Wie in menschlichen Zivilisationen schwankte auch bei Sternen die Geburtenrate im Lauf der Zeit. Als das rund 13,8 Milliarden Jahre alte Universum etwa 2,5 Milliarden Jahre jung war, produzierten Galaxien am meisten Sterne. Das hat ein internationales Team von Astronomen unter Beteiligung des Argelander-Instituts für Astronomie der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg präzisiert. Mit dem Karl G. Jansky Very Large Array Telescope in New Mexiko (USA) gelang den Wissenschaftlern eine Durchmusterung der Galaxien mit den schärfsten und tiefsten Radiobildern, die jemals über eine große Himmelsregion gewonnen wurden.
Das internationale Team beobachtete dabei fast 11.000 Galaxien auf einer Fläche von rund neun Vollmonden. Mittels dieser einzigartigen Daten kann der Lebenszyklus von Galaxien in den vergangenen 13 Milliarden Jahren des Universums rekonstruiert werden. „Das Radiolicht einer Galaxie gibt uns Auskunft über mindestens zwei sehr wichtige Dinge“, sagt die Projektleiterin Prof. Dr. Vernesa Smolčić von der Universität Zagreb. „Radiolicht hilft uns, durch Staubwolken zu sehen und zeigt so neue Sterne, die sich in Galaxien bilden. Es kann uns aber auch hochenergetische Signaturen von wachsenden supermassiven Schwarzen Löchern aufzeigen.“ Radiolicht wird im Unterschied zum optischen Licht, das unsere Augen direkt sehen, nicht durch die großen Wolken von interstellarem Staub blockiert. Dies bedeutet, dass Radiowellen verwendet werden können, um neugeborene Sterne in Galaxien in einer Weise zu entdecken, die mit anderen Wellenlängen nicht möglich ist.
Das VLA-COSMOS-Projekt begann unter Leitung von Dr. Eva Schinnerer vom Max-Planck Institut für Astronomie Heidelberg bereits im Jahr 2004 mit einer ersten Durchmusterung des „COSMOS“ genannten Himmelsgebiets. Der große wissenschaftliche Erfolg dieses Projekts veranlasste das Team unter Leitung von Prof. Smolčić, die seinerzeit am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn forschte, eine weitere große Durchmusterung zu beantragen. Sie wurde durch die zwischenzeitlichen technischen Verbesserungen des Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) Teleskops in New Mexico (USA) möglich.
Verknüpfung von Daten verschiedener Teleskope
Die Astronomen kombinierten die neuen Radiobilder mit optischen, Infrarot- und Röntgendaten von vielen der weltweit führenden Teleskope. „Diese Datenverknüpfung bei unterschiedlichen Wellenlängen erlaubte uns, die Eigenschaften von Galaxien zu untersuchen, deren Radiowellen uns bis nahe der Anfänge des Universums vor etwa 13 Milliarden Jahren schauen lassen“, sagt Dr. Alexander Karim, der am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn für die VLA-COSMOS-Durchmusterung zuständig ist.
Das Team fand heraus, dass Galaxien die meisten Sterne produzierten, als das Universum etwa 2,5 Milliarden Jahre alt war - ein Fünftel seines jetzigen Alters. Zu dieser Zeit entstanden etwa ein Viertel aller neugeborenen Sterne in massereichen Galaxien. Die Ergebnisse zeigen, dass bis zu 20 Prozent mehr Sternbildung in Galaxien im frühen Universum stattfand, als bislang angenommen wurde. Darüber hinaus sind sehr entfernte Galaxien mit besonders intensiver Sternbildung – so genannte Submillimeter-Galaxien – größer als bisher erwartet. Der Grund dafür ist noch nicht vollständig geklärt, aber er könnte mit Gravitationswechselwirkungen, Kollisionen oder sogar Verschmelzungen von Galaxien zusammenhängen.
Supermassive Schwarze Löcher heizen Galaxien auf
Die neuen Radiodaten haben auch einen einzigartigen Einblick in Galaxien mit aktiv wachsenden, supermassereichen Schwarzen Löchern in ihren Zentren ermöglicht. Materie, die ein solches Schwarzes Loch umkreist und die schließlich hineingezogen wird, kann riesige Mengen an Energie freisetzen. Mit den neuen Radiodaten entdeckten die Astronomen mehr als 1000 solcher Erscheinungen. Die besondere Struktur ihrer Radioemission verrät die verborgene Aktivität ihrer Schwarzen Löcher. Sie sind besonders interessant, da sie das Schicksal ihrer Heimatgalaxien und ihrer kosmischen Umgebung entscheidend beeinflussen können.
Die Astronomen verglichen den durch kosmologische Computersimulationen vorhergesagten Glutofen mit den Ergebnissen der neuen Radiodaten und fanden eine sehr gute Übereinstimmung. „Physikalische Prozesse, die mit dem wachsenden supermassiven Schwarzen Loch verbunden sind, können das Gas in und um die Galaxie aufheizen, die Bildung neuer Sterne verhindern und somit das eigenständige Wachstum der Galaxien stoppen“, sagt Dr. Schinnerer vom MPI für Astronomie in Heidelberg. Dr. Karim ergänzt: „Die VLA-COSMOS-Durchmusterung stellt einen wichtigen Meilenstein auf unserem Weg zu den großflächigen Himmelsbeobachtungen der nächsten Generation dar“.
Publikation: The VLA-COSMOS 3 GHz Large Project, „Astronomy & Astrophysics“
Kontakte für die Medien:
Dr. Alexander Karim
Argelander-Institut für Astronomie
Universität Bonn
+49 (0)228 73 3668
E-Mail: karim@astro-uni-bonn.de
Prof. Dr. Frank Bertoldi
Argelander-Institut für Astronomie
Universität Bonn
+49 (0)228 73 6789
E-Mail: bertoldi@astro-uni-bonn.de
Dr. Eleni Vardoulaki
Argelander-Institut für Astronomie
Universität Bonn
+49 (0)228 73 5659
E-Mail: eleniv@astro.uni-bonn.de
Dr. Eva Schinnerer
Max-Planck-Institut für Astronomie Heidelberg
+49 (0)6221 528 293
E-Mail: schinner@mpia.de
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Galaxien: Grün sind der optisch sichtbare und der nahe Infrarotbereich dargestellt. Nur im Radiowell ...
Quelle: Dr. Eleni Vardoulaki und Eric Faustino Jimenez-Andrade (Argelander-Institut)/VLA-COSMOS Team
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Galaxien: Grün sind der optisch sichtbare und der nahe Infrarotbereich dargestellt. Nur im Radiowell ...
Quelle: Dr. Eleni Vardoulaki und Eric Faustino Jimenez-Andrade (Argelander-Institut)/VLA-COSMOS Team
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