Welche Rolle die verschiedenen Hormone im menschlichen Körper spielen, ist noch nicht vollständig erforscht. Klar ist aber: Geraten sie aus dem Gleichgewicht, hat das verschiedene Probleme und Erkrankungen zur Folge. Zoologen der Universität Duisburg-Essen (UDE) beobachten seit Jahren die afrikanischen Graumulle. Und ausgerechnet von der Physiologie der in Tunnelsystemen lebenden Nagetiere kann der Mensch eine Menge lernen.
Seit einigen Jahren ist bekannt, dass Graumulle blaues Licht besser wahrnehmen als andere Farben im Spektrum. Bloß – warum? Ist es nicht in der Dunkelheit vollkommen gleichgültig, ob man überhaupt Farben erkennen kann? Diesem Paradoxon sind Forscher der UDE, des Leibniz-Instituts für Alternsforschung (FLI) und der University of South Bohemia in Budweis in einer interdisziplinären Studie nachgegangen, die jetzt in Scientific Reports* veröffentlicht wurde. Darin nahm das Team um Dr. Yoshiyuki Henning das Schilddrüsenhormon Thyroxin in den Blick. Es spielt – wie in vielen anderen physiologischen Prozessen – auch eine Rolle in der Wahrnehmung des sichtbaren Lichtes.
„Graumulle haben nur eine sehr niedrige Konzentration von Thyroxin im Blut, die bei anderen Säugetieren zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen würde”, sagt Yoshiyuki Henning. „Das liegt daran, dass sie ihren Grundumsatz niedrig halten müssen, um in den Tunneln Energie zu sparen und nicht zu überhitzen.”
Die Wissenschaftler erhöhten die Konzentration des Thyroxins – und beobachteten Erstaunliches: Der Grundumsatz der Tiere veränderte sich nicht, wohl aber die Empfindlichkeit für das Sehen von grünem Licht. „Die Antwort auf die Frage, warum Graumulle ausgerechnet blaues Licht wahrnehmen können, liegt also in ihrer besonderen Schilddrüsenhormonphysiologie und ist ein reiner Nebeneffekt der Stoffwechselregulation”, sagt Henning.
Die aktuellen Erkenntnisse helfen nicht nur besser zu verstehen, wie sich unterirdisch lebende Säugetiere an ein scheinbar unwirtliches Habitat anpassen. Sie sind ebenso für biomedizinische Fragen relevant: Denn die ungewöhnliche Schilddrüsenhormonphysiologie dieser Tiere bietet neue Möglichkeiten, den Einfluss dieser Hormone auf verschiedene Organsysteme zu begreifen. „Solche vergleichenden Ansätze sind notwendig, um die Vielseitigkeit hormoneller Regulationsmechanismen zu entschlüsseln“, betont Yoshiyuki Henning. Ein Wissen, das nicht zuletzt dazu beitragen könne, auch menschliche Erkrankungen besser zu verstehen.
*Yoshiyuki Henning, Nella Mladěnková, Hynek Burda, Karol Szafranski & Sabine Begall: „Retinal S-opsin dominance in Ansell’s mole-rats (Fukomys anselli) is a consequence of naturally low serum thyroxine”, in: Scientific Reports online, 12. März 2018. DOI: 10.1038/s41598-018-22705-y
Weitere Informationen: Dr. Yoshiyuki Henning, Zoologie, Tel. 0201/183-3120, yoshiyuki.henning@uni-due.de
Redaktion: Isabelle De Bortoli, Tel. 0203/379-2429
https://www.nature.com/articles/s41598-018-22705-y
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results
German
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