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08/01/2018 10:31

Was wissen die Deutschen über die Fische in Ihren Flüssen?

Katharina Bunk Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

    Bachforelle, Äsche, Barbe, Brachse und Kaulbarsch – muss man nicht kennen, kann man aber. Denn diese Fischarten sind die sogenannten Leitfische in den verschiedenen Abschnitten eines Flusses. Ihr Vorkommen steht stellvertretend für den Zustand eines Flusses. WissenschaftlerInnen vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben erstmals eine multinationale Bevölkerungsbefragung zum Thema Fische und Artenvielfalt in Flüssen durchgeführt. Mit dem Ergebnis: Die Befragten in Deutschland kennen nur wenige Fischarten, eine gute ökologische Qualität der Flüsse ist ihnen dennoch sehr wichtig.

    Für die Umfrage wurden je 1000 Personen in Deutschland und drei weiteren europäischen Ländern zu ihrer Wahrnehmung der Artenvielfalt in Flüssen befragt. „Unsere Annahme, dass das Wissen über Süßwasserfische in der deutschen Bevölkerung eher begrenzt ist, hat sich in unserer Studie bestätigt. Regenbogenforelle und Bachsaibling, die im 19. Jahrhundert aus Nordamerika eingeführt wurden, werden überwiegend für heimisch gehalten, der einst heimische Atlantische Lachs hingegen von den Deutschen vornehmlich in Skandinavien und nicht mehr hierzulande verortet. Das hat uns überrascht, weil der Lachs in Artenschutzkreisen gerne als Flaggschiffart für den Fließgewässerschutz genutzt wird und sowohl im Rhein als auch in der Elbe über Besatz wiederangesiedelt wird“, berichtet die Erstautorin der Studie Dr. Sophia Kochalski, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe Integratives Angelfischereimanagement am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).

    Aus den Augen aus dem Sinn?

    Das Gros der Befragten in Deutschland hat schon einmal vom Stör gehört, aber nur die Hälfte wusste, dass es sich um eine einheimische Art handelt. Durch Überfischung und Wanderhindernisse wie Dämme und Wehre gilt unser größter heimischer Süßwasserfisch seit 40 Jahren als ausgestorben und ist so – wie auch der Lachs – langsam aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden.

    Die Verschmutzung der Flüsse wurde von den Befragten einhellig als die größte Bedrohung für deren Artenvielfalt wahrgenommen. Bedrohungen, die weniger sichtbar als die Wasserverschmutzung sind, werden von der Gesellschaft auch als weniger bedrohlich eingestuft. Dazu zählen zum Beispiel der Verlust von Lebensräumen, der Klimawandel und die Ausbreitung nichtheimischer Tiere und Pflanzen. Es sind aber gerade diese Faktoren, die die biologische Vielfalt in Flüssen besonders bedrohen.

    Laut aktueller Roter Liste ist ein Drittel der Fischarten in europäischen Flüssen und Seen bedroht oder bereits ausgestorben. Zwar ist die chemische Wasserqualität dank optimierter Klärwerktechnologien immer besser geworden, die ökologische Qualität der Flüsse aber ist weiterhin stark eingeschränkt. Der Grund: Viele Flüsse wurden für den Hochwasserschutz, die Schifffahrt und die Energiegewinnung begradigt oder aufgestaut. In diesen stark verbauten Fließgewässern finden viele Fische keine geeigneten Laich- und Aufwuchsplätze. Wandernde Fischarten wie Lachse, Störe oder Aale werden von Dämmen und Stauwehren aufgehalten und so an der Fortpflanzung gehindert.

    Fischkenntnis ist keine Bedingung für Flussverbundenheit

    Aus anderen Studien ist bekannt, dass Umweltschutz und ein respektvoller Umgang mit der Natur einen hohen Stellenwert in Deutschland haben. Die Umfrage der IGB-WissenschaftlerInnen zeigt besonders in Bezug auf heimische Fische das gleiche Bild: Den Befragten ist es nicht wichtig, ob sie oder jemand anderes einen Fisch unmittelbar nutzen könnten. Stattdessen sind sie dafür, dass gefährdete Fischarten um ihrer selbst willen geschützt werden. Es dürfte ermutigend für die aktuell laufenden Wiederansiedlungsprojekte von Lachsen und Stören in Deutschland sein, dass die Befragten solchen Besatzmaßnahmen gegenüber generell sehr positiv eingestellt sind.

    „Spezifisches ökologisches Wissen ist offenbar gar nicht so entscheidend dafür, ob die Deutschen den Schutz der Flüsse wertschätzen oder nicht. Die Befragten sind zu ihren Überzeugungen und Einstellungen über tieferliegende naturverbundene Werte gelangt. Allerdings ist der Weg von der eigenen Einstellung zum tatsächlichen Handeln weit. Für den praktischen Gewässer- und speziell den Fischartenschutz in Deutschland schlagen wir daher vor, verstärkt mit ausgewählten Akteuren, die sich bereits für Gewässer und das Leben darin begeistern, zusammenzuarbeiten. Dazu gehören zum Beispiel Angler und Wildtierbeobachter, aber auch Künstler und Historiker, die mit ihren Bildern und Texten einen Blick unter die Wasseroberfläche gewähren und so für die Sache Fisch sensibilisieren können“, leitet Sophia Kochalski einige Handlungsempfehlungen aus den Studienergebnissen ab.

    Wer Menschen für die Bedrohung von Fischen sensibilisieren möchte, muss die kulturelle Einbettung der Fische berücksichtigen. In Ländern wie Norwegen, wo Flussfische wie Lachse wirtschaftlich und kulturell von großer Bedeutung und die Bedrohung der Wildfischbestände medial gut aufgearbeitet wird, ist es sinnvoll, Gewässerschutzprojekte rund um die Fische als Flaggschiffarten zu entwickeln. „Die gesellschaftliche Sensibilisierung für Gewässer- und Fischartenschutzprojekte in Ländern wie Deutschland, in denen sich die Bevölkerung eher abstrakt für eine intakte Natur interessiert und wenig ‚Fischwissen‘ aufweist, gelingt hingegen besser, wenn der Nutzen eines ökologisch gesunden Ökosystems für den Einzelnen und die Gesellschaft hervorgehoben wird. Das dafür nötige saubere Wasser und freifließende Flüsse sind am Ende auch Flusseigenschaften, die bedrohten Wanderfischen wie Lachs und Stör zugutekommen“, fasst Studienleiter Prof. Dr. Robert Arlinghaus, Fischereiwissenschaftler am IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin, eine wesentliche Schlussfolgerung der Studie zusammen.

    Anmerkungen zur Studie:

    Die repräsentative Online-Umfrage wurde von MitarbeiterInnen des IGB erstellt und vom LINK Institut für Markt- und Sozialforschung (heute: Forsa) durchgeführt. Die Antworten entstammen repräsentativen Stichproben aus Deutschland, Frankreich, Norwegen und Schweden. In jedem Land wurden 1000 Menschen zwischen 16 und 74 Jahren befragt. Dabei sind Alter, Geschlecht und Bildungsniveau in der Zufallsstichprobe entsprechend der jeweiligen Gesamtbevölkerung verteilt. Details zum Auswahlverfahren: https://forsa.de/site/fragen.htm

    Ansprechpartner:

    Katharina Bunk, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, +49 (0)30 641 81 631, +49 (0)170 45 49 034, bunk@igb-berlin.de

    Über das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB):

    Das IGB ist das bundesweit größte Forschungszentrum für Binnengewässer. Es verbindet Grundlagen- und Vorsorgeforschung, bildet den wissenschaftlichen Nachwuchs aus und berät Politik und Gesellschaft in Fragen des nachhaltigen Gewässermanagements. Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten angesichts sich rasch ändernder Umweltbedingungen, die Renaturierung von Ökosystemen, die Biodiversität aquatischer Lebensräume sowie Technologien für eine ressourcenschonende Aquakultur. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin-Brandenburg und weltweit. Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft. http://www.igb-berlin.de/


    Contact for scientific information:

    Dr. Sophia Kochalski, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Abteilung 4 Biologie und Ökologie der Fische, +49 (0)30 64181 690 654, kochalski@igb-berlin.de (Interviews in Deutsch und Englisch möglich)


    Original publication:

    Lesen Sie die Studie in der Fachzeitschrift Conservation Biology > https://doi.org/10.1111/cobi.13180

    Kochalski, S. , Riepe, C. , Fujitani, M. , Aas, Ø. and Arlinghaus, R. (2018) Public perception of river fish biodiversity in four European countries. Conservation Biology. Accepted Author Manuscript. doi:10.1111/cobi.13180


    More information:

    http://www.igb-berlin.de/news/was-wissen-die-deutschen-ueber-die-fische-ihren-fl...


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    Die Fischwelt bleibt für die meisten Menschen unter der Wasseroberfläche verborgen.
    Die Fischwelt bleibt für die meisten Menschen unter der Wasseroberfläche verborgen.
    Foto: Solvin Zankl
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    Wie bewerten die Befragten in Deutschland die Ursachen für den Verlust der Artenvielfalt heimischer Flussfische?
    Wie bewerten die Befragten in Deutschland die Ursachen für den Verlust der Artenvielfalt heimischer ...
    Grafik: IGB
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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Biology, Environment / ecology, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Die Fischwelt bleibt für die meisten Menschen unter der Wasseroberfläche verborgen.


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    Wie bewerten die Befragten in Deutschland die Ursachen für den Verlust der Artenvielfalt heimischer Flussfische?


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