Die Bechsteinfledermaus hat bis ins hohe Alter eine geringe Sterblichkeit. Dies fanden Biologen der Universität Greifswald gemeinsam mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Demographische Forschung (MDIPR) aus Rostock heraus. Die Studie erscheint heute in der Fachzeitschrift Scientific Reports.
Für fast alle Lebewesen gilt: Nicht in jedem Alter ist die Mortalität, also die Wahrscheinlichkeit zu sterben, gleich hoch. Für viele Säugetiere ist sie kurz nach der Geburt hoch, fällt dann ab und steigt am Ende der Lebensspanne wieder. Doch bei den Bechsteinfledermäusen (Myotis bechsteinii) ist dies anders. Die MPIDR-Forscher Alexander Scheuerlein und Jutta Gampe haben gemeinsam mit den Biologen Toni Fleischer und Gerald Kerth von der Universität Greifswald herausgefunden, dass die Mortalität der Bechsteinfledermäuse nach dem ersten Lebensjahr über die ganze Lebensspanne hinweg gleichbleibend hoch ist. Oder anders gesagt: Sie altern nicht. Ihre Ergebnisse publizierten die Forscher in einem Artikel, der heute in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen ist.
„Jedes Tier hat, aus evolutionärer Sicht, das Bestreben möglichst viele Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Um das zu erreichen gibt es verschiedene evolutionäre Anpassungsstrategien. Bei den kleinen Säugetieren ist es häufig so, dass sie nicht sehr lange leben und in dieser kurzen Lebensspanne viele Junge bekommen”, erklärt Alexander Scheuerlein. Diese Arten nehmen also in Kauf, dass nicht alle Nachkommen überleben – sie setzen eher auf Masse, als auf das einzelne Tier. Größere und langlebigere Arten, wie zum Beispiel der Elefant, leben deutlich länger und bekommen wenige Junge, für die sie dann aber ihre ganzen Ressourcen einsetzen.
Nicht so die Bechsteinfledermäuse, sie haben sich eine andere evolutionäre Strategie angeeignet. Sie sind klein (rund 10 Gramm schwer), aber trotzdem langlebig – das älteste je erfasste Tier brachte es auf stolze 21 Jahre, eine verwandte Art, die Brandt-Fledermaus wurde sogar mindestens 42 Jahre alt. Bechsteinfledermäuse bekommen maximal ein Junges pro Jahr und ihre Sterblichkeit nimmt bis ins hohe Alter kaum zu. „Für kleine Säugetiere ist das sehr untypisch, dieses Muster ähnelt eher dem vom Meeresvögeln, oder Großsäugern”, sagt Alexander Scheuerlein.
„Von den rund 1.000 Fledermaus-Arten, die es weltweit gibt, sind schätzungsweise ein Viertel langlebig. Bei denen vermuten wir, dass sie ähnliche Muster in der Alterung aufzeigen. Eng miteinander verwandt sind diese langlebigen Arten aber nicht. Vermutlich hat sich die Langlebigkeit der Fledermäuse mehrere Male unabhängig im Lauf der Stammesgeschichte der Fledermäuse entwickelt”, sagt Alexander Scheuerlein.
Wie die Fledermäuse es schaffen, so außerordentlich alt zu werden, dafür haben die Forscher mehrere mögliche Erklärungen. Eine ist, dass die langlebigen Arten vor allem in den temperierten Zonen vorkommen und einen Winterschlaf machen, bei dem sie ihre Körpertemperatur massiv herabsetzen, nämlich auf etwa zwei bis zehn Grad Celsius. Der Stoffwechsel ist bei diesen Temperaturen extrem heruntergefahren, was zu einer Verringerung der molekularen Schäden und demnach zu einer Verlangsamung der Alterung führen könnte. Allerdings werden auch tropische Fledermausarten ungewöhnlich alt, so dass noch andere Mechanismen die hohe Lebenserwartung von Fledermäusen bewirken müssen.
Die Erkenntnisse der Forscher sind nicht nur für die Altersforschung wichtig, sondern auch, um die Tiere besser schützen zu können. „Wir konnten erstmals zeigen, dass Alter, Größe und Jahreszeit kaum einen Einfluss auf die Mortalität der Fledermäuse hat”, erklärt Gerald Kerth. Nur ungewöhnliche Naturereignisse seien ein Faktor, der die Sterblichkeit beeinflusse: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Tiere hoch sensibel auf unvorhersehbare äußere Veränderungen reagieren“, sagt Toni Fleischer. Die Bechsteinfledermaus lebt im Sommer in Kolonien in Baumhöhlen. Im Winter halten sie einen Winterschlaf in Felshöhlen. Im Sommer suchen die Tiere sich fast täglich andere Tagesquartiere aus. Deswegen sind sie auf wenig oder unbewirtschaftete Wälder mit viel Totholz angewiesen, denn alte und absterbende Bäume bieten besonders viele Hohlräume. Die Kolonien sind mit zehn bis fünfzig Tieren relativ klein im Vergleich zu den Kolonien anderer Fledermaus-Arten. „Vermutlich sind sie auch deswegen so anfällig für außergewöhnliche Naturereignisse”, vermuten die Autoren der Studie. „Wenn es nur ein paar Tiere in einer kleinen Kolonie erwischt, kann es leicht geschehen, dass die Kolonie nicht mehr groß genug ist um erfolgreich Nachkommen zu produzieren.”
Für ihre Studie beobachteten die Forscher 248 Fledermäuse über den Zeitraum von 19 Jahren. 180 der Tiere starben in dem Zeitraum, das ältestes wurde 15 Jahre alt. Im Winter 2010/2011 starben außergewöhnlich viele Tiere, ein Phänomen, das in diesem Jahr auch in anderen Fledermauspopulationen beobachtet wurde. Welche Naturereignisse für dieses Sterben verantwortlich sein könnten, ist noch unklar.
Weitere Informationen
Artikel im Scientific Reports (04.08.2017): http://www.nature.com/articles/s41598-017-06392-9
Foto:
Bechsteinfledermäuse – Foto: Gerald Kerth
Das Foto kann für redaktionelle Zwecke im Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung kostenlos heruntergeladen und genutzt werden. Dabei ist der Name des Bildautors zu nennen. Download: https://www.uni-greifswald.de/universitaet/information/aktuelles/medienfotos/med...
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Gerald Kerth
Angewandte Zoologie und Naturschutz
Loitzer Straße 26
17489 Greifswald
Telefon 03834 420 4100
gerald.kerth@uni-greifswald.de
Bechsteinfledermäuse
Foto: Gerald Kerth
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German
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