idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/07/2017 09:52

Mammut-Projekt: Streitschrift des Erzbischofs Kyrill

Johannes Seiler Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Fast 1000 Druckseiten umfasst das monumentale Werk „Gegen Julian” von Kyrill von Alexandrien. Kyrills Schrift gilt nicht nur als eines der wichtigsten Dokumente der heidnisch-christlichen Auseinandersetzungen in der Spätantike. Sie kann auch helfen, gegenwärtige religiöse Konflikte besser zu verstehen. 16 Wissenschaftler aus Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Italien haben ein Vierteljahrhundert daran gearbeitet, die auf Altgriechisch verfasste christliche Streitschrift aus dem fünften Jahrhundert erstmals kritisch zu edieren. An der Universität Bonn lag neben Zürich einer der Arbeitsschwerpunkte für das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt.

    Die Schrift „Gegen Julian“ des Patriarchen von Alexandrien, Kyrill (um 378-444 n. Chr.) richtet sich gezielt gegen die antichristliche Polemik „Gegen die Galiläer“. Der römische Kaiser Julian (331-363 n. Chr.) hatte sie in den Jahren 362/363 nach Christi geschrieben und damit scharf gegen das Christentum, dem er selbst angehört hatte, als abtrünnige Sekte des Judentums gewettert. Es ist nur noch in Kyrills Widerlegung in Form von ausführlichen Zitaten erhalten.

    „Das Werk Kyrills – und damit auch das Werk Julians – ist nun erstmals in seinem ganzen Umfang erschlossen worden, denn unsere Ausgabe enthält nicht nur den griechischen Text, sondern auch einen umfangreichen Kommentar. Die Kontroverse ist zentral für das Verständnis der Auseinandersetzung zwischen Christen und Nichtchristen und zwischen Theologie und Philosophie in der Spätantike“, sagt Prof. Dr. Wolfram Kinzig, der am Evangelisch-Theologischen Seminar der Universität Bonn den Lehrstuhl in Kirchengeschichte mit dem Schwerpunkt in der Alten Kirchengeschichte innehat.

    Er hat den zweiten Band von „Gegen Julian“ gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. Thomas Brüggemann erarbeitet. „Das war nur möglich, weil das ganze Team in ständigem Austausch stand, und wir uns in einem engeren Kreis jedes Jahr auf der Ebernburg im Nahetal getroffen haben. Aus den Arbeitsbeziehungen sind Lebensfreundschaften geworden, die nun zu einem wunderbaren wissenschaftlichen Ergebnis geführt haben“, freut sich Kinzig.

    Warum sich Kaiser Julian, Neffe von Konstantin dem Großen, dem Christentum ab- und dem Heidentum zuwandte, darüber können die Wissenschaftler nur spekulieren. „Er hatte einige Familienangehörige bei brutalen Massakern seines Onkels Konstantin verloren. Möglich, dass er deshalb ein Problem mit der christlichen Vergebung hatte“, sagt Dr. Brüggemann.

    Forscher entzifferten zahlreiche mittelalterliche Handschriften

    Wahrscheinlich ist, dass Julians Ausführungen zumindest unter Intellektuellen noch lange gelesen wurden. Denn erst mehr als 50 Jahre später, in den Jahren 418 bis 423, verfasste Kyrill, Erzbischof von Alexandrien, seine Gegenschrift „Gegen Julian“, in der Absicht, die Argumente Julians Schritt für Schritt zu entkräften. „Kyrill versucht also, Julian mit seinen eigenen Waffen zu schlagen”, erläutert Dr. Brüggemann.

    Das so entstandene Werk umfasste wohl mindestens 19 Bücher, von denen aber nur noch zehn erhalten sind. In der nun vorliegenden Publikation sind außerdem Fragmente der Bücher 11-19 enthalten. Die Wissenschaftler der Universität Bonn haben in mühevoller Kleinarbeit die komplizierte Textüberlieferung erforscht, zahlreiche neue Textzeugen entdeckt und schließlich ihrer Ausgabe hauptsächlich fünf Handschriften zugrunde gelegt. „Das Problem der Handschriften liegt darin, dass sich der Text durch Abschreibefehler im Lauf der Zeit verändert, wir also sorgfältig vergleichen müssen”, so Dr. Brüggemann. Einige Fragmente sind außerdem nur in syrischer Übersetzung erhalten – hier half die Expertise von Prof. Dr. Hubert Kaufhold (München) weiter.

    Kyrill war ein machtbewusster und umstrittener Kirchenpolitiker

    Kyrill wirkte als Bischof von Alexandrien in einer der Metropolen des Römischen Reiches. Er nahm am Konzil von Ephesos (431) teil und setzte sich dort mit seiner Auffassung durch, man müsse Maria als „Gottesgebärerin“ bezeichnen. Darin war er Gegenspieler von Nestorius, dem damaligen Bischof von Konstantinopel. Zur Zeit Kyrills lehrte in der Hauptstadt Ägyptens noch eine große Zahl nichtchristlicher Philosophen. Die Philosophin Hypatia wurde von einem christlichen Mob ermordet, den der Bischof möglicherweise steuerte.

    Was Kyrills Antwort auf Julians Streitschrift betrifft, sehen die Wissenschaftler der Universität Bonn darin durchaus eine Bedeutung für die Gegenwart. „Wir befinden uns derzeit ebenfalls in einer Zeit religiöser Konflikte. Die Forschung kann den Umgang damit vergleichen, insofern ist die neue Edition durchaus von aktueller Bedeutung”, sagt Dr. Brüggemann.

    Publikation: „Kyrill von Alexandrien II – Gegen Julian, Buch 6-10 und Fragmente“, Prof. Dr. Wolfram Kinzig und Dr. Thomas Brüggemann, Universität Bonn; Hubert Kaufhold, München, De Gruyter-Verlag, Berlin, gebunden, 119,95 Euro, 540 Seiten

    Kontakt:

    Prof. Dr. Wolfram Kinzig
    Evangelisch-Theologisches Seminar
    der Universität Bonn
    Tel. 0228/737305
    E-Mail: kinzig@uni-bonn.de


    Images

    Prof. Dr. Wolfram Kinzig (links) und Dr. Thomas Brüggemann von der Abteilung Kirchengeschichte im Evangelisch-Theologischen Seminar der Universität Bonn mit dem Buch „Kyrill von Alexandrien“.
    Prof. Dr. Wolfram Kinzig (links) und Dr. Thomas Brüggemann von der Abteilung Kirchengeschichte im Ev ...
    © Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Religion
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Prof. Dr. Wolfram Kinzig (links) und Dr. Thomas Brüggemann von der Abteilung Kirchengeschichte im Evangelisch-Theologischen Seminar der Universität Bonn mit dem Buch „Kyrill von Alexandrien“.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).