Soziale Netzwerke sind für Narzissten das ideale Medium sich zu präsentieren. Dementsprechend stark sind sie dort vertreten. Das zeigt eine neue Analyse zweier Psychologen aus Würzburg und Bamberg.
Soziale Medien wie Facebook und Twitter spielen im Leben vieler Menschen weltweit eine große Rolle. Knapp zwei Milliarden Menschen waren Ende 2016 auf Facebook aktiv; 500 Millionen posten regelmäßig Bilder auf Instagram, mehr als 300 Millionen kommunizieren via Twitter.
Inwieweit soziale Medien bevorzugt von Menschen mit einer narzisstischen Ader genutzt werden, haben zahlreiche Studien in den vergangenen Jahren untersucht – mit widersprüchlichen Ergebnissen. Mal war der Zusammenhang zwischen Narzissmus und dem Auftritt bei Facebook, Twitter und Co. eindeutig gegeben, mal nur schwach nachweisbar und bisweilen drehte er sogar ins Gegenteil.
Bis dato umfassendste Auswertung an Studien
Neue Ergebnisse präsentieren jetzt Wissenschaftler des Leibniz Instituts für Bildungsverläufe Bamberg und der Universität Würzburg. Sie konnten zeigen, dass es einen schwachen bis mäßig stark ausgeprägten Zusammenhang zwischen einer bestimmten Form von Narzissmus und den Aktivitäten in sozialen Medien gibt. Beim differenzierten Blick auf bestimmten Verhaltensweisen oder auf die Herkunft der Teilnehmer zeigt sich in einigen Fällen sogar ein ausgeprägter Effekt.
Verantwortlich für diese Studie sind Professor Markus Appel, Inhaber des Lehrstuhls für Medienkommunikation an der Universität Würzburg, und Dr. Timo Gnambs, Leiter des Arbeitsbereichs Educational Measurement am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe, Bamberg. Sie haben für ihre Meta-Analyse die Ergebnisse aus 57 Studien mit insgesamt mehr als 25.000 Teilnehmern zusammengefasst. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt im Journal of Personality veröffentlicht.
Was Narzissten ausmacht
Sie halten sich für besonders begabt, bemerkenswert und erfolgreich. Sie lieben es, sich vor Anderen zu präsentieren und brauchen die Bestätigung durch Dritte: So beschreiben Psychologen das typische Verhalten von Menschen, die landläufig als Narzissten bezeichnet werden. „Dementsprechend wird vermutet, dass soziale Netzwerke wie Facebook für sie eine ideale Bühne bieten“, sagt Markus Appel.
In dem Netzwerk finden sie leicht eine große Zahl von Adressaten; sie können dort gezielt die Informationen über sich preisgeben, die ihnen ins Konzept passen. Und sie können akribisch an ihrer Selbstdarstellung feilen. Kein Wunder, dass deshalb schon frühzeitig in der Wissenschaft die Befürchtung aufkam, soziale Netzwerke könnten Narzissten geradezu ausbrüten.
Drei Hypothesen
Ganz so schlimm ist die Situation anscheinend nicht, wie die jetzt veröffentlichte Meta-Analyse zeigt. Drei Hypothesen haben die beiden Wissenschaftler darin auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht. Zum einen die These, dass die prahlerischen Narzissten häufiger in sozialen Netzwerken zu finden sind als Vertreter einer anderen Form von Narzissmus – des sogenannten „verletzlichen Narzissmus“. Letztere sind geprägt von einer starken Unsicherheit, einer Überempfindlichkeit im Umgang mit anderen Menschen und mit dem Drang, sich von der Öffentlichkeit zurückzuziehen.
Die zweite These besagt, dass der Zusammenhang zwischen Narzissmus und der Zahl der Freunde sowie bestimmten Aktivitäten der Selbstpräsentation deutlich größer ist – verglichen mit den sonstigen Aktivitäten, die in sozialen Netzwerken möglich sind.
In ihrer dritten Hypothese stellen die Wissenschaftler die Behauptung auf, dass der Link von Narzissmus und dem Verhalten im Netz kulturellen Einflüssen unterliegt. In Kulturen, in denen das Individuum weniger zählt als die Gemeinschaft oder in denen die Rollen eindeutig festgeschrieben sind, bieten soziale Medien Narzissten die Chance, aus diesem Gerüst von Regeln auszubrechen und sich so zu präsentieren, wie es für sie in der Öffentlichkeit nicht möglich wäre.
Die Ergebnisse
Tatsächlich bestätigt die Auswertung der 57 Studien die Hypothesen der Wissenschaftler. Großspurige Narzissten sind in sozialen Netzwerken häufiger anzutreffen als „verletzliche Narzissten“. Und je größer die Zahl der Freunde und je häufiger jemand Bilder von sich hochlädt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen Narzissten handelt. Dabei spielt das Geschlecht der Nutzerinnen und Nutzer keine Rolle; auch das Alter zeigt keinen Einfluss. Typische Narzissten verbringen mehr Zeit in ihrem Netzwerk als der durchschnittliche Besucher und sie zeigen dort typische Verhaltensmuster.
Geteilt fällt das Ergebnis für den Einfluss der Kultur auf das Nutzungsverhalten aus. „In Ländern, in denen ausgeprägte soziale Hierarchien und eine ungleiche Machtverteilung im Durchschnitt eher akzeptiert werden, wie etwa Indien oder Malaysia, ist die Korrelation zwischen Narzissmus und dem Verhalten in sozialen Medien stärker ausgeprägt als in Ländern wie etwa Österreich oder den USA“, sagt Markus Appel.
Einen vergleichbaren Einfluss des Faktors „Individualismus“ zeigte die Auswertung der Daten aus 16 verschiedenen Ländern von vier Kontinenten hingegen nicht.
Die Generation Me
Ist die vielzitierte „Generation Me“ also ein Produkt von sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram, weil diese narzisstische Tendenzen fördern? Oder sind ihre Vertreter sowieso da und finden nur auf diesen Seiten die ideale Spielwiese für sie? Diese Fragen konnten die beiden Wissenschaftler mit ihrer Studie nicht wirklich beantworten.
„Wir vermuten, dass das Verhältnis von Narzissmus und dem Verhalten in sozialen Medien dem Muster einer sich selbst verstärkenden Spirale folgt“, sagt Markus Appel. Eine individuelle Disposition steuere die Netzaktivitäten; diese Aktivitäten wiederum verstärkten die Disposition. Um diese Frage endgültig zu klären, seien jedoch weitere Untersuchungen über längere Zeiträume hinweg notwendig.
Narcissism an Social Networking Behavior: A Meta-Analysis. Timo Gnambs and Markus Appel. Journal of Personality. DOI: 10.1111/jopy.12305
Kontakt
Prof. Dr. Markus Appel, Lehrstuhl für Medienkommunikation
T: +49 931 31-88106, markus.appel@uni-wuerzburg.de
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Media and communication sciences, Psychology
transregional, national
Research results
German
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