Auf der 11. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) warb Sabine Weiss, Parlamentarische Staatsekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, für die Einführung der doppelten Widerspruchslösung. Es gehe neben der ärztlichen Versorgung der Patientinnen und Patienten vor allem um gesellschaftliche Verantwortung sowie um die Verantwortung jedes einzelnen, sich mit der Organspende auseinanderzusetzen.
In Deutschland leben ca. 9 Millionen Menschen mit einer chronischen Nierenkrankheit und die Tendenz ist wegen des demografischen Wandels weiter steigend. Ca. 90.000 Patienten sind in Deutschland auf eine Nierenersatztherapie angewiesen. Neben der regelmäßigen Blutwäsche (Dialyse) stellt die Nierentransplantation die Therapie der Wahl dar, es ist bekannt, dass transplantierte Patienten nicht nur eine bessere Lebensqualität, sondern auch eine deutlich bessere Überlebensprognose haben als Patienten an der Dialyse. Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) und die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) sprechen sich seit Jahren für die Einführung der Widerspruchlösung aus.
Anfang des Jahres hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in seiner Funktion als Mitglied des Deutschen Bundestages eine breite Debatte über die doppelte Widerspruchslösung angestoßen, voraussichtlich noch in diesem Jahr wird der Deutsche Bundestag über die unterschiedlichen Gesetzentwürfe der einzelnen fraktionsübergreifenden Gruppen von Abgeordneten abstimmen.
Es sei an der Zeit für einen solchen Paradigmenwechsel, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss. Die Organtransplantation sei, wie sie ausführte, für viele schwerkranke Menschen medizinisch die letzte Chance. Die Besonderheit der Transplantationsmedizin liege aber darin, dass eine Organtransplantation nur dann erfolgen könne, wenn ein gespendetes Organ von einem anderen Menschen verfügbar wäre. Leider können derzeit bei weitem nicht alle Patienten, bei denen eine Organtransplantation notwendig sei, mit einem Organ versorgt werden, jährlich sterben ca. 1.000 Menschen auf der Warteliste. Aus diesem Mangel erwachse eine gesellschaftliche Verantwortung, die den Gesetzgeber, die Ärzte, die Kliniken und jeden einzelnen betrifft. Jeder solle sich wenigstens einmal im Leben mit der Frage, ob er seine Organe spenden möchte oder nicht, auseinandersetzen.
Die Politik hat seit dem letzten Jahr wichtige Initiativen auf den Weg gebracht: Das „Zweite Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes“ ist am 1. April 2019 in Kraft getreten. Es zielt darauf ab, die Entnahmekrankenhäuser bei ihren Bemühungen um die Organspende strukturell und finanziell zu unterstützen. Ende Juni wurde in Berlin der „Gemeinsamschaftliche Initiativplan Organspende“ vorgestellt. Darin finden sich zahlreiche Empfehlungen für Maßnahmen im Klinikalltag, v.a. eine stärkere Professionalisierung der Transplantationsbeauftragten. Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird über die verschiedenen Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Organspende – darunter auch der Entwurf zur doppelten Widerspruchlösung - im Deutschen Bundestag entschieden.
Die doppelte Widerspruchslösung sei so wichtig, weil eine wesentliche Ursache des Organmangels eben im Nicht-Entscheiden liege. „In den vergangenen 22 Jahren haben wir auf die Zustimmungslösung und die Wirkung von Informations- und Aufklärungskampagnen gesetzt. Und nach 22 Jahren muss man sagen, es hat nicht gereicht, damit sich die hohe Bereitschaft zur Organspende in der Bevölkerung in höhere Organspenderraten übersetzt. Die Organspenderzahlen hatten 2017 einen Tiefpunkt erreicht,“ so Sabine Weiss.
Die Parlamentarische Staatssekretärin argumentierte, dass die doppelte Widerspruchlösung dem Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger gerade Ausdruck verleiht: „Wenn 84% der Bevölkerung der Organspende gegenüber positiv eingestellt sind, dann sollte eine gesetzliche Regelung so gestaltet sein, dass sie eben dieser Mehrheitseinstellung entspricht.“ Wie Sabine Weiss deutlich betonte, resultiere daraus keine Pflicht zur Organspende, jeder könne zu jeder Zeit ohne Angabe von Gründen widersprechen. „Das Grundrecht zur Selbstbestimmung wird geachtet, die Widerspruchslösung fordert aber eine Positionierung.“
„Wir hoffen, dass die Mehrheit der Parlamentarier für den Gesetzesentwurf stimmen wird. Die doppelte Widerspruchslösung kann dazu beitragen, die Zahl der zur Verfügung stehenden Spenderorgane zu erhöhen. Wir Nephrologen haben Tag für Tag mit Patienten zu tun, die z.T. jahrelang auf eine Niere warten“, erklärt Professor Dr. Andreas Kribben, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN).
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Dr. Bettina Albers
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