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04/11/2017 11:18

Einigung zur Pflegeausbildungsreform – Licht, Schatten und dazu noch viel Nebel!

Frank Weidner Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V.

    In den letzten Tagen wurde vermeldet, dass sich die Verhandlungsführer von CDU/CSU und SPD im Bundestag nach zähem Ringen auf Eckdaten einer Pflegeberufereform geeinigt haben.

    Die vorliegenden Informationen besagen, dass ab 2019 an allen Pflegeausbildungsstätten in Deutschland eine zweijährige, generalistische Ausbildungsphase eingeführt werden soll. Anschließend können Schüler im dritten Jahr wählen, diese fortzusetzen, oder aber ausschließlich auf Altenpflege oder Kinderkrankenpflege zu setzen. Erst sechs Jahre nach der Einführung der Reform soll geprüft und entschieden werden, wie es weitergehen soll. Viele Details sind aber noch unklar. Professor Frank Weidner, Leiter des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) hebt hervor: „Aus fachlicher Sicht kann die Einführung der Generalistik nur begrüßt werden, sie ist überfällig! Das Beibehalten von Altenpflege und Kinderkrankenpflege als eigenständige Berufsabschlüsse und das Offenhalten einer endgültigen Entscheidung sind jedoch unsinnige und zukunftsgefährdende Entscheidungen.“
    Sowohl pflegewissenschaftliche Ergebnisse der letzten Jahre aus einer Vielzahl von Modellprojekten als auch die international übliche Ausgestaltung einer umfassenden Pflegeausbildung sprechen eindeutig für die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung mit einem einzigen Berufsabschluss nach drei Jahren Ausbildungszeit. Insofern ist die nun beschlossene Einführung der generalistischen Pflegeausbildung mit vorbehaltenen Tätigkeiten und grundständigem Pflegestudium auch in Deutschland ein Meilenstein. „Ich kann allen Pflegeausbildungsstätten und den Bundesländern nur dringend empfehlen, sich der Generalistik ab 2019 vollständig zu öffnen und diesen zukunftsweisenden Weg zu präferieren und konsequent zu gehen“, ergänzt Weidner.
    Die Vereinbarungen fallen jedoch mit der Beibehaltung der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege als eigenständige Berufsabschlüsse deutlich hinter den Kompromiss, der bereits im Kabinettsbeschluss zur Pflegeberufereform von Anfang 2016 steckt, zurück. Nun soll es zukünftig weiterhin drei Berufsabschlüsse geben, die sich allerdings dann noch weniger unterscheiden lassen als zuvor schon. Dann soll es neben einer generalistisch qualifizierten Pflegefachperson z.B. mit Schwerpunkt Altenpflege auch eine Fachkraft Altenpflege mit generalistischer Grundausbildung geben. „Das ist wie den Euro einführen und weiter mit der D-Mark bezahlen“, kritisiert Weidner. „Dieses Wirrwarr kann nicht gut sein für ein Berufsbild, das zukunftsweisend sein soll, im Wettbewerb um gute Schulabgänger dringend punkten muss und unbedingt eine höhere Attraktivität benötigt!“ Auch eine europarechtliche Bewertung steht noch aus. Neben dem Berufsabschluss in der Altenpflege könnte so auch die Kinderkrankenpflege europaweit Probleme bei der Fachkraftanerkennung bekommen.
    Zudem bemängelt der Direktor des DIP, dass für mindestens sechs Jahre eine recht unübersichtliche Situation entstehen wird, die die Bewerber und Schüler gleichermaßen verunsichern dürfte. „Denn es steht zu befürchten, dass die Lobbyisten aus Alten- und Kinderkrankenpflege ihre partikularen Interessen bis zur Entscheidung im Jahr 2025 auch auf dem Rücken der Schüler weiter ausfechten werden“, sagt Weidner. Das könnte beispielsweise bei der Organisation und Umsetzung der praktischen Ausbildung eine unrühmliche Rolle spielen.
    Allerdings sind viele Details der Reform noch gar nicht bekannt und, so vermutet Weidner, auch noch nicht abschließend zwischen den Fraktionen geklärt. Nebulös sind bis dato beispielsweise die Regelungen zu den Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen für die Sonderwege, die Lehr- und Lernkonzepte sowie die Organisation der notwendigen praktischen Ausbildungsanteile. Weidner: „Ich wundere mich schon, dass im jetzt vorgestellten, mühselig zusammengezimmerten Kompromiss diese Fragen, die im vergangenen Jahr mit Vehemenz zur Entscheidung eingefordert wurden, nun ganz einfach übergangen worden sind.“
    Weidner kritisiert darüber hinaus, dass in der Koalition auch überlegt wurde, die ersten zwei Jahre der Ausbildung als Pflegeassistenz anzuerkennen. „Wer glaubt, dass der Unterschied zwischen einer Fachkraft und einer Assistenzkraft nur in der Dauer der Ausbildung liegt, hat ganz offensichtlich nichts von Bildungswegen verstanden“, betont Weidner und ergänzt: „Außerdem liegt die Regelungskompetenz für die Assistenzberufe nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Dieser Drops ist noch nicht gelutscht!“ Zudem warnt der Pflegeforscher davor, dass bei der Umsetzung des Kompromisses eine erhebliche Bürokratie auf die Länder, die Behörden und Schulen zukommen würde. Dies alles sind Weidner zufolge zusätzliche Anstrengungen, die man sich hätte sparen können, wenn man den seitens der Fachverbände, der Pflegewissenschaft und der Wohlfahrtspflege durchgängig begrüßten Entwurf des Kabinetts zum Pflegeberufereformgesetz aus dem Januar 2016 „einfach so, wie er ist“ verabschiedet hätte. „Die jetzt vorgestellten Ideen jenseits der Generalistik können nur mit der heißen Nadel gestrickt worden sein“, resümiert Weidner. „Abgesehen von den unsinnigen Vorstellungen zur eigenständigen Alten- und Kinderkrankenpflege setze ich nun aber ganz und gar auf den generalistischen Anteil der Vereinbarung. Das ist die Zukunft!“
    Zum Hintergrund: Die in den vergangenen Tagen erzielte Vereinbarung zwischen den Verhandlungsführern von SPD und CDU/CSU sieht bislang vor, dass im Anschluss an eine zweijährige, generalistische Phase die Schüler wählen können zwischen der Fortsetzung dieser generalistischen Pflegeausbildung mit einer fachlichen Schwerpunktsetzung im dritten Jahr oder der eigenständigen Spezialisierung in Kinderkrankenpflege bzw. Altenpflege und einem entsprechenden Berufsabschluss. Der bisherige Abschluss der Krankenpflegeausbildung soll mit dieser Reform wegfallen. Überlegt wurde auch, dass mit dem Abschluss der zweijährigen generalistischen Phase und fehlendem dritten Jahr ein Pflegeassistenzabschluss erreicht werden soll. Sechs Jahre nach Beginn der neuen Ausbildung, also im Jahr 2025, soll eine Auswertung der Anzahl der separaten Abschlüsse in der Altenpflege- und Kinderkrankenpflegeausbildung sowie der generalistischen Ausbildung mit Vertiefung in der Alten- und Kinderkrankenpflege erfolgen. Haben dann mehr als 50 Prozent den generalistischen Abschluss mit dem entsprechenden Schwerpunkt gewählt, sollen die eigenständigen Berufsabschlüsse auslaufen und nicht mehr weitergeführt werden. Über die Abschaffung oder die Beibehaltung soll allerdings abschließend der Deutsche Bundestag entscheiden. Die Finanzierung der Ausbildungswege soll über einen gemeinsamen Ausbildungsfonds erfolgen.
    Das gemeinnützige und unabhängige Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) hat seinen Sitz in Köln an der KatHO NRW und betreibt einen weiteren Standort an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV) bei Koblenz. Seit der Gründung im Jahr 2000 hat das Institut mehr als einhundertzwanzig innovative Projekte im Bereich der Pflege-, Pflegebildungs- und Versorgungsforschung durchgeführt und zahlreiche Studien zur Situation der Pflege in Deutschland veröffentlicht. Es finanziert sich nahezu ausschließlich durch eingeworbene Forschungsgelder.
    Kontakt: Elke Grabenhorst, Tel: 0221/ 4 68 61 – 30, E-Mail: dip@dip.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Nutrition / healthcare / nursing, Politics, Social studies, Teaching / education
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

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