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09/01/2003 12:10

Wie Banken auf die Finanzkrise reagieren

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Wie Banken auf die Finanzkrise reagieren
    Auch für Nicht-Studenten: Crashkurs "Investment Banking" stellt aktuelle Entwicklungen im Wertpapiergeschäft vor

    Die bewältigte Krise auf den Wertpapiermärkten hat die Welt der Banken verändert: Herausragendes Merkmal der Neuorientierung ist die Integrierung des Kredites in das Aktiengeschäft. Die vormals getrennten Bereiche des Commercial Banking und des Investment Banking verschmelzen. All die von den Wertpapiermärkten bekannten Techniken des Investment Banking werden auf den Kreditbereich ausgedehnt. Dies führt zu neuen Chancen für Kreditnehmer und zu attraktiven, teilweise auch risikoärmeren Anlagemöglichkeiten für Investoren.

    An der TU Chemnitz stellt ein dreitägiger Crashkurs vom 15. bis 17. Oktober 2003 aktuelle Geschäftsstrategien des Investment Bankings vor. Finanzexperten vermitteln in 16 Vorlesungen neue Entwicklungen und Produkte dieses wichtigen und sensiblen Bankbereichs und analysieren moderne Aktien- und Rentenprodukte. Am Vorabend des Kurses spricht Klaus-Peter Müller, Sprecher des Vorstandes der Commerzbank AG, im Chemnitzer Industriemuseum über das Thema "Wenn Kredite handelbar werden - Perspektiven für integrierte Banken und die Mittelstandsfinanzierung". Das vollständige Kursprogramm findet man im Internet unter http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl4/ .

    Zum Abschluss des Kurses bleibt es den Teilnehmern freigestellt, einige Wochen später eine Klausur zu schreiben oder ein Universitäts-Zertifikat zu erwerben. Der Crashkurs richtet sich nicht nur an interessierte Studenten, sondern ebenfalls an Externe, die sich auf diesem Gebiet auf Hochschulniveau weiterbilden möchten.

    Anmeldungen für den Crashkurs können bis zum 5. Oktober 2003 gerichtet werden an die TU Chemnitz, Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, 09107 Chemnitz, Telefon (03 71) 5 31 - 41 88, Fax (03 71) 5 31 - 39 65, E- Mail finance@wirtschaft.tu-chemnitz.de .

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    Zum Hintergrund: Investment-Banking 2004, Aktuelle Geschäfte und Analysen
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    (Autor: Prof. Dr. Friedrich Thießen, Professur für Finanzwirtschaft- und Bankbetriebslehre)

    Während viele Kunden gedanklich weiterhin in der vergangenen Wertpapierkrise verhaftet sind, steht bei den Banken alles im Zeichen des kommenden Aufschwungs. Zwar entlassen einige Banken noch immer Mitarbeiter; aber im Großen und Ganzen sind die Kapazitäten bereinigt und die Kostenstrukturen im Griff. Die Banken haben in den letzten Jahren aber nicht nur Kapazitäten bereinigt; sie haben einige Strukturen vollkommen verändert.
    Wenn man vor einigen Monaten noch glauben konnte, das Wertpapiergeschäft, also das Investment Banking, sei nach den katastrophalen Entwicklungen der Jahre seit dem Crash 2000 am Boden und würde jetzt wieder durch das klassische Einlage- und Kreditgeschäft verdrängt werden, so ist genau das Gegenteil eingetreten: nicht nur, dass am Wertpapiergeschäft bei der Geldanlage kein Weg mehr vorbei führt, die Techniken des Wertpapiergeschäftes greifen mittlerweile sogar auf das traditionelle Kreditgeschäft über und verändern es von Grund auf. Viele Kunden vor allem des Mittelstandes haben dies bereits erfahren müssen: Gekündigte Kreditlinien, Verteuerung der Kredite, aufwändige Rating-Prozesse. Rating ist eines der neuen Stichworte, die das veränderte Bankenverhalten am besten dokumentieren.

    Was erklärt den unaufhaltsamen Aufstieg des Investment Banking trotz der katastrophalen Entwicklungen der letzten Jahre? Wie in so vielen Branchen, so spielt auch bei Banken die fortschreitende Automatisierung eine Rolle. Banken suchen als traditionell personalintensive Dienstleister nach Möglichkeiten, Kosten zu begrenzen. Dies gelingt durch den Einsatz von Computern und Algorithmen. Der Wertpapierbereich ist bereits sehr weit automatisiert, und dessen Strukturen werden nun auf den Kreditbereich übertragen. Banken wollen Kredite und Kreditportfolios auf die grundsätzlich gleiche Art managen wie Wertpapiere und Wertpapierportfolios. Daraus ergeben sich erhebliche Synergien.

    Von diesen grundlegenden Überlegungen bemerken Kunden der Banken i.d.R. nichts. Augenfällig für sie sind vor allem die neuen Produkte, die auf den Markt kommen. Einige davon stehen im Zusammenhang mit der vergangenen Krise. Andere ergeben sich aus der Umstrukturierung des Kreditgeschäftes.

    Zunächst zu den Krisenprodukten. Kunden zeigen sich derzeit risikoavers. Auch wenn die Aktienkurse wieder steigen: die Vergangenheit wirkt nachhaltig. Die Vorsicht ist größer geworden. Gleichzeitig sind die Basisrenditen so gesunken, dass Geldanlage in sicheren Titeln keinen Spaß mehr macht. Man braucht jetzt Produkte, die Ertragschancen mit Sicherheit verbinden. Derartige Produkte, bei denen eine Absicherung gegen Verluste mit der Möglichkeit zu erfolgsabhängigen Ertragssteigerungen gekoppelt wird, werden derzeit von den Banken entwickelt und an den Markt gebracht. Aber Zaubern kann keiner: Absicherung kostet Ertragsanteile. Es kommt darauf an, den richtigen Mittelweg zwischen möglichst großen Ertragschancen und gerade noch ausreichendem Sicherheitsniveau zu finden. Dazu muss man kreativ sein und viel vom Finanzwesen verstehen. Das ist oftmals nicht nur eine Frage der Banktechnik, sondern auch eine Frage des Marketing und des Einfühlungsvermögens in die Kunden. Der Crash-Kurs zeigt, auf welche Ideen Banken kommen und mit welchen Strategien und Argumenten Produkte verkauft werden.

    Andere Banken setzen mehr auf eine Rückkehr zur breiten Vermögensstreuung. Anlagen werden jetzt wieder auf mehrere Assetklassen verteilt, statt wie im Boom nur auf Aktien von ein oder zwei Branchen. Das Financial Planning, also die Lehre von der optimalen Strukturierung der privaten finanziellen Angelegenheiten, findet derzeit starke Verbreitung.

    Der zweite Bereich mit starken Veränderungen ist das Kreditgeschäft. Die deutschen Banken sind dabei, das Kreditgeschäft auf eine völlig neue Stufe zu stellen. Sie ändern das Geschäftsmodell so radikal, wie seit Jahrzehnten kein Geschäftsmodell im Finanzbereich mehr geändert worden ist.

    Das neue System lässt sich am treffendsten mit dem Begriff des Kreditportfoliomanagements bezeichnen. Banken sehen Kredite nicht mehr als bilaterale Verhältnisse Kunde - Bank, sondern als ein Portfolio von Ausfallrisiken, das es zu optimieren gilt. Aus der in den letzten Jahren perfektionierten Steuerung von Wertpapierportfolios ist bekannt, wie man verfahren muss: Portfolios werden umgeschichtet, wann immer neue Informationen vorliegen. Man spekuliert mit interessanten Titeln und vermeidet Ladenhüter, man diversifiziert den Bestand und versucht, Erträge nicht nur aus der Buy-and-Hold-Strategie zu generieren, sondern auch aus dem Handel. Wenn z.B. die Deutsche Bank ankündigt, sie wolle alle Kredite an ihre größeren Kunden mittels Kreditderivaten absichern, dann dient das nicht nur der Verbesserung ihres Kreditportfolios - Auflösung von Klumpenrisiken -, sondern stärkt auch ihre Position als einer der bedeutendsten Market Maker weltweit im Handel von Kreditderivaten.

    Wer Kredite handeln will, muss Käufer finden. Es muss Interesse von Käufern und ein Markt vorhanden sein. Banken bauen derzeit einen solchen Markt für Kredite auf. Dazu "verpacken" sie Kredite auf verschiedenste Weise. So werden z.B. Fonds aufgelegt, die in Kredittranchen investieren. Der Anleger beteiligt sich durch den Kauf von Investmentfonds an gut diversifizierten Kreditportfolios. Ein anderer Weg, Kredite zu vertreiben, läuft über die Gründung von "Ein-Zweck-Gesellschaften", die Kredite ankaufen und sich über Aktien oder Anleihen refinanzieren. Der Anleger erwirbt Anleihen, hinter denen letztlich die Risiko- und Ertragsstrukturen von Krediten stehen. Dadurch kann man mit solchen Anleihen auch viel höhere Zinserträge erhalten als mit "normalen" Anleihen.

    Durch Hinzufügen von Optionen und/oder Bankengarantien können Risiken und Chancen begrenzt oder auch potenziert werden. Jede beliebige Struktur ist machbar. Die aus dem traditionellen Investment Banking stammenden Strukturierungsideen werden derzeit "mit Gewalt" auf die Kreditmärkte übertragen. Sparer können demnächst in Kredite an mittelständische Unternehmen, in Kredite an Großunternehmen oder in Forderungen an Haushalte aus Immobilienkrediten oder aus Kreditkartengeschäften u.v.m. investieren. Auch Kredite in hochriskante Projekte und Wachstumsunternehmen sind denkbar.
    Die Banken lassen sich viel einfallen, um Menschen mit unterschiedlicher Risikofreudigkeit genau passende Produkte anzubieten. Der Trend geht dahin, Kredite in verschiedene Tranchen zu splitten, die im Insolvenzfall nacheinander für Verluste haften. Auf diese Weise kann man risikoaversen Sparern die sichersten Tranchen von Krediten anbieten, also Tranchen, die im Insolvenzfall aus der Masse bevorrechtigt bedient werden. Risikofreudigere Anleger erwerben dagegen die riskanteren Tranchen eines Unternehmens. Dafür erhalten diese Anleger dann aber auch einen sehr stattlichen Zins. Weil Kunden so interessiert an hohen Zinsen sind, aber trotzdem das Risiko begrenzt sehen möchten, sind Banken auf folgende ganz neue Idee gekommen: Man sucht nach Krediten, die zwar eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit - im Fachdeutsch Default Rate - haben, bei denen aber im Insolvenzfall noch viel Masse zu holen ist - also eine hohe Recovery Rate vorhanden ist -, so dass die Kredite trotz Insolvenz doch weitgehend bedient werden. Solange sich die Höhe der Zinsen nach der Höhe der Default Rate richtet und die Recovery Rate noch wenig beachtet wird, kann man mit solchen Investments sogar ein richtig gutes Geschäft machen. Das sind nur einige der Entwicklungen, die von der Idee her aus dem Investment Banking stammen, die auf dem Crash-Kurs ausführlich behandelt werden.

    Chemnitzer Studierende werden seit fünf Jahren in den Techniken des Investment Banking unterrichtet. Sie verstehen die neuen Entwicklungen und können in der Praxis bereits unmittelbar nach dem Studium an der vordersten Front der Entwicklung mitarbeiten.

    Weitere Informationen: TU Chemnitz, Professur Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Friedrich Thießen, Telefon (03 71) 5 31 - 41 74, Fax (03 71) 5 31 -39 65, E-Mail f.thiessen@wirtschaft.tu-chemnitz.de.


    More information:

    http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl4/


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Studies and teaching
    German


     

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