Obwohl sie es eigentlich besser wissen, entscheiden sich Entscheidungsträger*innen häufig nicht für die sachlich beste Option. Stattdessen wählen sie die Option, welche das geringste Risiko für die eigene Person birgt. Wie häufig Entscheidungsträger*innen auf solche sogenannten defensiven Entscheidungen setzen und wie eine mangelnde Kommunikations- und Fehlerkultur dieses Verhalten bedingt, hat ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung untersucht. Dafür befragten sie 950 Führungskräfte einer öffentlichen Einrichtung. Die Ergebnisse der Studie sind im Journal Business Research erschienen.
Ob in einem privaten Großunternehmen oder in einer öffentlichen Einrichtung: Führungskräfte und Manager*innen müssen ständig Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf Kolleg*innen, die Organisation und natürlich auch auf die eigene Person haben. Idealerweise entscheiden sie sich für die Option, die für die Organisation am besten ist. Doch dies geschieht bei weitem nicht immer. Häufig entscheiden sie sich für die aus Sicht der Organisation schlechtere Alternative, um sich selbst zu schützen. Diese Alternative kann bequemer sein, weniger Gegenwind mit sich bringen oder die Möglichkeit bieten, dass jemand anderes die Verantwortung trägt, falls etwas schiefgeht.
Um die Häufigkeit und Gründe für diese sogenannten defensiven Entscheidungen zu erforschen, befragte ein Team des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in einer anonymen Studie 950 Führungskräfte aller Hierarchiestufen einer öffentlichen Einrichtung. Rund 80 Prozent der Befragten gaben an, dass mindestens eine der zehn wichtigsten Entscheidungen der vergangenen zwölf Monate defensiv war. Im Durchschnitt waren etwa 25 Prozent der wichtigsten Entscheidungen nicht im besten Interesse der Organisation. Gleichzeitig zeigen erste Ergebnisse aus DAX-Unternehmen, dass hier defensive Entscheidungen noch weiter verbreitet sind.
„Defensive Entscheidungen sind in vielen Organisationen weit verbreitet. Es gibt sie in öffentlichen Einrichtungen, in der privaten Wirtschaft genauso wie in Krankenhäusern. Selbst in den obersten Führungsebenen trifft man Entscheider, bei denen viele der wichtigsten Entscheidungen nicht primär im besten Interesse der Organisation sind, sondern zuerst dazu dienen, sich selbst zu schützen. In unserer Studie konnten wir darüber hinaus zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Arbeitskultur im Team und der Häufigkeit von defensiven Entscheidungen gibt“, sagt Florian Artinger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Mitgründer der Simply Rational GmbH, einer Ausgründung des Instituts.
Entscheidungsträger*innen wurden danach gefragt, wie sie die Kommunikations- und Fehlerkultur in ihrem Team empfinden, beides wichtige Aspekte einer Organisationskultur. Wer die Fehlerkultur als schlecht bewertete, traf deutlich häufiger defensive Entscheidungen als jemand, der die Fehlerkultur als gut empfand. Häufig müssen Entscheidungen in einem komplexen und dynamischen Umfeld gemacht werden, in dem das Risiko besteht, dass man scheitert. In einer Organisation mit einer positiven Fehlerkultur werden Misserfolge nicht stigmatisiert und man unterstützt sich gegenseitig, auch wenn Fehler passieren. Ebenfalls konnte in Bezug auf die Kommunikationskultur ein Zusammenhang festgestellt werden. In einer positiven Kommunikationskultur haben alle Mitarbeiter*innen eines Teams die Möglichkeit, über Ideen, Meinungen oder Bedenken zu sprechen, ohne Nachteile zu befürchten. Entscheidungsträger*innen, die angaben, in einem Team mit guter Kommunikationskultur zu arbeiten, trafen weniger defensive Entscheidungen.
„Defensive Entscheidungen verursachen nicht nur erhebliche Mehrkosten. Sie haben auch negative Auswirkungen auf die Innovationskraft, Mitarbeiterführung oder Kundenzufriedenheit. Damit Manager wieder die für die Organisation besten Entscheidungen treffen, braucht es eine Fehlerkultur statt einer Absicherungskultur“, sagt Gerd Gigerenzer, Mitautor der Studie und Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung sowie Mitgründer von Simply Rational.
--
Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.
Artinger, F. M., Artinger, S., & Gigerenzer, G. (2019). C. Y. A.: Frequency and causes of defensive decisions in public administration. Business Research, 12(1), 9–25. https://doi.org/10.1007/s40685-018-0074-2
https://www.mpib-berlin.mpg.de/de/presse/2019/08/immer-schoen-absichern-haeufigk...
Criteria of this press release:
Journalists
Psychology
transregional, national
Research results
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).