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11/21/2018 11:13

Leistungsbilanz: Warum deutsches Kapital ins Ausland fließt

Mathias Rauck Kommunikation
Institut für Weltwirtschaft (IfW)

    Die deutschen Auslandsinvestitionen, insbesondere die Direktinvestitionen, sind besser als ihr Ruf. Die Kritik an deutschen Nettokapitalexporten im Zuge der Leistungsbilanzdebatte greift zu kurz: Weder sind die aus dem Auslandsvermögen zufließenden Erträge ursächlich für hohe Leistungsbilanzüberschüsse noch zeigt sich, dass die Anleger bei grenzüberschreitenden Investitionen die Rendite vernachlässigen. Dies ergibt sich aus einem aktuellen Gutachten des IfW Kiel für das Bundesministerium der Finanzen.

    Deutschland sieht sich immer wieder dem Vorwurf gegenüber, den hohen Leistungsbilanzüberschuss zu verstärken, weil Investitionen im Ausland statt im Inland getätigt werden, obwohl die ausländischen Investitionen nur unzureichend verzinst würden. Ein Gutachten für das Bundesfinanzministerium aus dem IfW-Prognosezentrum und dem IfW-Forschungsbereich Internationale Arbeitsteilung zeigt, dass die Kapitalströme aus und nach Deutschland seit der Wiedervereinigung Renditegesichtspunkten entsprachen. Etwa seit der Jahrtausendwende weisen deutsche Auslandsinvestitionen eine höhere Rendite auf als ausländische Investitionen in Deutschland (zuvor war es umgekehrt), und in zeitlicher Nähe dazu drehten sich die Kapitalströme von Nettozuflüssen in Nettoabflüsse um. Spiegelbildlich wurden in der Leistungsbilanz aus Defiziten Überschüsse.

    Besonders deutlich zeigt sich die Umkehr des Renditevorsprungs bei den Direktinvestitionen. „Dass Renditeaspekte hinter den internationalen Kapitalströmen stehen, kommt in der wirtschaftspolitischen Debatte über die hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands häufig zu kurz. Das Argument einer unzureichenden Verzinsung des deutschen Auslandsvermögens, so dass Leistungsbilanzüberschüsse auch für Deutschland ein schlechtes Geschäft seien, lässt sich insbesondere für Direktinvestitionen nicht erhärten“, sagte Stefan Kooths, Leiter des IfW-Prognosezentrums. Zugleich plausibilisierten die Ergebnisse des Gutachtens den Befund, dass die deutschen Nettokapitalexporte seit den frühen 2000er Jahren verstärkt über Unternehmen außerhalb der Finanzbranche abgewickelt werden, die in Summe seitdem hohe Finanzierungsüberschüsse aufweisen. Das Gutachten „Direktinvestitionen im Ausland – Auswirkungen auf die deutsche Leistungsbilanz und Spillover-Effekte in den Empfängerländern“ (https://www.ifw-kiel.de/index.php?id=11629&L=1), ist nun in der Schriftenreihe Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik erschienen.

    Direktinvestitionen finanzieren Leistungsbilanzüberschuss auch weiterhin

    Die Forscher verglichen die Rendite deutscher Investitionen im Ausland mit der Rendite ausländischer Investitionen in Deutschland. Gesamtwirtschaftlich zeigt sich tendenziell ein Gleichlauf von Renditeunterschieden und der Richtung der Nettokapitalströme. Bei Direktinvestitionen liegt der Renditevorsprung der Auslandsanlagen seit den 2000er Jahren bei knapp 2 Prozent. Deren Rentabilität dürfte sogar noch unterschätzt werden, da sich die Produktivitätseffekte von Direktinvestitionen makroökonomisch nicht vollständig erfassen lassen. So kann etwa der Aufbau eines Servicenetzes im Ausland die Profitabilität der auf Exportgüterproduktion ausgerichteten heimischen Kapazitäten erhöhen.

    Insgesamt erwarten die Forscher mittelfristig weiterhin Renditevorsprünge von Auslandsanlagen und dementsprechend anhaltende Nettokapitalexporte aus Deutschland. Die damit verbundene Kaufkraftverlagerung in die übrige Welt hält die Finanzierung der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse aufrecht, die daher zunächst fortbestehen dürften, so die Forscher. „Fließen Investitionen von Unternehmen und anderen Anlegern in jene Länder, wo die höheren Renditen zu erwarten sind, erhöht sich dadurch das Bruttonationaleinkommen und damit die Konsummöglichkeiten sowohl in Deutschland als auch in der übrigen Welt“, so Kooths. „Hierfür braucht sich in Deutschland niemand zu entschuldigen.“

    Vermögenseinkommen: Nicht Ursache und Wirkung verwechseln

    Neben den Überschüssen im Güterhandel schlagen im deutschen Leistungsbilanzüberschuss auch die grenzüberschreitend erzielten Nettovermögenseinkommen deutlich zu Buche. Diese beliefen sich im vergangenen Jahr auf über 2 Prozent in Relation zur Wirtschaftsleistung und machten somit ein Viertel des Leistungsbilanzüberschusses aus. Gut 70 Prozent davon entfielen auf Erträge aus Direktinvestitionen.

    „Einkommen aus Auslandsinvestitionen als Grund für den Leistungsbilanzüberschuss heranzuziehen, wie es zuweilen geschieht, ist allerdings falsch und verwechselt Ursache und Wirkung. Vermögenseinkommen erhöhen den Leistungsbilanzsaldo nicht automatisch, sondern sie stehen zusammen mit dem im Inland erzielten Einkommen für Konsum und Sparen zur Verfügung. Nur wenn Auslandsanlagen eine entsprechende Rendite versprechen, fließen Einkommen aus dem Ausland als frisches Kapital auch wieder dahin zurück. Kurzum: Der Vermögenseinkommenssaldo zeigt die Ergebnisse von Investitionsentscheidungen der Vergangenheit, während sich im Leistungsbilanzsaldo die Erwartungen der Investoren mit Blick auf die Zukunft spiegeln.“

    Medienansprechpartner:
    Mathias Rauck
    Pressesprecher IfW Kiel
    T +49 431 8814-411
    mathias.rauck@ifw-kiel.de


    Institut für Weltwirtschaft
    Kiellinie 66 | 24105 Kiel
    T +49 (431) 8814-1
    F +49 (431) 8814-500

    www.ifw-kiel.de


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Stefan Kooths
    Leiter IfW-Prognosezentrum
    T +49 0431 8814-579
    stefan.kooths@ifw-kiel.de


    Original publication:

    „Direktinvestitionen im Ausland – Auswirkungen auf die deutsche Leistungsbilanz und Spillover-Effekte in den Empfängerländern“: https://www.ifw-kiel.de/index.php?id=11629&L=1


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    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars
    Economics / business administration, Politics, Social studies
    transregional, national
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    German


     

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