Psychologen der Uni Jena können von bestimmter Hirnaktivität auf Risikoverhalten schließen
Ängstliche Personen gehen weniger Risiken ein – an sich ist das keine überraschende Erkenntnis. Einem Psychologenteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist es jetzt gemeinsam mit Partnern aus Würzburg und dem kanadischen Victoria allerdings gelungen, diesen Entscheidungsprozess im Gehirn sichtbar zu machen – und somit auch das Verhalten einzelner Personen vorhersagen zu können. Dafür führten sie ein Experiment durch, um das Risikoverhalten der Probanden zu messen, und beobachteten währenddessen mittels Elektroenzephalografie (EEG) deren Hirnaktivitäten. Über ihre Arbeit berichten sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Psychophysiology“.
„Im Vorfeld haben wir mit Hilfe eines Fragebogens 20 sehr ängstliche und 20 wenig ängstliche Personen ausgewählt“, erklärt Dr. Barbara Schmidt von der Universität Jena, die das Projekt geleitet hat. „Während des eigentlichen Experiments sollten die Probanden dann in mehreren Runden aus jeweils zwei verdeckten Karten eine umdrehen, wodurch sie maximal elf Cent pro Durchgang gewinnen konnten. Wichtig ist dabei, dass sie sich zwischen zwei Varianten entscheiden müssen: entweder eine risikoreiche mit Gewinnen von entweder elf oder null Cent und eine risikoarme, bei der die Testpersonen entweder fünf oder sechs Cent gewinnen konnten. Der Erwartungswert war mit 5,5 Cent immer gleich.“ Dabei wählten die ängstlicheren Probanden häufiger die sichere Paarung.
Das wichtigste Ergebnis der Studie lieferte aber ein Blick auf das EEG, das während des Versuchs aufgezeichnet wurde. Denn während die Probanden ihre Entscheidung trafen, zeigte sich eine bestimmte Gehirnaktivität – die sogenannte Frontal Midline Theta Power – besonders erhöht. „Frühere Forschungen hatten zwar schon herausgestellt, dass dieses Signal bei ängstlichen Menschen besonders ausgeprägt ist, aber bisher wussten wir nicht, wie sich das auf das Verhalten auswirkt“, erklärt die Jenaer Psychologin das sensationelle Ergebnis. „Mit unserer Untersuchung ist es uns nun gelungen darzustellen, dass die Frontal Midline Theta Power eine erhöhte kognitive Kontrolle – also ein intensiveres Abwägen – während des Entscheidungsprozesses anzeigt.“ Das sei eine zentrale Erkenntnis für die Verhaltensforschung.
Vorhersage des Verhaltens möglich
Psychologen untersuchen nicht selten Korrelate im Gehirn, die ein bestimmtes psychologisches Konzept anzeigen, aber nicht immer lassen sich daraus auch Rückschlüsse auf das Verhalten eines Menschen ziehen. „Bei unserem Ergebnis passt einfach alles sehr gut zusammen“, sagt Barbara Schmidt. „Wir haben die psychologische Ausgangssituation, die dazu passende Hirnaktivität, die den Entscheidungsprozess abbildet, und das daraus resultierende Verhalten. Die Verbindung zwischen Ängstlichkeit und dem damit verbundenen Verhalten ist also komplett erklärt.“
Mit diesem Wissen können die Forscher nun sogar anhand des entsprechenden EEGs vorhersagen, wie sich eine Person in bestimmten Situationen entscheiden wird. Erhöhte Frontal Midline Theta Power deutet auf eine risikoärmere Entscheidung hin.
Barbara Schmidt möchte diese gewonnenen Erkenntnisse nun für ihre weitere Forschung nutzen. Ihr Spezialgebiet ist dabei die Hypnose. Sie interessiert besonders, wie Hypnose im Gehirn wirkt. Auch hier untersucht sie u. a. die Hirnströme mittels EEG. „In weiteren Studien möchte ich beispielsweise herausfinden, ob Menschen mehr Risiko eingehen, wenn man ihnen unter Hypnose vermittelt, dass sie sich sicher fühlen“, informiert sie. „Die neuen Erkenntnisse über die Frontal Midline Theta Power werden dabei sehr hilfreich sein.“
Original-Publikation:
Barbara Schmidt, Hannah Kanis, Clay B. Holroyd, Wolfgang H. R. Miltner, Johannes Hewig (2018): Anxious Gambling: anxiety is associated with higher frontal midline theta predicting less risky decisions, Psychophysiology, doi: 10.1111/psyp.13210
Kontakt:
Dr. Barbara Schmidt
Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Am Steiger 3, Haus 1
07743 Jena
Tel.: 03641 / 945149
E-Mail: schmidt.barbara[at]uni-jena.de
Dr. Barbara Schmidt (l.) von der Universität Jena erläutert einer Probandin das Experiment.
(Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)
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Die Jenaer Psychologin Dr. Barbara Schmidt bereitet eine Probandin für das Experiment vor.
(Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)
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Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Psychology
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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