Aus dem Wurzelwerk von Pilzen wachsen Bausteine, die sich zu selbsttragenden Strukturen aufeinanderschichten lassen: Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und an der ETH Zürich erforschen den Einsatz von Pilzmyzelium in der Architektur. Wiederverwertbare Baustoffe wie Myzelium oder Bambus könnten künftig konventionelle Materialien wie Stahl und Beton ersetzen. Derzeit zeigen die Forscher ihre Vision unter dem Titel „Beyond Mining – Urban Growth“ bei der Seoul Biennale of Architecture and Urbanism 2017.
Das globale Bauwesen konzentriert sich auf einige wenige Materialien – aber die Ressourcen sind endlich. So droht Sand, ein wichtiger Zuschlagstoff für Beton, in manchen Regionen bald auszugehen. Der Einsatz von Stahlbeton macht viele Länder von Importen abhängig. Wissenschaftler des Fachgebiets Nachhaltiges Bauen an der Fakultät für Architektur des KIT suchen nach Alternativen zu den konventionellen Materialien. „Unsere Vision ist, Häuser künftig sozusagen wachsen zu lassen und nach Ende ihrer Nutzung die Baustoffe wiederzuverwerten“, erklärt der Leiter des Fachgebiets, Professor Dirk E. Hebel. Gemeinsam mit der Block Research Group (BRG) an der ETH Zürich erforscht das interdisziplinäre Karlsruher Team aus Architekten, Bau- und Bioingenieuren, Material- und Energiewissenschaftlern unter Federführung von Karsten Schlesier und Felix Heisel den Einsatz regenerativer Materialien in der Architektur. Bis 5. November präsentieren die Forscher unter dem Titel „Beyond Mining – Urban Growth“ bei der Seoul Biennale of Architecture and Urbanism 2017 ihren „MycoTree“: eine Struktur aus Pilzmyzelium und Bambus, deren Geometrie sie mit Methoden grafischer Statik in 3D optimiert und tragfähig gemacht haben – in dieser Form eine Weltneuheit. Ein Making-of-Video ist unter https://vimeo.com/232044405 zu sehen.
Myzelium ist das Wurzelwerk von Pilzen, ein schnell wachsendes feines Geflecht aus fadenförmigen Zellen. Die Pilze ernähren sich von Cellulose, dem Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, und wandeln sie in Chitin um. Um Bausteine aus Myzelium herzustellen, verwenden die Forscher aus Karlsruhe und Zürich den Pilz Ganoderma lucidum (Glänzender Lackporling) und mischen Pilzgewebe mit Holzspänen oder anderen pflanzlichen Abfällen. Auf einer Farm des Industriepartners Mycotech in Indonesien wächst in wenigen Tagen eine dichte, schwammähnliche Substanz aus miteinander verflochtenen Zellfäden. Diese Masse lässt sich in fast jede Form füllen, wo sie sich über einige Tage weiter verdichtet. Abschließend wird sie getrocknet, um das Wachstum zu stoppen und den Pilz abzutöten. Ergebnis sind leichte Bausteine, die gut isolieren. Das Team um Professor Dirk E. Hebel arbeitet außerdem an neuartigen Verbundwerkstoffen mit Bambus. Dieser besitzt lange, stabile Fasern und wächst deutlich schneller als Holz.
Die Druck- und Zugbelastbarkeit gewachsener oder wiederverwerteter Baustoffe ist gewöhnlich vergleichsweise gering. Durch gezielte Gestaltung der geometrischen Form und des inneren Kräfteflusses lassen sich diese Eigenschaften jedoch wesentlich verbessern. Die Wissenschaftler am KIT und der ETH Zürich greifen dabei auf Methoden grafischer Statik zurück, bei der statische Aufgaben zeichnerisch gelöst werden. Mithilfe moderner Software erweitern sie die traditionell zweidimensionale grafische Statik auf die dritte Dimension. „Nachwachsende Baustoffe erhalten so das Potenzial, konventionelle Materialien in vielen architektonischen Strukturen zu ersetzen“, erklärt Dirk E. Hebel.
Die Seoul Biennale of Architecture and Urbanism 2017 läuft vom 2. September bis 5. November. Unter dem Titel „Imminent Commons“ widmet sich die Veranstaltung mit Ausstellungen, Vorträgen, Diskussionen und Workshops den architektonischen, technischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen, vor denen die Städte der Welt heute und morgen stehen, und stellt mögliche Lösungen für die nähere und fernere Zukunft vor. Informationen unter http://seoulbiennale.org
Bildunterschrift: Der „MycoTree“, eine Struktur aus Pilzmyzelium und Bambus. Die Geometrie wurde mit Methoden grafischer Statik in 3D optimiert und tragfähig gemacht. (Foto: Carlina Teteris)
Weiterer Kontakt:
Simon Scheuerle, Pressestelle, Tel.: +49 721 608 48761, Fax: +49 721 608 43658, E-Mail: simon.scheuerle@kit.edu
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieurs-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 26.000 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
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Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: http://www.sek.kit.edu/presse.php
Der „MycoTree“, eine Struktur aus Pilzmyzelium und Bambus. Die Geometrie wurde mit Methoden grafisch ...
Foto: Carlina Teteris
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Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Construction / architecture, Environment / ecology, Materials sciences
transregional, national
Research results, Scientific conferences
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