In den Jahren 1994 bis 2013 fanden im Zuge des Neubaus der ICE-Strecke zwischen Erfurt und Leipzig/Halle umfangreiche archäologische Ausgrabungen statt. Über 140 Hektar wurden untersucht, ungefähr 15.000 Befunde dokumentiert und mehr als 400.000 Fundstücke geborgen. Bereits 2013 wurden die ersten Ergebnisse veröffentlicht. Mit einem reichhaltigen zweiten Doppelband erscheinen nun die Resultate zu weiteren 30 Kilometern Ausgrabungen an der Bahntrasse zwischen Jüdendorf und Gröbers in Sachsen-Anhalt.
Die archäologischen Untersuchungen zwischen Jüdendorf und Gröbers
Seit dem Winterfahrplan 2015/16 verkehren auf der ICE-Neubaustrecke zwischen Erfurt und Leipzig/Halle regelmäßig Züge. Der heutigen Nutzung gingen rund 25 Jahre archäologische Arbeiten voraus. Mit den ersten Prospektionen Anfang der 1990er-Jahre war die archäologische Begleitung der Trasse bereits in die Streckenplanung involviert, es bestand eine enge und äußerst fruchtbare Kooperation zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie. Das Verständnis der Bauherrin für den Erhalt der obertägigen Denkmale zeigte sich bereits in den Planungen. So nimmt im Ergebnis des Planverfahrens die Streckenführung Rücksicht auf den »Feldherrenhügel« bei Bad Lauchstädt. Die eigentlichen Ausgrabungen erfolgten in den Jahren 1994 bis 2013 und verteilten sich auf mehrere Teilabschnitte entlang der 64 Kilometer langen Strecke im Süden Sachsen-Anhalts. Acht Grabungsteams mit etappenweise über 150 Mitarbeitern untersuchten dabei die einzelnen Abschnitte flächendeckend. Es wurden 27 Fundstellen mit einer Fläche von insgesamt 140 Hektar ausgegraben, ungefähr 15.000 Befunde wurden dokumentiert und weit über 400.000 Fundstücke geborgen. Sie bilden die Grundlage intensiver Auswertungen. Einzelne Teilabschnitte wurden bereits in einem ersten Band 2012 veröffentlicht. Mit einem umfangreichen zweiten Doppelband erscheinen nun die Untersuchungsergebnisse zu weiteren 30 Kilometern Ausgrabungen an der Bahntrasse zwischen Jüdendorf und Gröbers.
Durch standardisierte Bergungsabläufe, Probenstrategien und ergänzende anthropologische wie radiometrische Untersuchungen wurde ein in seinem Umfang wohl bislang einzigartiger Datenfundus generiert, dessen Auswertung die sachsen-anhaltische Landesarchäologie noch die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird. Auf der Querfurter Platte, der Lössebene zwischen Unstrut und Saale, die im hier vorgestellten Doppelband schwerpunktmäßig behandelt wird, war bereits im Vorfeld mit einer Vielzahl an Funden zu rechnen. Das reale Fundaufkommen, die ausgezeichnete Erhaltung, aber auch die Befunde selbst übertrafen die Erwartungen der Archäologen bei Weitem.
So konnte beispielsweise bei Oechlitz (Ortsteil von Mücheln im Saalekreis) ein mittelbronzezeitlicher Altweg nachgewiesen werden, der um 1500 v. Chr. in Benutzung war. Er verlief sicher nicht zufällig in Richtung der heutigen ICE-Trasse, sondern orientierte sich wie diese am Landschaftsverlauf. Mit über 300 Metern ist diese Passage der längste archäologisch verfolgbare Altweg. Es handelt sich um einen einstigen Überlandweg für den Personen- und Handelsverkehr. Die parallelen Rinnen zeigen, dass die Spurweite der Fuhrwerke 1,10 bis 1,20 Meter betrug. In diesen »Fahrgeleisen« lagen Bronzeobjekte (Gewandnadel, Pfriem und Blechhülse), die den Altweg präzise datieren. Teile des Altweges mit Räderspuren prähistorischer Wagen wurden im Block geborgen und werden in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle (Saale) präsentiert.
Neben zahlreichen Siedlungsresten der verschiedensten Zeitepochen wurden hunderte bedeutender Grab-, aber auch Opferfunde entdeckt. Hier sei nur auf die Handwerkergräber der Schnurkeramikkultur (2800 bis 2050 v. Chr.) sowie die Gräber der Glockenbecherkultur (2500 bis 2050 v. Chr.) verwiesen, die ebenfalls entlang den deutlich jüngeren Strukturen, der ICE-Trasse und des mittelbronzezeitlichen Weges, zu Tage kamen. Dies lässt sich am besten durch die Lage an einem weit älteren, endneolithischen Altweg erklären, ähnlich wie wir dies von römischen Gräberstraßen im Westen und Süden Deutschlands kennen.
Bei dem spätbronzezeitlichen (10. bis 9. Jahrhundert v. Chr.) Opferfund von Oberwünsch (Ortsteil von Mücheln im Saalekreis) handelt es sich um einen Bronzehort aus verschiedenen Schmuckgegenständen, die sorgfältig gepackt in einer engen Grube niedergelegt wurden. Unmittelbar benachbart befand sich eine Deponierung menschlicher Körperteile: Kopf und Hand eines Mannes. Schnittspuren am untersten Halswirbel und Handgelenk zeigen, dass beide Körperteile um den Todeszeitpunkt herum gewaltsam abgetrennt wurden, wahrscheinlich mit einem Messer. Es gibt Zeichen einer möglichen Abwehrverlet-zung an der Hand. Beide Deponierungsgruben sind rasch verfüllt worden. Weil sie so nahe beieinanderliegen, ist ein Zusammenhang wahrscheinlich. Auch dieser Befund wurde im Block geborgen und ist mit den zugehörigen Funden in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte zu sehen.
Die Neubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle
Die Neubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle wurde bereits im Dezember 2015 in Betrieb genommen und hat eine Gesamtlänge von 123 Kilometern. Sie ist Teil der Bahnmagistrale (München)–Nürnberg–Erfurt–Leipzig/Halle–Berlin – dem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8, das im Dezember 2017 durchgängig in Betrieb genommen wurde. Die neugebaute Teilstrecke, die größtenteils durch Sachsen-Anhalt verläuft und für eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h ausgelegt ist, umfasst drei Tunnelbauwerke (insgesamt 15,4 Kilometer) und sechs Talbrücken (insgesamt 14,4 Kilometer).
Die Strecke verläuft von Erfurt Hauptbahnhof zunächst parallel zur Bestandsstrecke, zweigt bei Vieselbach in Richtung Nordosten ab und führt mit der Scherkonde-Talbrücke bei Krautheim und der Gänsebach-Talbrücke bei Buttstädt durch das Thüringer Becken.
Im Mittelabschnitt wird der Finne-Höhenzug mit Tunnelbauwerken von insgesamt 15,4 Kilometer Länge durchfahren. Der Finnetunnel ist der Längste der Strecke. Im weiteren Verlauf folgen die Saubach-Talbrücke und der Bibratunnel. Die Unstrut-Talbrücke überspannt bei Karsdorf den breiten Talraum, dem sich unmittelbar der Osterbergtunnel anschließt. Auf der Querfurter Platte folgt die Stöbnitz-Talbrücke. Danach überquert die Strecke südlich von Halle die Saale-Elster-Aue mit einer Talbrücke und führt in Richtung Osten/Leipzig. Im Verlauf der Talbrücke zweigt die Anbindung in Richtung Norden/Halle ab und schwenkt auf die bestehende Trasse der Strecke Weißenfels–Halle. Die Einfahrt Halle wird für zwei Neubaugleise komplett umgebaut.
In Richtung Leipzig führt die Strecke bis zur Saalkreisgemeinde Gröbers, wo sie mit der bestehenden Strecke Halle–Leipzig verknüpft wird. Der Güterverkehr verlässt hier die Neubaustrecke und wird auf der bestehenden Strecke in Richtung Leipzig geführt. Von hier aus bestehen Gütergleisanschlüsse unter anderem zum Luftfracht- und Güterverkehrszentrum sowie zum Containerbahnhof Leipzig-Wahren. Der Personenverkehr nutzt ab Gröbers die seit 2003 fertiggestellte 23 Kilometer lange Neubaustrecke zwischen Gröbers und Leipzig.
Sie überquert das Schkeuditzer Autobahnkreuz (Bundesautobahnen A9 Nürnberg–Berlin und A 14 Magdeburg–Dresden) und führt parallel zur A 14 über die Bahnhöfe Flughafen Leipzig/Halle und Messe Leipzig bis zur Einbindung nach Leipzig Hauptbahnhof auf die bestehende Strecke Berlin–Leipzig.
http://www.archaeologie-und-buecher.de/buchinfo.asp?Reihe=9&PN=1&Buchtit... Verlagsangaben zur Veröffentlichung
Neue Gleise auf alten Wegen II. Jüdendorf bis Gröbers. Teilband 1
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
None
Neue Gleise auf alten Wegen II. Jüdendorf bis Gröbers. Teilband 2
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
None
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
Cultural sciences, History / archaeology, Traffic / transport
transregional, national
Scientific Publications
German
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