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11/21/2003 10:51

Forschungswüste Hausarztpraxis

Dr. Annette Tuffs Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Der neue Schwerpunkt Allgemeinmedizin in Heidelberg möchte die Defizite bei der Erforschung der hausärztlichen Versorgung in Deutschland beheben

    Forschungsgelder kommen auch dem Patienten beim Hausarzt zugute: Am Universitätsklinikum und der Medizinischen Fakultät Heidelberg wird derzeit ein Forschungsschwerpunkt Allgemeinmedizin aufgebaut, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über drei Jahre mit 1,7 Millionen Euro unterstützt. Er ist der einzige in Süddeutschland; weitere Schwerpunkte werden derzeit an den Universitäten Göttingen und Kiel etabliert.

    "Wir möchten ein partnerschaftliches Netzwerk mit den Hausarztpraxen der Rhein-Neckar-Region aufbauen und die Qualität der hausärztlichen Versorgung verbessern", erklärte Prof. Dr. Joachim Szecsenyi, Leiter der Sektion Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum, bei einer Pressekonferenz in Heidelberg. Außerdem solle der Schwerpunkt dazu beitragen, die medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Kliniken der Region besser aufeinander abzustimmen.

    Nur 9 der 36 medizinischen Fakultäten haben eine Abteilung Allgemeinmedizin

    Mehr als 40 Prozent aller Ärzte in Deutschland sind Hausärzte; sie versorgen den weitaus größten Teil der Patienten. "Hausärzte kennen den Patienten und sein soziales Umfeld. Sie erfassen mehrere Wahrnehmungsebenen, z.B. den Umgang eines Patienten mit seiner Krankheit, der von großer Bedeutung für den Krankheitsverlauf ist", erklärte Prof. Dr. Wolfgang Herzog, Ärztlicher Direktor der Abteilung Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg.

    Hausärzte haben gleichzeitig eine Schlüsselposition als Lotsen im Gesundheitswesen: Sie leiten den Patienten an andere Versorgungseinrichtungen und Ärzte weiter. Dennoch ist die allgemeinmedizinische Forschung in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern unterentwickelt. "Nur 9 der 36 medizinischen Fakultäten haben eine Abteilung für Allgemeinmedizin", berichtete Professor Szecsenyi.

    In Heidelberg hat die Allgemeinmedizin schon seit langem einen wichtigen Stellenwert für die Ausbildung der Medizinstudenten. "Seit vielen Jahren hospitieren unsere Studenten bereits in den vorklinischen Semestern bei Hausärzten", unterstrich Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Günther Sonntag, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Mittlerweile nehmen ca. 200 sogenannte Lehrpraxen am ausgedehnten Hospitationsprogramm der vorklinischen und klinischen Semester teil; 23 von ihnen wurde vor wenigen Wochen das Gütesiegel der Akkreditierung erteilt.

    Es fehlen Daten über die Versorgungssituation in der Praxis

    "Die Lehrpraxen sind die Basis für das Netzwerk von Praxen, mit dem wir gemeinsam verschiedene Forschungsprojekte umsetzen wollen", erklärte Professor Szecsenyi. Zunächst soll im Projekt CONTENT eine Datenbank angelegt werden, die eine differenzierte Situationsanalyse der allgemeinmedizinischen Versorgung erlaubt. Neben der Häufigkeit der Erkrankungen werden u.a. die Anlässe für den Arztbesuch erfasst sowie ihr Zusammenhang mit den Ergebnissen der Beratung und den medizinischen Leistungen, die vom Arzt veranlasst werden, z.B. Verschreibungen, Einweisungen und Laboruntersuchungen.

    Im Heidelberger Netzwerk wird künftig die "International Classification of Primary Care" (ICPC) eingesetzt. Dieses Klassifikationssystem wurde von der Weltgesellschaft für Allgemeinmedizin speziell für die Erfassung von Krankheiten und Beschwerden der hausärztlichen Versorgung entwickelt und erlaubt eine realitätsnahe Beschreibung von Behandlungsverläufen und -ergebnissen. ICPC ist vielfältig im europäischen Ausland erprobt worden. In der ersten dreijährigen Projektphase soll es in Heidelberg etabliert werden, um nach einer Evaluation in der zweiten Phase auch Daten zum Gesundheitszustand und der Lebensqualität der Patienten sowie der Versorgungsqualität zu erfassen.

    Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Dr. Ulrich Weigeldt, begrüßte in Heidelberg diese Initiative. "Wir haben keine Daten zur tatsächlichen Versorgungssituation und müssen uns immer aus dem Ausland behelfen", kritisierte er das Forschungsdefizit. Für eine gerechtere Abrechnung, die sich nicht vorrangig an erbrachten Leistungen orientiere, sondern die Schwere und Dauer der Erkrankung mit berücksichtige, seien die Daten, wie sie in Heidelberg und Umgebung gewonnen werden, unabdingbar.

    Bessere Kommunikation in der Praxis - höhere Patientenzufriedenheit?

    Ein weiteres Projekt PRAXKOM untersucht die Kommunikation in der Arztpraxis. Welche Rolle spielt das Praxisteam, was leistet der Arzt? Und welchen Einfluss hat die Kommunikation auf die Patientenzufriedenheit? PRAXKOM möchte die Kommunikation in der Praxis mit einfachen Mitteln verbessern. Dafür werden Patientengruppen untersucht, die an Arthrose oder leichter Depression leiden. Wie wird die Kommunikation mit dem Arzt und den Praxisangestellten von ihnen bewertet, welche Erwartungen haben sie? Wo gibt es Kommunikationsbarrieren? Nachdem der Status quo erhoben ist, werden Maßnahmen für den Arzt und das Praxisteam entwickelt, die ihre Kommunikation verbessern.

    Das dritte Projekt FUNKTIONAL widmet sich einer großen Patientengruppe beim Hausarzt: Etwa 30 Prozent der Patienten klagen über sogenannte funktionelle, körperlich nicht erklärbare Beschwerden. Wie kann der Arzt diese Krankheitsbilder erkennen und die Patienten selbst behandeln oder einer wirksamen Therapie zuführen? Die Psychosomatiker der Universität Heidelberg möchten zusammen mit den niedergelassenen Allgemeinmedizinern ein Curriculum erarbeiten, das umsetzbare Leitlinien für Diagnose und Therapie in der Hausarzt-Praxis enthält. Ob diese Maßnahmen wirksam sind, wird anhand der vom Patienten bewerteten Versorgung, an seinem Gesundheitszustand und anhand der Inanspruchnahme medizinischer und anderer Leistungen gemessen.

    Weitere Information im Internet:
    http://www.allgemeinmedizin.uni-hd.de/

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Joachim Szecsenyi: 06221 / 56-4743 (Sekretariat),
    Prof. Dr. Wolfgang Herzog: 06221 / 56-8649 (Sekretariat)

    Literatur:
    (1) Schneider A, Broge B, Szecsenyi J: Müssen wir messen, um (noch) besser werden zu können? Die Bedeutung von Qualitätsindikatoren in strukturierten Behandlungsprogrammen und Qualitätsmanagement. Z. Allg. Med. 2003; 79: 547-552.
    (2) Wiesemann A, Engeser P, Barlet J, Müller-Bühl U, Szecsenyi J: Was denken Heidelberger Studierende und Lehrärzte über frühzeitige Patientenkontakte und Aufgaben in der Hausarztpraxis? Gesundheitswesen 2003; 65: 572-578.
    (3) DeMaeseneer JM, van Driel ML, Green LA, van Weel C: The need for research in primary care. The Lancet, Vol 362, 1314-1319.
    (Die Originalartikel können bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden)

    Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter
    http://www.med.uni-heidelberg.de/aktuelles/


    More information:

    http://www.allgemeinmedizin.uni-hd.de/
    http://www.med.uni-heidelberg.de/aktuelles/


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

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