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08/09/2018 15:48

Künstliche Gletscher als Antwort auf den Klimawandel?

Marietta Fuhrmann-Koch Kommunikation und Marketing
Universität Heidelberg

    Gletscherrückgang sowie abnehmende Schneevorkommen bedrohen die von Schmelzwasser abhängige Landwirtschaft in weiten Teilen des südasiatischen Hochgebirges. Wie mit der Errichtung von Eisreservoirs, sogenannten künstlichen Gletschern, saisonale Wasserengpässe überwunden werden können, haben Forscher um Prof. Dr. Marcus Nüsser vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg in einer Langzeitstudie untersucht. Darin bewerten sie die verschiedenen Typen von Reservoirs sowie deren sozioökonomische Auswirkungen und gehen der Frage nach, ob künstliche Gletscher eine geeignete Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel sind. Beteiligt waren auch Mitglieder des Heidelberg Center for the Environment.

    Pressemitteilung
    Heidelberg, 9. August 2018

    Künstliche Gletscher als Antwort auf den Klimawandel?
    Heidelberger Wissenschaftler untersuchen Auswirkungen von Eisreservoirs auf schmelzwasserabhängige Berglandwirtschaft im südasiatischen Hochgebirge

    Gletscherrückgang sowie abnehmende Schneevorkommen bedrohen die von Schmelzwasser abhängige Landwirtschaft in weiten Teilen des südasiatischen Hochgebirges. Wie mit der Errichtung von Eisreservoirs, sogenannten künstlichen Gletschern, saisonale Wasserengpässe überwunden werden können, haben Forscher um Prof. Dr. Marcus Nüsser vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg in einer Langzeitstudie untersucht. Darin bewerten sie die verschiedenen Typen von Reservoirs sowie deren sozioökonomische Auswirkungen und gehen der Frage nach, ob künstliche Gletscher eine geeignete Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel sind. Beteiligt waren auch Mitglieder des Heidelberg Center for the Environment.

    In der nordindischen Hochgebirgswüste Ladakh wurden in den vergangenen dreißig Jahren mithilfe von Fördermitteln verschiedene Typen von Eisreservoirs errichtet. Diese künstlichen Gletscher werden zwischen November und März aus Schmelzwasserabflüssen gespeist, die in Form von Eis an topographisch und mikroklimatisch geeigneten Stellen gespeichert werden. Sie sind als kaskadenartige Mauern oder Kegel angelegt und sichern in den trockenen Frühjahrsmonaten die Wasserzufuhr für den Feldbau, der in dieser Region vollständig von Schnee- und Gletscherschmelzwasser abhängig ist.

    In ihrer nun erschienenen Studie legt das Team um Marcus Nüsser eine Bestandsaufnahme und Typologie der künstlichen Gletscher in Ladakh vor. Ihre Auswertung von Satellitenbildern und Messungen vor Ort zeigen, dass das Speichervolumen der Eisreservoirs von 1.010 bis 3.220 Kubikmetern Wasser reicht. „Damit können im Optimalfall die Feldfluren im Abstand von mehreren Tagen bis zu dreimal vollständig bewässert werden“, so Prof. Nüsser. „Das Speichervolumen ist jedoch nicht verlässlich, da es von den klimatischen Bedingungen in der Region abhängt, die von Jahr zu Jahr variieren.“

    Die ermittelten Werte konnten die Forscher auf die Gesamtheit der Eisspeicher in der Region Ladakh hochrechnen und so zeigen, dass die verschiedenen Typen der Eisreservoire unterschiedlich effizient sind. Als besonders wirkungsvoll erwiesen sich Reservoirs in Form von mehreren kaskadenartig angeordneten Becken. „Darüber hinaus ist für die Bewertung neben den klimatischen Bedingungen auch das Verhältnis von Fördermitteln zu Wirksamkeit entscheidend“, erklärt Prof. Nüsser. Auswertungen von Interviews mit lokalen Kleinbauern zeigen zudem, dass der Einsatz der künstlichen Gletscher als vorteilhaft wahrgenommen wird, da sich Ernteausfallrisiken verringern und die Möglichkeiten zum Anbau von Nutzpflanzen steigen. Nach den Worten der Wissenschaftler sind die künstlichen Gletscher damit „als bemerkenswerte Anpassungsmaßnahme an die spezifischen Umweltbedingungen in dieser nordindischen Hochgebirgswüste zu verstehen“.

    Die Eisreservoirs wurden in den vergangenen Jahren über die lokale Anwendung hinaus auch als generelle Antwort auf die negativen Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere des Gletscherrückgangs, diskutiert. Nach den Untersuchungen der Heidelberger Forscher ist der Nutzen dieser Strategie jedoch fraglich. Klimatische Variabilität und Naturgefahren – vor allem Flutkatastrophen, Rutschungen und Lawinen – sowie eine unzureichende Berücksichtigung lokaler sozioökonomischer Bedingungen schränken die Wirksamkeit der künstlichen Gletscher ein. „Der Begriff ,künstliche Gletscher‘ erscheint zudem irreführend, da diese Eisreservoire keinesfalls die natürlichen Gletscher ersetzen können“, so Prof. Nüsser.

    Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Regional Environmental Change“ veröffentlicht.

    Kontakt:
    Universität Heidelberg
    Kommunikation und Marketing
    Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
    presse@rektorat.uni-heidelberg.de


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Marcus Nüsser
    Südasien-Institut (SAI)
    Telefon (06221) 54-8922
    marcus.nuesser@uni-heidelberg.de


    Original publication:

    M. Nüsser, J. Dame, B. Kraus, R. Baghel, S. Schmidt: Socio-hydrology of “artificial glaciers” in Ladakh, India: assessing adaptive strategies in a changing cryosphere. Regional Environmental Change (published online on 26 June 2018), https://doi.org/10.1007/s10113-018-1372-0


    More information:

    http://www.sai.uni-heidelberg.de/geo/personen/marcus.html
    https://www.uni-heidelberg.de/presse/news2018/pm201809_kuenstliche-gletscher-als...


    Images

    Künstlicher Gletscher auf 4.450 Meter über dem Meeresspiegel, errichtet oberhalb des Dorfes Igoo in der Hochgebirgswüste von Ladakh in Nordindien (2014).
    Künstlicher Gletscher auf 4.450 Meter über dem Meeresspiegel, errichtet oberhalb des Dorfes Igoo in ...
    Foto: Marcus Nüsser
    None


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Künstlicher Gletscher auf 4.450 Meter über dem Meeresspiegel, errichtet oberhalb des Dorfes Igoo in der Hochgebirgswüste von Ladakh in Nordindien (2014).


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