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08/09/2017 08:33

Trotz bundesweiter Milliardenüberschüsse: Jede fünfte Kommune dauerhaft in Haushaltskrise

Jochen Lange Pressestelle
Bertelsmann Stiftung

    Die Städte, Gemeinden und Kreise in Deutschland haben im Jahr 2016 einen Überschuss von 4,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das ist der beste Haushaltsabschluss seit 2008 und das fünfte positive Jahr in Folge. Aber die Unterschiede in der Wirtschaftskraft zwi-schen den Kommunen wachsen. Den schwachen Kommunen gelingt kein Abbau ihrer Alt-schulden.

    Gütersloh, 09. August 2017. Hinter den bundesweit guten Zahlen verbirgt sich ein
    wachsendes Gefälle. Das zeigt der Kommunale Finanzreport 2017 der Bertelsmann Stiftung. Denn die insgesamt positive Entwicklung in den Kassen der Kommunen wird vor allem getragen durch die hohen Überschüsse in Bayern und Baden-Württemberg. Hier waren die Kommunen über fünf Jahre durchgängig im Plus. Demgegenüber gelang zum Beispiel den Kommunen in Schleswig-Holstein und dem Saarland in keinem dieser Jahre der Haushaltsausgleich.

    Ursache der sich bessernden Haushaltslage ist vor allem die gute Konjunktur in
    Deutschland. Im Zuge dessen ziehen auch die Investitionen weiter an. Allerdings wird die
    Investitionshöhe ebenfalls maßgeblich durch die süddeutschen Kommunen geprägt. In der Summe der vergangenen beiden Jahre investierten die Kommunen Bayerns pro Einwohner fast drei Mal so viel wie jene in Sachsen-Anhalt oder dem Saarland. "Die Unterschiede in der Infrastruktur und Standortqualität wachsen. Die schwachen Kommunen fallen weiter zurück. Die Schere zwischen den armen und reichen Kommunen öffnet sich", sagt Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung.

    Unterschiede in der Steuerkraft wachsen

    Im Vergleich der Jahre 2005 und 2015 sind die Gemeindesteuern um bemerkenswerte 56 Prozent gestiegen. Alle Kommunen haben hiervon profitiert, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. Die Folge: Die Differenzen der Steuerkraft zwischen den Kommunen wurden größer. Noch immer besteht ein deutliches West-Ost-Gefälle. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Osten flächendeckend steuerschwach. In Süddeutschland liegen die Steuereinnahmen hingegen teils immer deutlicher über dem Bundesdurchschnitt.

    Ein Vergleich der Extreme macht die bundesweiten Unterschiede deutlich: Der stärkste Landkreis München (Bayern) erzielt pro Einwohner sieben Mal mehr Steuereinnahmen als der Kreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt). Die Verteilung der Kommunen hinsichtlich ihrer Steuerkraft ist dabei selbst über einen Zeitraum von zehn Jahren stabil. Nur wenige schwache Kommunen konnten ihre Position verbessern. Die Ursachen hierfür liegen in der Wirtschaftsstruktur.

    Volumen der Kassenkredite hat sich verdoppelt

    Ähnliche Differenzen zeigen sich in den Kassenkrediten, dem üblichen Indikator der Haus-haltskrise. Eigentlich dienen sie nur zur Überbrückung kurzfristiger finanzieller Engpässe. In vielen Kommunen sind sie jedoch zum Dauerzustand geworden. Im Vergleich der Jahre 2005 und 2015 hat sich ihr Volumen bundesweit auf fast 50 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Allein im Zuge der Wirtschaftskrise sind die Kassenkredite um 15 Milliarden Euro beziehungsweise um mehr als 50 Prozent angestiegen.

    Haushaltskrisen konzentrieren sich auf wenige Länder

    Kassenkredite sind allerdings kein bundesweites Phänomen. Der Hälfte aller Kommunen sind sie unbekannt. Dagegen liegen die 17 höchst verschuldeten Kommunen in nur zwei Bundesländern, NRW und Rheinland-Pfalz. An der Spitze in Pirmasens (Rheinland-Pfalz) werden umgerechnet sogar Kassenkredite von fast 8.000 Euro pro Einwohner erreicht. Der Zehnjahres-Vergleich zeigt: Schwache Kommunen bleiben schwach und entkoppeln sich mehr und mehr vom bundesweiten Durchschnitt. "Allein die Stadt Essen führt mehr als doppelt so hohe Kassenkredite wie alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen zusammen", so René Geißler, Kommunaler Finanzexperte der Stiftung. In einigen Bundesländern konnten Kommunen ihre Bestände zwar jüngst aufgrund von Landeshilfen deutlich zurückführen. Kaum einer hochverschuldeten Kommune gelang jedoch ein Abbau aus eigener Kraft.

    Trügerische Ruhe bei den Kommunalfinanzen

    Den schwachen Kommunen gelingt selbst im aktuellen positiven wirtschaftlichen Umfeld keine tiefgreifende Trendwende. "Hinter der Kulisse hoher Steuereinnahmen wachsen die Risiken aus Sozialausgaben und Zinsen", so Geißler. Bereits kleine Eintrübungen der Kon-junktur werden viele Kommunen hart treffen. "Angesichts der guten konjunkturellen Rah-menbedingungen ist die Zeit günstig, über eine große Lösung der Kassenkredite nachzudenken", sagt Stiftungsexpertin Witte. Bund, Länder und Kommunen müssen ihre gemeinsamen Anstrengungen weiter verstärken.

    Zusatzinformationen

    Der Kommunale Finanzreport der Bertelsmann Stiftung erscheint alle zwei Jahre. Er basiert auf den jeweils aktuellsten amtlichen Finanzstatistiken und untersucht die Finanzentwicklung aller 398 kreisfreien Städte und Landkreise (einschließlich ihrer kreisangehörigen Gemeinden und Gemeindeverbände). Ziel des Kommunalen Finanzreports ist es, die regionalen und zeitlichen Trends wichtiger Indikatoren aufzuzeigen. Er wird in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V. und Experten aus der Praxis erarbeitet.

    Unsere Experten:

    René Geißler, Telefon: 0 52 41 81 81 467
    E-Mail: rene.geissler@bertelsmann-stiftung.de

    Friederike-Sophie Niemann, Telefon: 0 52 41 81 81 251
    E-Mail: friederike-sophie.niemann@bertelsmann-stiftung.de


    More information:

    http://www.kommunaler-finanzreport.de
    http://www.bertelsmann-stiftung.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Economics / business administration
    transregional, national
    Research results
    German


     

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