idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/09/2019 10:37

Chronischer Schlaganfall: Digitale Therapie mit „Suchtfaktor“

Dr. Mareike Kardinal Pressestelle
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)

    Zum Tag gegen den Schlaganfall am 10. Mai 2019 startet am Tübinger Zentrum für Neurologie ein neues Forschungsprojekt – Virtuelle Realität soll im Gehirn neue Aktivitätsmuster trainieren

    Jedes Jahr erleiden in Deutschland rund 270.000 Personen einen Schlaganfall. In der neurologischen Therapie halten „Health Games“ immer mehr Einzug – digitale Spiele, die Spaß machen und gleichzeitig dafür sorgen, dass der Patient seine Defizite trainiert. Ein Team um Professor Dr. Ulf Ziemann am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und dem Universitätsklinikum Tübingen startet nun das Forschungsprojekt „Rehality“. Sie planen eine hochimmersive virtuelle Realität (VR) zu entwickeln, in der Schlaganfallpatienten wahrnehmen, wie sich ihr chronisch gelähmtes Körperteil bewegt. Das Besondere daran: Die virtuellen Bewegungen werden abhängig von der Gehirnaktivität gezeigt. Um sie in der VR-Brille zu sehen, müssen sich die Patienten die Bewegung mental vorstellen. Das soll das Gehirn anregen, sich umzustrukturieren und langfristig neue und effizientere Aktivitätsmuster zu speichern.

    „Nehmen Patienten im virtuellen Raum wahr, wie sie eine gelähmte Hand bewegen können, so begünstigt diese Illusion die Reorganisation von Netzwerken im Gehirn und damit den Heilungsprozess“, so Studienleiter Ziemann. „Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass der Zustand des Gehirns zum Zeitpunkt der Stimulation entscheidend dafür ist, ob es zu einer plastischen Veränderung der Hirnnetzwerke kommt oder nicht“. Ziemann arbeitet daher seit Jahren an der sogenannten closed-loop Stimulation. Dabei liest und wertet ein Elektroenzephalogramm (EEG) die Gehirnaktivität in Echtzeit aus. Die Daten erlauben dann im optimalen Zeitpunkt einzugreifen und das Gehirn zu stimulieren – in diesem Fall mit der Wahrnehmung und Durchführung einer Bewegung.

    „Mit „Rehality“ soll der Patient in Bewegung gebracht werden. Dabei trainiert er neue Aktivitätsmuster im Gehirn. Langfristig sollen die Muster gestärkt werden, die effizient zu einer Bewegung führen“, erklärt Projektkoordinator Dr. Christoph Zrenner. Im virtuellen Raum sieht der Patient, wie sich etwa seine gelähmte Hand hebt. Der Trick: Durch das closed-loop Paradigma wird ihm immer nur dann eine virtuelle Bewegung angezeigt, wenn der Proband tatsächlich mit maximaler Mühe versucht, die Hand zu bewegen.

    Doch wie sieht das Aktivitätsmuster im Gehirn aus, wenn wir eine Hand heben? In der ersten Phase des Forschungsprojekts wird Fragen wie dieser auf den Grund gegangen und die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen erforscht. Die klinischen Tests an Schlaganfallpatienten mit chronischen Lähmungen erfolgen dann im zweiten Schritt, der voraussichtlich Ende 2020 beginnt. „Bis „Rehality“ standardmäßig in der Therapie eingesetzt werden kann, dauert es noch einmal ein paar Jahre“, so Ziemann.

    Langfristig soll die „Rehality“-Therapie die Versorgungslücke zwischen stationärer Akutbehandlung, Rehabilitation und Therapie daheim schließen. Das soll zum einen Kosten einsparen und zum anderen den erfolgreichen Wiedereinstieg in ein eigenständiges Leben und Erwerbsfähigkeit beschleunigen. „Damit wir dieses Ziel erreichen, muss „Rehality“ Spaß machen. Wir hoffen, dass es wie andere digitale Spiele eine Art Suchtfaktor mitbringt, der den Patienten gerne und lange trainieren lässt“, sagt Ziemann.

    Grundsätzlich gilt: Je attraktiver das Spiel, desto größer der Trainingserfolg. Die Tübinger Wissenschaftler arbeiten daher eng mit dem Institut für Games an der Hochschule der Medien in Stuttgart zusammen, das die Entwicklung des Designs übernimmt. Die Firma VTplus GmbH in Würzburg bringt wiederum ihre Erfahrungen in der Umsetzung von VR-Systemen und Anwendungen zur Durchführung von Therapieforschung mit virtueller Realität ein. Passend zum Tag gegen den Schlaganfall findet am 10. Mai 2019 die Auftaktveranstaltung des nun vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,4 Millionen Euro bewilligten Verbundprojektes statt.

    Infobox Schlaganfall

    Bei einem Schlaganfall sterben Bereiche im Gehirn ab. Grund dafür ist in 80 Prozent eine Durchblutungsminderung (ischämischer Hirninfarkt), in 20 Prozent eine spontane Hirnblutung. Je nach betroffenem Gebiet kann es unter anderem zu Lähmungen kommen. Eine Physiotherapie hilft, die gelähmten Extremitäten zu reaktivieren. Sie zielt darauf ab, dass sich im Gehirn neue Verbindungen entwickeln und überlebende Nervenzellen die Aufgaben ihrer abgestorbenen Nachbarn übernehmen. Mit „Rehality“ möchten die Wissenschaftler diesen Prozess zusätzlich unterstützen.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Ulf Ziemann
    Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
    Hoppe-Seyler-Straße 3
    72076 Tübingen
    Telefon +49 7071 29 – 82049
    ulf.ziemann@med.uni-tuebingen.de


    More information:

    https://www.hih-tuebingen.de Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
    http://www.medizin.uni-tuebingen.de Universitätsklinikum Tübingen


    Images

    Ein Patient erlebt in virtueller Realität Bewegung der durch Schlaganfall betroffenen Extremität.
    Ein Patient erlebt in virtueller Realität Bewegung der durch Schlaganfall betroffenen Extremität.
    Copyright: Neurologische Universitätsklinik Tübingen und VTplus GmbH
    None

    Professor Ziemann und Teammitglieder.
    Professor Ziemann und Teammitglieder.
    Copyright: Ingo Rappers / Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
    None


    Criteria of this press release:
    Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology, Medicine, Psychology
    transregional, national
    Research projects
    German


     

    Ein Patient erlebt in virtueller Realität Bewegung der durch Schlaganfall betroffenen Extremität.


    For download

    x

    Professor Ziemann und Teammitglieder.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).