idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
06/01/2017 20:00

Newton auf den Kopf gestellt

Dr. Christian Flatz Büro für Öffentlichkeitarbeit und Kulturservice
Universität Innsbruck

    In der Quantenwelt bewegen sich Objekte nicht immer so, wie wir es im Alltag gewohnt sind. Innsbrucker Experimentalphysiker um Hanns-Christoph Nägerl haben gemeinsam mit Theoretikern in München, Paris und Cambridge ein Quantenteilchen beobachtet, das sich in einer Oszillationsbewegung durch ein eindimensionales Gas bewegt. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift Science.

    Ein vom Baum fallender Apfel soll Isaac Newton zu jener Theorie inspiriert haben, die die Bewegung eines Objekts beschreibt. Die Newtonschen Gesetze besagen, dass ein sich bewegendes Objekt sich gerade weiterbewegt bis eine äußere Kraft die Bahn verändert. Die Bedeutung dieser Bewegungsgesetze ist allgegenwärtig und reicht vom Fallschirmspringer im Schwerefeld der Erde über das Gefühl der Trägheit in einem beschleunigenden Flugzeug bis zu den Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne.
    In der Quantenwelt hingegen stößt dieses Alltagsverständnis von Bewegung an Grenzen und scheitert manchmal überhaupt. „Oder können Sie sich eine Glasmurmel vorstellen, die sich durch eine Flüssigkeit auf und ab bewegt anstatt einfach runter zu fallen“, fragt Hanns-Christoph Nägerl vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Sein Team hat gemeinsam mit Theoretikern in München, Paris und Cambridge ein Quantenteilchen entdeckt, das genau dieses Verhalten zeigt. Grundlage der überraschenden Beobachtung ist die sogenannte Quanteninterferenz, jene Gesetzmäßigkeit der Quantenmechanik, wonach Teilchen sich wie Wellen verhalten, die sich aufsummieren oder auslöschen können.

    Nahe am absoluten Nullpunkt

    Um das Teilchen oszillieren zu sehen, haben die Forscher ein Gas aus Cäsiumatomen fast bis auf den absoluten Nullpunkt gekühlt und in sehr dünne Röhrchen gesperrt, die mit Laserstrahlen erzeugt wurden. Durch einen speziellen Trick wurden die Atome dazu gebracht, stark miteinander zu wechselwirken. Unter diesen extremen Bedingungen bilden die Teilchen eine Art Quantenflüssigkeit, deren Bewegung nur entlang der Röhrchen möglich ist. Die Physiker beschleunigten dann ein weiteres Atom in einem anderen Spinzustand durch das Gas. Dabei beobachteten sie, wie die Quantenwelle dieses Atoms von den anderen Atomen gestreut und wieder zurückreflektiert wurde. Dies erzeugte die verblüffende Oszillationsbewegung, die im Gegensatz zu dem steht, was eine Murmel macht, wenn sie ins Wasser fällt. Das Experiment zeigt, dass Newtons Gesetze in der Quantenwelt nicht uneingeschränkt gelten.

    Kristallines Verhalten von Quantenflüssigkeiten

    Die Tatsache, dass Quantenwellen in bestimmte Richtungen reflektiert werden können, ist nicht neu. So ist zum Beispiel bekannt, dass Elektronen im Kristallgitter eines Festkörpers reflektiert werden, was als Bragg-Streuung bezeichnet wird. Im Innsbrucker Experiment war allerdings kein Kristall vorhanden. Es war vielmehr das atomare Gas selbst, das eine Art versteckte Ordnung darstellte, was Physiker als Korrelationen bezeichnen. Die nun in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Arbeit zeigt, wie diese Korrelationen in Verbindung mit der Wellen-Natur von Materie die Bewegung von Teilchen in der Quantenwelt bestimmen und zu neuen Phänomenen führen, die auf den ersten Blick unserer Intuition widersprechen.

    Die Eigentümlichkeit der Quantenmechanik zu verstehen, kann auch für breitere Anwendungen interessant sein und zum Beispiel dabei helfen, grundlegende Mechanismen in elektronischen Bauteilen oder sogar Transportprozesse in komplexen biologischen Systemen besser zu verstehen.

    Diese Forschungen wurden unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und dem europäischen Wissenschaftsrat ERC und dem TUM Institute for Advanced Study finanziell unterstützt.

    Publikation: Bloch oscillations in the absence of a lattice. Florian Meinert, Michael Knap, Emil Kirilov, Katharina Jag-Lauber, Mikhail B. Zvonarev, Eugene Demler, Hanns-Christoph Nägerl. Science 2017. DOI: 10.1126/science.aah6616

    Rückfragehinweis:
    Hanns-Christoph Nägerl
    Institut für Experimentalphysik
    Universität Innsbruck
    Tel: +43 512 507-52420
    E-mail: christoph.naegerl@uibk.ac.at
    Web: www.ultracold.at

    Dr. Christian Flatz
    Büro für Öffentlichkeitsarbeit
    Universität Innsbruck
    Telefon: +43 512 507 32022
    Mobil: +43 676 872532022
    E-Mail: christian.flatz@uibk.ac.at


    More information:

    http://dx.doi.org/10.1126/science.aah6616 - Bloch oscillations in the absence of a lattice. Florian Meinert, Michael Knap, Emil Kirilov, Katharina Jag-Lauber, Mikhail B. Zvonarev, Eugene Demler, Hanns-Christoph Nägerl. Science 2017
    http://www.ultracold.at/ - Arbeitsgruppe Ultrakalte Atome und Quantengase, Universität Innsbruck
    http://www.uibk.ac.at/exphys/ - Institut für Experimentalphysik - Universität Innsbruck


    Images

    Physiker beobachteten die überraschende Oszillationsbewegung eines Quantenteilchens durch ein eindimensionales Gas.
    Physiker beobachteten die überraschende Oszillationsbewegung eines Quantenteilchens durch ein eindim ...
    Florian Meinert
    None


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
    Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Physiker beobachteten die überraschende Oszillationsbewegung eines Quantenteilchens durch ein eindimensionales Gas.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).