Abgestorbene Bäume aus den Wäldern schaffen und in großem Stil aufforsten: Das ist die Strategie der Bundesregierung gegen das „Waldsterben 2.0“. Ökologen der Universität Würzburg plädieren für eine andere Lösung.
Borkenkäfer, Hitze, Trockenheit, Stürme und Brände haben den Wäldern in Deutschland zugesetzt. Wer dort spazieren geht, trifft oft auf abgestorbene Fichtenbestände und vertrocknete Buchen. „Die Wälder sind in allen Regionen betroffen und benötigen schnelle Hilfe“, heißt es auf der Webseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Aufräumen und Aufforsten: So stellt sich das Ministerium diese Hilfe vor. Ministerin Julia Klöckner spricht sich für groß angelegte Aufräumaktionen mit anschließender Wiederaufforstung aus. Für das Programm und die anschließende Pflege seien mindestens 500 Millionen Euro nötig.
Forscher sind für radikalen Wandel
Das aber sei nicht die richtige Strategie, schreiben die Waldökologen Simon Thorn, Jörg Müller und Alexandro Leverkus von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im Magazin Science. „Diese Politik dürfte ausgedehnte, gleichmäßige Waldbestände schaffen, die für die Auswirkungen des Klimawandels weiterhin besonders anfällig sind“, sagt Simon Thorn.
Deutschland solle darum seine strategischen und finanziellen Anstrengungen zur Schaffung eines nachhaltigeren Waldsystems überdenken. Hier sei ein radikaler Wandel nötig: Die Wissenschaftler schlagen vor, Totholz nicht restlos zu entfernen und nicht im großen Stil wiederaufzuforsten.
Totholz in Wäldern erhalten
Die Forstwirtschaft verfolge schon seit Jahrhunderten die Praxis des Aufräumens und Aufforstens. Die Folgen: eine stetige Abnahme der biologischen Vielfalt bis hin zum Aussterben vieler Pilze und Insekten, die auf Totholz angewiesen sind.
Ein großflächiges „Aufräumen“ im Wald hat laut Thorn erwiesenermaßen erhebliche negative Auswirkungen auf die Vielfalt der von Totholz abhängigen Insekten. Das kollidiere mit den Zielen des Regierungskoalitionsvertrags, dem zufolge das dramatische Insektensterben gestoppt werden soll. Stattdessen sollten öffentliche Zuschüsse darauf abzielen, Totholzstrukturen zu erhalten.
Beim Wiederaufforsten für Lichtungen sorgen
Natürliche Störungen wie Stürme, Borkenkäferausbrüche und Dürreschäden ermöglichen es, dass auf den entstehenden Lichtungen unterschiedlichste einheimische Baumarten nachwachsen. Den Wissenschaftlern zufolge erhöht das die Widerstandsfähigkeit eines Waldes gegen extreme Wetterereignisse.
Im Gegensatz dazu führe eine schnelle Wiederaufforstung zu dichten, gleichaltrigen Baumgruppen, die sehr anfällig gegenüber Wetterereignissen und Schädlingen seien. Die Subventionen für die Forstwirtschaft sollten besser eine vielfältige Baum- und Altersstruktur sowie zeitweilig existierende Lichtungen fördern. Diese Strategie komme wirtschaftlich wichtigen Baumarten und stark bedrohten Insekten gleichzeitig zugute.
Waldsterben 2.0:
In den 1980er-Jahren gab es in Mitteleuropa großflächig Waldschäden. Im Kern wurde dafür die Luftverschmutzung durch Abgase aus Industrie und Verkehr verantwortlich gemacht. Damals war vom „Waldsterben“ die Rede. Auf diese Zeit bezieht sich das aktuelle Schlagwort „Waldsterben 2.0“. Der Zusatz „2.0“ drückt aus, dass die aktuellen Waldschäden diesmal andere Ursachen haben – nämlich den Klimawandel.
Dr. Simon Thorn, Ökologische Station Fabrikschleichach der Universität Würzburg, T +49 931 31-83057, simon.thorn@uni-wuerzburg.de
Preventing European forest diebacks. Simon Thorn, Jörg Müller, Alexandro B. Leverkus. Science, 27. September 2019, DOI: 10.1126/science.aaz3476
https://www.biozentrum.uni-wuerzburg.de/station/startseite/ Ökologische Station der Universität Würzburg
https://www.bmel.de/DE/Wald-Fischerei/Forst-Holzwirtschaft/_texte/Wald-Trockenhe... Bundeslandwirtschaftsministerium: Nachhaltige Waldwirtschaft
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/insektensterben-stoppen-1138930 Bundesregierung: Insektensterben stoppen
Durch Borkenkäfer abgetötete Fichten am Lusen im Nationalpark Bayerischer Wald. Ökologen plädieren ...
Simon Thorn / Universität Würzburg
None
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Biology, Environment / ecology, Oceanology / climate, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
Durch Borkenkäfer abgetötete Fichten am Lusen im Nationalpark Bayerischer Wald. Ökologen plädieren ...
Simon Thorn / Universität Würzburg
None
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).