Viele Brustkrebstherapien schädigen das Herz. Doch in der bislang größten Studie ihrer Art zeigen Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg nun: Die Gefahr für Brustkrebspatientinnen, nach einer Strahlen- oder Chemotherapie an einer Herzerkrankung zu versterben, ist nicht größer als bei der durchschnittlichen Bevölkerung. Ein gutes Risikomanagement in den Kliniken sowie engmaschige Kontrollen scheinen die erhöhten Risiken aufzufangen.
Brustkrebs ist die zweithäufigste Krebserkrankung weltweit und die häufigste bei Frauen. Allein in Deutschland trifft die Diagnose jedes Jahr rund 70.000 Frauen. Eine verbesserte Früherkennung und wirksamere Therapieverfahren haben jedoch das Risiko, an Brustkrebs zu versterben, erheblich gesenkt. „Allerdings deuten einige klinische Studien darauf hin, dass sowohl Chemotherapie als auch Strahlentherapie mit dem Risiko einhergehen, in Folge der Behandlung eine Herzerkrankung zu erleiden“, sagt Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Über die tatsächlichen Risiken dieser nebenwirkungsbedingten Herzerkrankungen war jedoch noch wenig bekannt. Doch für einige Patientinnen könnte die Gefahr, nach überstandener Behandlung langfristig aufgrund der Nebenwirkung zu versterben, sogar größer sein als durch die Krebserkrankung selbst.
Doch bedeutet das nicht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben? Eine aktuelle Studie aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum vermag diese Sorge nun zu zerstreuen.
Brenners Team hat die Daten von annähernd 350.000 Patientinnen aus US-amerikanischen Krebsregistern ausgewertet. Die Frauen waren in den Jahren 2000 bis 2011 an Brustkrebs erkrankt und daraufhin mit einer Strahlen- oder Chemotherapie behandelt worden. Die Wissenschaftler verglichen die Daten der Patientinnen mit Daten zur weiblichen Durchschnittsbevölkerung in den Vereinigten Staaten und kamen zu dem eindeutigen Ergebnis: Die Gefahr, langfristig an einer Herzerkrankung zu versterben, ist nach einer Brustkrebsbehandlung nicht größer als bei der durchschnittlichen weiblichen Bevölkerung. Das gilt für Chemotherapien ebenso wie für Bestrahlungen. Auch spezielle Behandlungsmethoden für die Untergruppe der so genannten HER2-positiven Patientinnen sind nicht mit einem höheren Risiko für den Tod durch eine Herzerkrankung verbunden.
„Wir waren von diesem Ergebnis zunächst selbst überrascht“, sagt Janick Weberpals, Erstautor der Studie. „Doch wir gehen davon aus, dass unsere Untersuchung ein realistischeres Bild von der tatsächlichen Situation der Behandlung zeichnet, als es bei klinischen Studien der Fall ist.“ Für klinische Studien werden Probandengruppen nach speziellen Kriterien zusammengestellt. Die Auswertung der Krebsregister berücksichtigt jedoch alle darin erfassten Brustkrebspatientinnen.
Zum Teil lässt sich der Effekt wahrscheinlich auf ein gutes Risikomanagement in den Kliniken, etwa durch spezielle kardioonkologische Einheiten, zurückführen. Dabei wird das individuelle Risiko einer Patientin, aufgrund der Brustkrebsbehandlung eine Herzerkrankung zu erleiden, bereits bei der Auswahl der geeigneten Therapie berücksichtigt. Engmaschige Kontrollen im Verlauf der Behandlung ermöglichen zudem, Nebenwirkungen auf das Herz frühzeitig zu erkennen, die onkologische Therapie entsprechend anzupassen sowie eine mögliche Herzerkrankung rasch zu behandeln.
„Das Ergebnis unserer Studie werten wir als sehr positiv für die Behandlung von Brustkrebs“, fasst Brenner zusammen. Es zeige, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis für die meisten Patientinnen stimmt. „Insbesondere ist es aber eine sehr gute Nachricht für die große Zahl der betroffenen Patientinnen, dass sie sich bei einer guten medizinischen Betreuung und nach überstandener Brustkrebserkrankung nicht mehr Sorgen bezüglich tödlicher Herzerkrankungen machen müssen, als Frauen gleichen Alters ohne Brustkrebs.“
Janick Weberpals, Lina Jansen, Oliver J. Müller, Hermann Brenner: Long term heart-specific mortality among 347,476 breast cancer patients treated with radiotherapy or chemotherapy: A registry-based cohort study. European Heart Journal, 2018, DOI:10.1093/eurheartj/ehy167
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