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08/07/2017 15:13

Auxin: Ein Pflanzenhormon, das alles steuert. Aber wie?

Dipl.Biol. Sylvia Pieplow Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Pflanzenbiochemie

    Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie liefert Antworten in Nature Communications

    Dass eine Pflanze zum Licht wächst, dass sie weiß, was ihr Hauptspross ist, oder dass sie Seitenwurzeln ausbildet – all diese Vorgänge und viele weitere sind abhängig vom Phytohormon Auxin. Diese Einbindung eines einzigen Signalstoffs in viele verschiedene Signalwege setzt voraus, dass es unterschiedliche Regulationsebenen geben muss, auf denen der Effekt des Phytohormons an die jeweiligen Erfordernisse angepasst wird. Seit etwa 20 Jahren arbeiten Pflanzenforscher aus aller Welt an der Entschlüsselung dieses Phänomens. Wissenschaftlern des Leibniz-Institutes für Pflanzenbiochemie in Halle ist es nun gelungen, eine wichtige Regulationsebene aufzuklären. Ihre Ergebnisse wurden hochrangig in der Fachzeitschrift Nature Communications publiziert. Gemeinsam mit Partnern der Martin-Luther-Universität beleuchten sie zudem einen Teil der evolutionären Herausbildung des fein regulierten Auxin-Signalnetzwerkes.

    Auxin entfaltet seine Wirkung, indem es im Zellkern von Proteinen erkannt und gebunden wird. Diese Proteine, die Rezeptoren, aktivieren durch die Bindung des Hormons andere Proteine, sodass das Signal von einem Interaktionspartner zum nächsten übertragen wird. Am Ende der Signalübertragung werden all jene Gene aktiviert, die für eine adäquate physiologische Reaktion der Pflanze notwendig sind. Das können Gene mit wachstumsinduzierender Wirkung sein, die zum Beispiel Teilung, Streckung und Differenzierung der Zellen anregen.

    Bei Arabidopsis thaliana, dem Modellorganismus der Pflanzenforschung, kennt man hunderte Gene mit verschiedensten physiologischen Auswirkungen, die auf diese Weise durch Auxin angeschaltet werden. Während man zu diesen Auxin-aktivierten Genen bereits einiges weiß, ist zu den frühen Ereignissen der Signalkette – der Bindung des Hormons an seinen Rezeptor – noch wenig bekannt. Die Aufklärung dieser frühen Ereignisse ist aber notwendig, um zu verstehen, wie und warum ein einziges Signalmolekül wie Auxin, so viele verschiedene Gene aktivieren kann. Die Hallenser Pflanzenforscher um Luz Irina Calderón Villalobos haben sich genau dieser Fragestellung angenommen.

    Demnach bindet Auxin nicht nur an ein Rezeptorprotein, sondern es wirkt als molekularer Klebstoff zwischen zwei Hauptakteuren eines ganzen Rezeptorkomplexes. Die beiden Hauptakteure, der TIR1-Rezeptor und der sogenannte AUX/IAA-Repressor – ein Protein, das die entsprechenden Wachstums- und Entwicklungsgene blockiert – werden durch Auxin aneinander gekoppelt. In der Folge kommt es zur Zerstörung des AUX/IAA-Repressors in einem komplexen zellulären Prozess. Durch den Abbau des Repressors werden die zuvor durch ihn blockierten Wachstumsgene frei und können nun abgelesen werden.

    Bei Arabidopsis kennt man bisher sechs verschiedene TIR1-ähnliche Rezeptorproteine und 29 verschiedene AUX/IAA-Repressorproteine, die das Hormon theoretisch aneinander koppeln kann. Über die resultierende Vielzahl unterschiedlicher möglicher Rezeptorkomplexe könnte Auxin bewirken, dass die Pflanze auf verschiedene Herausforderungen mit der jeweils benötigten Aktivierung der entsprechenden Wachstums- oder Entwicklungsgene reagiert.

    Dass dies tatsächlich passiert, konnte jetzt von den Hallenser Pflanzenexperten sehr schön gezeigt werden. Dafür verglichen die Wissenschaftler zwei konkrete Repressorproteine, die AUX/IAA-Proteine IAA6 und IAA19, in ihrem Bindungsverhalten zu Auxin und zum TIR1-Rezeptor. Der Rezeptorkomplex TIR1-IAA19 – so die Befunde – bindet das Phytohormon stärker und initiiert auch alle nachfolgenden Schritte der Signalübertragung stärker als der Rezeptorkomplex TIR1-IAA6. In der Konsequenz können unterschiedliche Gene in unterschiedlichen Geweben und zu unterschiedlichen Zeitpunkten aktiviert werden.

    Das Interessante an den untersuchten Repressoren IAA6 und IAA19 ist: sie sind sehr ähnlich aufgebaut und unterscheiden sich nur in wenigen Bausteinen. Die codierenden Gene bilden ein sogenanntes Geschwisterpaar; das eine Gen ist während der Evolution aus dem anderen hervorgegangen. Trotz ihrer großen Ähnlichkeit verhalten sich die entsprechenden Repressorproteine unterschiedlich. Die Hallenser Wissenschaftler vermuten hinter diesem Szenario eine sogenannte Subfunktionalisierung der Proteine im Laufe der Evolution.

    Die Verdopplung der beiden Repressorgene geschah vermutlich durch eine einmalige Verdopplung der gesamten genetischen Information (Genom) in einer Arabidopsis-Pflanze vor einigen Millionen Jahren. Innerhalb von so entstandenen Doppelgängergenen können sich jetzt über Generationen hinweg Mutationen etablieren. Dabei kann eines der verdoppelten Gene seine ursprüngliche Funktion beibehalten, während das andere frei ist für Veränderungen. So entstehen entweder Proteine mit neuen Funktionen (Neofunktionalisierung) oder Proteine, die ihre ursprüngliche Funktion in verstärkter Form, oder an anderen Orten in der Pflanze oder in anderen Entwicklungsphasen ausüben. Diese Art der Subfunktionalisierung – so das Resümee der Hallenser Wissenschaftler – ist auch bei den untersuchten IAA-Proteinen und vermutlich bei weiteren Genkopien des Repressors erfolgt.

    Durch Genomverdopplungen gewinnen Pflanzen genetischen Freiraum für Mutationen, den sie benötigen, um sich fortwährend an klimatische Veränderungen anzupassen. Nur mit dieser genetischen Flexibilität als Ursache für die Entstehung von immer wieder neuen Proteinen haben Pflanzen bis heute überlebt. Mit ihren umfassenden Studien eines genetischen Geschwisterpaares ist den Hallenser Wissenschaftlern ein grandioser Einblick in das Schaufenster der Evolution gelungen. Dieser Einblick ist eingefroren im Ist-Zustand der gegenwärtigen Entwicklung und erlaubt dennoch Rückschlüsse auf die Vergangenheit, Ausblicke in die Zukunft und viele interessante weiterführende Fragen.

    Originalpublikation:
    Martin Winkler, Michael Niemeyer, Antje Hellmuth, Philipp Janitza, Gideon Christ, Sophia L. Samodelov, Verona Wilde, Petra Majovsky, Marco Trujillo, Matias D. Zurbriggen, Wolfgang Hoehenwarter, Marcel Quint & Luz Irina A. Calderón Villalobos. Variation in auxin sensing guides AUX/IAA transcriptional repressor ubiquitylation and destruction. Nature Communications 8: 15706 (2017) doi:10.1038/ncomms15706

    Ansprechpartner:
    Luz Irina A. Calderón Villalobos
    Leiterin der AG Signalintegration
    Abteilung Molekulare Signalverarbeitung
    Tel.: 0345 5582 1232
    E-Mail: LuzIrina.Calderon@ipb-halle.de


    More information:

    http://www.ipb-halle.de/oeffentlichkeit/aktuelles/artikel-detail/auxin-ein-pflan...
    https://www.nature.com/articles/ncomms15706


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    Weltweit tragen Pflanzenforscher immer mehr Puzzlesteine des Wissens zur Wirkungsweise des Phytohormons Auxin zusammen.
    Weltweit tragen Pflanzenforscher immer mehr Puzzlesteine des Wissens zur Wirkungsweise des Phytohorm ...
    Grafik: José Andres Archila Castaño
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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Chemistry, Environment / ecology
    transregional, national
    Research results, Scientific conferences
    German


     

    Weltweit tragen Pflanzenforscher immer mehr Puzzlesteine des Wissens zur Wirkungsweise des Phytohormons Auxin zusammen.


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