Berlin, 26. Juni 2019
Neuerscheinung: Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). IV. Abt., Bd. 18:
Karl Marx / Friedrich Engels: Exzerpte und Notizen. Februar 1864 bis Oktober 1868
Der am 11. Juni erschienene Band IV/18 der Marx-Engels Gesamtausgabe zeigt, dass Nachhaltigkeit, Globalisierung und industrielle Landwirtschaft nicht nur Themen unserer Gegenwart sind, sondern bereits Bestandteile philosophischer, politischer und ökonomischer Diskurse des 19. Jahrhunderts waren. Es werden erstmals rund 800 Seiten mit Exzerptheften von Karl Marx zur Agrarwissenschaft und zur politischen Ökonomie veröffentlicht.
Die Exzerpte zeigen einen mit Naturwissenschaften und ökologischen Fragen beschäftigten Marx und korrigieren so das Bild vom fortschrittsgläubigen Denker mit einem rein funktionalistischen Natur- und Ressourcenverständnis. Die Manuskripte wurden während der Abfassung des ersten Bandes des „Kapital“ und im Laufe der Vorbereitung und Überarbeitung des zweiten und dritten Buchs des „Kapital“ angefertigt. Der Großteil der Exzerpte behandelt das Themenfeld Agrikultur: die Theorie der Grundrente, Naturwissenschaften wie Agrikulturchemie, Geologie und Botanik, das Problem der Bodenerschöpfung, die landwirtschaftlichen Verhältnisse in Ländern wie Großbritannien, USA, Frankreich, Japan, Russland, Irland und Indien sowie das Grundeigentum und die Agrarverfassungen in vorkapitalistischen Gesellschaften.
Am Beginn dieser Studien stehen Marx’ umfangreiche Auszüge aus Justus von Liebigs „Agriculturchemie“. Liebig reagierte hier auf das damals voranschreitende, u.a. aus der landwirtschaftlichen Intensivierung resultierende Problem der Bodenerschöpfung. Er trug dazu eine gründliche Kritik des modernen landwirtschaftlichen Systems als „Raubwirthschaft“ vor, das nicht „nachhaltig“ sei. Er warnt vor einem Zeitalter der Hungersnöte, Rohstoffkriege und dem Zerfall der europäischen Zivilisation. Ebenso intensiv wie die Debatten um die Liebig’sche Theorie der Bodenerschöpfung verfolgte Marx andere Autoren und Studien, um Aspekte der ökologischen Krise, wie beispielsweise auch die industrialisierte Tierhaltung, zu untersuchen. Unter den rezipierten Autoren ragt der Agrarwissenschaftler Carl Fraas hervor. Marx findet in Fraas’ Schriften eine ausführliche Erklärung eines innerhalb von Jahrhunderten durch menschliche Tätigkeit herbeigeführten lokalen Klimawandels. Die Zivilisation lässt „Wüsten hinter sich zurück“, fasst Marx die Fraas’schen Erkenntnisse zusammen.
Der neue MEGA-Band bietet nicht nur Einblicke in die „ökologischen“ Probleme und Debatten des 19. Jahrhunderts. In Bezug auf Marx kann verfolgt werden, wie er die neuesten Erkenntnisse der „Klimatologie“ und Physiologie für seine gesellschaftskritischen Analysen nutzte. Marx folgerte, dass es keine Rehabilitierung des „Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur“ geben werde, solange alle stofflichen Aspekte nur eine Nebensache des eigentlichen Produktionszweckes – der Vermehrung des Kapitals – bleiben. Mit dem internationalen Warenhandel schreite der Raubbau fort und werde, so Marx, „einen unheilbaren Riß“ im Stoffwechsel zwischen Menschen und Natur hervorbringen. Marx formulierte somit die Gefahr der Erweiterung des Risses im natürlichen und gesellschaftlichen Stoffwechsel infolge der Globalisierung. Dadurch werde eine nachhaltige Produktion schlechthin unmöglich. Er sah die Rehabilitierung dieses Stoffwechsels als eine Aufgabe an, die nur von sozialistischen Gesellschaften zu lösen sei.
Im Zusammenhang mit weiteren in der MEGA erstmals veröffentlichten Exzerpten zur Geologie (Bd. IV/26) und Chemie (Bd. IV/31) dokumentieren die jetzt veröffentlichten Manuskripte die intensive Beschäftigung von Marx mit den Naturwissenschaften; sie stellen damit zugleich neue Quellen für die insbesondere in den USA in den letzten Jahren geführte „Metabolismus“-Debatte zur Verfügung. Der Band wurde in deutsch-japanischer Forschungskooperation in Berlin, Osaka und Tokyo bearbeitet.
Weitere Informationen:
Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). IV. Abt., Bd. 18:
Karl Marx / Friedrich Engels: Exzerpte und Notizen. Februar 1864 bis Oktober 1868,
November 1869, März, April, Juni 1870, Dezember 1872.
Bearbeitet von Teinosuke Otani, Kohei Saito und Timm Graßmann.
Herausgegeben von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung (IMES), Amsterdam.
Berlin / Boston: De Gruyter Akademie Forschung 2019. 2 Bde. XVI, 1294 Seiten, 38 Abb.
189 Euro. ISBN 978-3-11-058369-4.
Inhaltsverzeichnis und Einführung sind abrufbar unter: http://mega.bbaw.de/struktur/abteilung_iv
Kontakt zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Kirsten Schröder
Präsidialbüro
Leiterin i.V. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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E-Mail: kschroeder@bbaw.de
Kontakt zum Akademienvorhaben:
Gerald Hubmann
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
hubmann@bbaw.de
Rezensionsexemplare:
Claudia.Franzke@degruyter.com
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Environment / ecology, Philosophy / ethics, Social studies
transregional, national
Research projects, Scientific Publications
German
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