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01/17/2018 12:37

Wirtschaftswissenschaft hilft die weibliche Genitalverstümmelung bei Spinnen zu berechnen

Jan Meßerschmidt Presse- und Informationsstelle
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Dass die Männchen einiger Spinnenarten die Genitalien ihrer Weibchen nach dem Geschlechtsakt verstümmeln, ist in der zoologischen Forschung erst seit kurzem bekannt. Forscher der Universität Greifswald und der Universität Jyväskylä in Finnland haben jetzt ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem sie die Voraussetzungen für die Evolution der gezielten Verstümmelung klären konnten. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der jüngst erschienenen Publikation Royal Society Open Science veröffentlicht.

    Im Funktionskreis der Reproduktion haben weibliche und männliche Individuen häufig verschiedene Interessen, da beide Geschlechter ihren Reproduktionserfolg durch Paarungen mit mehreren Partnern steigern können. Entsprechend haben Männchen in der Evolution vielfältige „Tricks“ entwickelt, durch die sie Weibchen daran hindern, sich nach einer Kopulation erneut mit einem Rivalen zu verpaaren: Bewachung der Weibchen nach der Paarung, chemische Anti-Aphrodisiaka oder im Extremfall Verletzungen der weiblichen Genitalien. Die Genitalverstümmelung kommt bei vielen Arten von Webspinnen vor, ist jedoch evolutionsbiologisch nicht einfach zu erklären. Schließlich bringt diese auch für das Männchen reproduktive Einbußen mit sich, wenn das Weibchen durch die Verletzung weniger Nachwuchs produziert.

    Pierick Mouginot aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Gabriele Uhl an der Universität Greifswald untersuchte gemeinsam mit Lutz Fromhage von der Universität Jyväskylä in Finnland, wie solche für das Weibchen nachteiligen Vorgehensweisen in der Evolution entstehen können. Sie entwickelten ein mathematisches, spieltheoretisches Modell und testeten die Voraussetzungen, unter denen es evolutionär zur gezielten Verstümmelung weiblicher Genitalien kommt. Das Modell betrachtet insbesondere die Verstümmelung von Kopplungsstrukturen an den weiblichen Genitalien, durch welche die Weibchen daran gehindert werden sich erneut zu verpaaren.

    In einer früheren Studie über die Radnetzspinne Larinia jeskovi hatte Pierick Mouginot bereits gezeigt, wie die Verstümmelung stattfindet. Während der Paarung zwicken die Männchen mit ihren Kopulationsorganen eine äußere Struktur (Scapus) der weiblichen Genitalregion ab. Dieser Scapus wird primär zur Verhakung der männlichen Kopulationsorgane verwendet. Ohne ihn ist eine Kopplung der Genitalien nicht mehr möglich. Als Kopulationsorgane dienen bei Spinnen umgewandelte Beine, in denen Sperma zwischengelagert und vor dort aus ins Weibchen übertragen wird.

    Die mathematische Modellierung, die aus den Wirtschaftswissenschaften entlehnt ist, belegt, dass das Beschädigen der Genitalien der Weibchen evolutionär entstehen kann und erhalten bleibt. Die Voraussetzungen für die Evolution dieses Verhaltens sind, dass sich ursprünglich die Weibchen dieser Arten mit mehreren Männchen verpaaren und dass das letzte Männchen die meisten Nachkommen bekommt. Besonders überraschend ist der Befund, dass die Schädigung der weiblichen Paarungsorgane selbst dann evoluiert und erhalten bleibt, wenn die verletzten Weibchen als Konsequenz weniger Nachkommen produzieren können. Die Studie belegt zudem, dass mathematische Modellierungen helfen können die evolutionäre Entstehung und Beibehaltung von schädlichem und unangemessen erscheinendem Verhalten zu erklären.

    Weitere Informationen
    Originalpublikation: Pierick Mouginot, Gabriele Uhl, Lutz Fromhage, Evolution of external female genital mutila-tion: why do males harm their mates? – In: Royal Society Open Science, 2017, 4:171195.
    Link zum Artikel: http://rsos.royalsocietypublishing.org/content/4/11/171195
    Video der mathematischen Modellierung: https://twitter.com/PierickMouginot/status/930090670689103878

    Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi, bei der Genitalverstümmelungen vorkommen – Foto: Jonas Zink
    Video: Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi (Video: Pierick Mouginot) https://youtu.be/hMZkVq6fuIE

    Ansprechpartner an der Universität Greifswald

    Zoologisches Institut und Museum https://zoologie.uni-greifswald.de/
    Allgemeine und Systematische Zoologie https://zoologie.uni-greifswald.de/struktur/abteilungen/allgemeine-und-systemati...

    Pierick Mouginot
    Loitzer Straße 26
    17489 Greifswald
    Telefon 03834 420 4281
    pierick.mouginot@gmail.com
    Twitter: @PierickMouginot https://twitter.com/PierickMouginot

    Prof. Dr. Gabriele Uhl
    Telefon 03834 420 4242
    gabriele.uhl@uni-greifswald.de
    Twitter: @Uhl_Lab https://twitter.com/Uhl_Lab


    Images

    Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi, bei der Genitalverstümmelungen vorkommen.
    Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi, bei der Genitalverstümmelungen vorkommen.
    Foto: Jonas Zink
    None


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Students, all interested persons
    Biology
    transregional, national
    Scientific Publications, Transfer of Science or Research
    German


     

    Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi, bei der Genitalverstümmelungen vorkommen.


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