idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
10/17/2018 15:02

Arbeitszeit: Beginnt der Job im Zug?

Melanie Hahn Presse & Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule Fresenius

    Viele Arbeitnehmer pendeln täglich zur Arbeit oder gehen auf Dienstreisen. Unklar ist häufig, ob diese Wege bereits zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählen. In einem aktuellen Rechtsstreit hatte ein Arbeitnehmer geklagt: Er wurde von seinem Arbeitgeber auf eine Baustelle in den Nordosten Chinas geschickt, wofür er die volle Reisezeit als Überstunden ausbezahlt haben wollte. Das Bundesarbeitsgericht gab ihm heute im Grundsatz Recht: Der Arbeitgeber muss für die erforderliche Reisezeit zahlen. Was Arbeitnehmer im Einzelfall tatsächlich als Arbeitszeiten anrechnen können, erläutert Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius.

    "Grundsätzlich ist zwischen der „vergütungsrechtlichen“ und der „arbeitszeitrechtlichen“ Arbeitszeit des Arbeitsschutzrechts zu unterscheiden werden", erklärt Prof. Dr. Fuhlrott. Ersteres betreffe die Frage, für welche Zeiten der Arbeitnehmer entlohnt wird. Hier bestehe Gestaltungsspielräume für den Arbeitgeber. Letzteres beziehe sich auf die Frage, wie lange der Arbeitnehmer arbeiten darf und wann er zwingend Pausen machen oder Ruhezeiten einlegen muss. Insoweit – aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes – habe der Arbeitgeber hinsichtlich der Arbeitszeitregelung kaum Gestaltungsspielraum. „Für „Vollarbeit“ ist der Arbeitnehmer natürlich zu vergüten und diese zählt auch als arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit“, so Fuhlrott. „Bei anderen Tätigkeiten, die nur mittelbar mit der eigentlichen Arbeitsleistung zusammenhängen, wie etwa Reisezeiten, Umkleidezeiten oder Rufbereitschaft können allerdings abweichende Regelungen getroffen werden“.

    Kriterium: Beanspruchung des Arbeitnehmers durch die Tätigkeit?
    Gerade bei Reisezeiten komme es darauf an, inwieweit der Arbeitnehmer durch die Tätigkeit beansprucht wird. „Führt der Arbeitnehmer selbst einen PKW, kann er nicht abschalten. Diese Zeit ist dann auch als Arbeitszeit zu vergüten. Nimmt der Arbeitnehmer hingegen für die Anreise die Bahn und kann während der Fahrt ein privates Buch lesen oder einen Kaffee im Bordbistro trinken, so ist die Beanspruchung des Arbeitnehmers gering. Diese Zeit zählt für Ruhepausen und Höchstarbeitszeitgrenzen nicht mit. Der Arbeitgeber kann hier mit dem Arbeitnehmer Regelungen treffen, wonach diese Zeit nicht zu vergüten ist. Üblich sind auch Pauschalierungsabsprachen, wonach Tage mit kompletter Reisetätigkeit etwa pauschal mit acht Arbeitsstunden berechnet werden“, erläutert der Arbeitsrechtler. Entscheidend sei hier aber auch der Einzelfall – basierend auf der Frage, was der Arbeitnehmer während der Reise macht: „Liest der Arbeitnehmer etwa eine Akte in der Bahn zur Vorbereitung auf einen späteren Termin, handelt es sich klar um Arbeitszeit“, so Fuhlrott.

    Aktueller Fall des BAG: Erforderliche Reisezeit ist zu vergüten
    Die Richter des Bundesarbeitsgerichts gaben dem klagenden Arbeitnehmer heute im Grundsatz Recht: Entsendet ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers, so das BAG (PM Nr. 51/2018 / BAG, Urt. v. 17.10.2018, Az.: 5 AZR 553/17). Erforderlich sei aber nur die Zeit, die für einen Flug in der Economy-Klasse anfalle. Da der Arbeitnehmer einen Business-Klasse Flug gebucht hatte, der einen Zwischenstopp aufwies und damit länger andauerte, muss das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt weiter aufklären und sodann erneut entscheiden.

    Der Weg zur Arbeitsstätte ist grundsätzlich Privatsache
    Wie der Arbeitnehmer hingegen täglich zu seinem Büro gelange, sei seine Privatsache. Diese Fahrtzeit werde nicht vergütet – der Arbeitnehmer dürfe entsprechend auch frei wählen, wo er wohnt, führt Fuhlrott weiter aus. „Für Arbeitnehmer, die auf wechselnden Arbeitsstätten, etwa Baustellen eingesetzt werden, gelten hingegen andere Vorgaben. Hier beginnt die Arbeitszeit oftmals mit dem Erreichen des Betriebsgeländes, von dem aus der Weg zur aktuellen Arbeitsstätte angetreten wird“, so der Jurist.

    Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Kanzlei FHM – Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Hamburg.


    More information:

    http://www.hs-fresenius.de


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Law
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).