Arbeitnehmerbeteiligung in Unternehmen mit europäischer Gesellschaftsform sicherstellen. Weitergehende nationale Regelungen blieben davon unberührt.

    Kontakt in der Hans-Böckler-Stiftung

    Dr. Norbert Kluge
    Leiter Abteilung Mitbestimmungsförderung
    Tel.: 0211-7778-199
    E-Mail: Norbert-Kluge@boeckler.de

    Dr. Sebastian Sick
    Experte Für Unternehmensrecht
    Tel.: 0211-7778-257
    E-Mail: Sebastian-Sick@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    More information:

    http://www.boeckler.de/pdf/p_mbf_report_2017_29.pdf - *Bernard Johann Mulder: The law concerning the election of employees’ representatives in company bodies, Report in light of the CJEU case Konrad Erzberger v TUI AG, C 566/15, Mitbestimmungsförderung in der Hans-Böckler-Stiftung, Januar 2017.
    http://www.boeckler.de/pdf/p_mbf_report_2017_29fr.pdf - Französische Version / en francais
    http://boeckler.de/Hans-Boeckler-Stiftung_Bessere-Unternehmensfuehrung-dank-Mitb...


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Economics / business administration, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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