Namhafte Vertreter aus der Rechtswissenschaft, Medizin, Politik und Wirtschaft diskutierten am 14. und 15. November 2003 an der Universität Heidelberg über die Entkriminalisierung der Drittmittel im Wissenschaftssektor
"Wir Mediziner sind doch kein krimineller Berufsstand!", empörte sich zu Beginn des Symposions "Drittmitteleinwerbung - Strafbare Dienstpflicht?" ein Tagungsteilnehmer. Seine Äußerung zeigt die tiefe Verunsicherung der industrienah kooperierenden Hochschulmedizin.
Seit dem sog. "Herzklappenskandal", der seit 1994 über tausend Ärzte und Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen im gesamten Bundesgebiet in Strafverfahren verwickelte, ist die Drittmittelforschung ins Blickfeld der Strafjustiz geraten. Bisher ist nicht hinreichend geklärt, welche Formen der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie zulässig und wann sie strafbar sind. Das Symposion hatte zum Ziel, Lösungen der offenen Rechtsfragen zu entwickeln. Der Rektor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Peter Hommelhoff, forderte die Anwesenden auf, dem "unerträglichen Zustand der Rechtsunsicherheit" ein Ende zu bereiten.
Den ersten Schritt unternahmen die Vertreter der an der Drittmittelforschung beteiligten Interessengruppen. Prorektor Prof. Dr. med. Jochen Tröger referierte aus Sicht der Universität, gefolgt von Vorträgen aus dem Blickwinkel der Industrie und den Forschungsförderungseinrichtungen. Hierbei wurde die immense Bedeutung der Drittmittel für die wissenschaftliche Forschung und Lehre veranschaulicht.
Zur Verdeutlichung der Problematik gab Prof. Dr. med. Siegfried Hagl freimütig Einblicke in das gegen ihn wegen Vorteilsannahme, Bestechlichkeit und Untreue initiierte Strafverfahren, das im Februar 2003 endgültig beendet wurde. Nach acht Jahren Strafverfolgung blieb nur der Vorwurf der Vorteilsannahme. Und dieser bewegte sich nach dem zwischenzeitlich erstrittenen Urteil des BGH am unteren Rande des Strafbaren. Dazu erläuterte der vorsitzende Richter des 1. Strafsenats am BGH a.D. Dr. iur. Gerhard Schäfer, dass die Drittmitteleinwerbung nicht strafbar ist, wenn sie Forschung und Lehre dient und das hochschulrechtlich vorgesehene Verfahren eingehalten wird. Dr. iur. Petra Alexa Römer entfaltete hierzu den Standpunkt der Staatsanwaltschaft. Aufgrund des deutlich gewordenen Spannungsfeldes sicherte MdB Ulrike Flach (FDP), Vorsitzende des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestages, dem Auditorium zu, die Drittmittelproblematik erneut in Berlin zu thematisieren.
Die Referate zum Umgang mit Drittmittelforschung in den deutschsprachigen Nachbarländern zeigten am zweiten Tag: In der Schweiz gibt es klare praxisgerechte Regelungen, in Österreich wird das Problem ignoriert. Prof. Dr. iur. utr. Brigitte Tag sprach zur Novellierung der Vorteilsannahme. Sie unterbreitete einen konkreten Änderungsvorschlag des Strafgesetzes und stellte die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Drittmittelregelung zur Diskussion. Die Vorträge zur Wechselwirkung zwischen ärztlichem Standesrecht und dem Korruptionsstrafrecht, zum Dienst- und Nebentätigkeitsrecht sowie zum Umgang mit Drittmitteln in Baden-Württemberg zeigten die Facetten der Drittmitteleinwerbung. Prof. Dr. iur. Paul Kirchhof beleuchtete in seinem Vortrag die steuerrechtlichen Aspekte drittmittelfinanzierter Forschung.
In der tagungsschließenden Diskussion bestand überwiegend Einigkeit darin, dass die herrschende Rechtsunsicherheit beseitigt werden müsse. Eine praxisgerechte Lösung sollte die Kriterien der Transparenz, Trennung, Dokumentation und Äquivalenz klar umschreiben. Die Teilnehmer richteten einen deutlichen Appell an den Gesetzgeber: Die Drittmitteleinwerbung benötigt eine verlässliche Rechtsgrundlage. Für die Vorteilsannahme wurde ein konkreter, auf dem Vortrag von Prof. Dr. iur. utr. Brigitte Tag beruhender Novellierungsvorschlag formuliert. MdB Siegfried Kauder (CDU) versprach, sich dafür und für die Drittmittelfrage insgesamt einzusetzen.
Cay Fürsen, Juana Schmidt
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