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06/23/2017 08:05

Schimpansen belohnen Gefälligkeiten

Jana Gregor Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften (MPIMIS)

Für uns Menschen ist es eine Selbstverständlichkeit: Wir belohnen andere als Zeichen unserer Dankbarkeit. Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für evolutionäre Anthropologie und für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig haben nun ähnliche soziale Verhaltensweisen auch bei Schimpansen nachgewiesen. In einem Verhaltensexperiment belohnt ein Tier ein anderes mit Futter, wenn dieses ihm zuvor geholfen hat. Offenbar hat nicht erst der Mensch aus diesem Grund kooperiert, schon der Vorfahr von Mensch und Schimpanse hat offenbar aus einer ähnlichen Motivation heraus untereinander geteilt. Die Studie zeigt, warum Schimpansen dies tun und bestätigt Ergebnisse aus der Spieltheorie.

Dass Schimpansen auf unterschiedliche Weise miteinander kooperieren ist bekannt – nicht jedoch, aus welcher Motivation heraus sie das tun. Die Max-Planck-Wissenschaftler haben deshalb ihren Fokus auf die psychologischen Faktoren gelegt, die bei der Kooperation von Schimpansen eine Rolle spielen. In Verhaltensstudien haben sie untersucht, ob und wann Schimpansen motiviert sind, einander Futter zukommen zu lassen. Sie haben dafür die Reaktion der Tiere auf das Verhalten von Artgenossen beobachtet. Die Schimpansen konnten während des Experiments zwischen zwei Optionen wählen, von denen eine ihnen selbst und dem Partner Futter bescherte. Bei der zweiten erhielten ausschließlich sie selbst Futter.

Die Forscher stellten fest, dass alle Schimpansen ihren Versuchspartner begünstigten – allerdings nur, wenn dieser sie bei der Beschaffung des Futters im Vorfeld unterstützt hatte. Besonders großzügig waren die Tiere, wenn der Partner durch uneigennützige Hilfe sogar riskiert hatte, selbst gar kein Futter zu bekommen. Dieses Verhalten bestätigt spieltheoretische Modelle zu sozialer Kooperation, die zuvor am Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften erforscht wurden und die den Anstoß für die Verhaltensstudie lieferten.

Verzichten, um zu belohnen

Materielle Belohnungen gelten als zentraler Bestandteil menschlicher Zusammenarbeit. Die Ergebnisse der aktuellen Studie belegen, dass Schimpansen unter bestimmten Umständen ebenso bereit sind, sich ihren Artgenossen gegenüber erkenntlich zu zeigen. „Am meisten hat uns überrascht, dass die Schimpansen sogar Kosten auf sich nehmen und auf zusätzliches Futter verzichten, um einen Artgenossen für dessen Unterstützung zu belohnen. Bisher galt es als sicher, dass Schimpansen in Situationen wie diesen nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben“, sagte Martin Schmelz, einer der Autoren der Studie. Die Tiere können offenbar sogar einschätzen, wie viel Belohnung ihr Partner verdient: Je mehr dieser zuvor riskiert hat, desto größer ist die Bereitschaft, das eingegangene Risiko entsprechend zu honorieren.

„Die Ergebnisse legen nahe, dass die Schimpansen nicht nur die Handlungen sondern auch die kooperativen Absichten ihres Versuchspartners in Betracht ziehen und uneigennütziges von potentiell eigennützigem Verhalten unterscheiden“, sagte Sebastian Grüneisen, ein weiterer Autor der Studie. „Sie zeigen zudem, dass die Tiere einzelne Ereignisse in ihren Entscheidungen berücksichtigen, selbst wenn ihnen hierdurch zunächst ein materieller Nachteil entsteht.“

Schimpansen könnten also eine Art „emotionale Buchhaltung“ führen und soziale Entscheidungen auf emotionaler Ebene treffen. Möglicherweise wollen Schimpansen die Kooperationsbereitschaft des Partners erwidern und den Wunsch nach einer sozialen Bindung signalisieren. Diese Vermutung deckt sich mit dem Befund, dass Schimpansen höhere Oxytocin-Werte – ein Hormon, das an der Ausbildung sozialer Bindungen beteiligt ist – im Blut aufweisen, wenn sie mit Artgenossen interagieren. Weitere Studien mit Schimpansen sowie mit den noch sozialeren Bonobos könnten die Ergebnisse der Forscher untermauern.

Verhaltensexperiment (siehe Foto):

(A) Ausgangssituation: Aus der Perspektive des Teilnehmers ("Subject") kann sich der Partner für Option A entscheiden, bei der nur der Partner selbst Futter erhält, oder für die Option B/C, in der der Partner dem Teilnehmer die Wahl der Futterverteilung überlässt und dabei riskiert, selbst leer auszugehen.

(B) Endposition: Der Partner hat sich für die Option B/C entschieden. Sein Gegenüber belohnt diese Gefälligkeit, indem er sich für Option C entscheidet, bei der beide Tiere Futter erhalten.

Originalpublikation:

Martin Schmelz, Sebastian Grüneisen, Alihan Kabalak, Jürgen Jost, Michael Tomasello
Chimpanzees return favors at a personal cost
PNAS; 20 June, 2017

Kontakt:
Dr. Martin Schmelz 

Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig 

Tel.: 0043 670 608 2099

E-mail: martin_schmelz@gmx.de 



Dr. Sebastian Grüneisen 

Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig 

Tel.: 0341 3550 462 

E-mail: sebastian_grueneisen@eva.mpg.de

Prof. Dr. Jürgen Jost
Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften
Tel. 0341 9959 552
E-mail: juergen.jost@mis.mpg.de

Jana Gregor
Pressereferentin
Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften
Tel. 0341 9959 650
E-mail: jgregor@mis.mpg.de


More information:

http://www.eva.mpg.de
http://www.mis.mpg.de


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Schimpansen geben Artgenossen Futter ab – aber nur, wenn sich diese zuvor selbst als kooperativ erwiesen haben.
Schimpansen geben Artgenossen Futter ab – aber nur, wenn sich diese zuvor selbst als kooperativ erwi ...
© MPI f. evolutionäre Anthropologie
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Aufbau des Verhaltensexperiments
Aufbau des Verhaltensexperiments
© MPI f. evolutionäre Anthropologie
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Addendum from 06/23/2017

In der E-Mail-Adresse von Dr. Martin Schmelz ist uns ein Fehler unterlaufen. Bitte nutzen Sie

martin.schmelz@gmx.net


Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Biology, Mathematics
transregional, national
Research results
German


 

Schimpansen geben Artgenossen Futter ab – aber nur, wenn sich diese zuvor selbst als kooperativ erwiesen haben.


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