idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
01/13/2020 13:50

Erstes robustes Zellkulturmodell für das Hepatitis-E-Virus

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Obwohl Hepatitis E jedes Jahr über drei Millionen Infektionen und rund 70.000 Todesfälle verursacht, ist das Virus bisher wenig untersucht. Das könnte sich ändern, denn ein Forschungsteam aus Bochum und Hannover hat ein robustes und verbessertes Zellmodell des Erregers entwickelt. Es produziert etwa 100-mal mehr infektiöse Viruspartikel als bisherige Modelle. „Das macht das Virus jetzt wissenschaftlich erforschbar“, sagt Prof. Dr. Eike Steinmann, Inhaber des Lehrstuhls Molekulare und Medizinische Virologie an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscherinnen und Forscher in der Zeitschrift PNAS vom 2. Januar 2020.

    Mutation führt zu verstärkter Vermehrung

    Dass das Hepatitis-E-Virus bisher wenig erforscht ist, liegt nicht zuletzt daran, dass es kein robustes Zellkulturmodell gab. „Die Anzahl der in bisherigen Modellen produzierten infektiösen Viruspartikel war einfach zu gering, um reproduzierbare Ergebnisse zu generieren“, erklärt der Bochumer Autor Dr. Daniel Todt.

    Das Forschungsteam beschäftigte sich in vorangegangenen Studien mit Viruspopulationen, die durch genetische Mutationen des Virus in Patienten entstehen, und fand dabei eine bestimmte genetische Veränderung, die zu einer erheblich stärkeren Vermehrung des Erregers führt. Die Forscherinnen und Forscher fügten diese Mutation in die bisher genutzten Zelllinien ein und konnten so die Produktion neuer Viruspartikel um das Fünf- bis Zehnfache steigern.

    In ihrer aktuellen Arbeit optimierten sie die Zellkulturbedingungen durch Zugaben spezieller Nährmedien und die Nutzung verschiedener Leberzelllinien. Diese Maßnahmen führten zu rund 100-mal mehr infektiösen Viruspartikeln als bisher publiziert.

    Aufwändige Tests zeigen, dass das Modell funktioniert

    Um zu überprüfen, ob das neue Zellkulturmodell sich für die Erforschung des Virus eignet, machten die Forscher verschiedene Experimente. So testeten sie, ob umhüllte und nackte Viren gleichermaßen entstehen. „Beide Varianten des Virus kommen bei Patienten vor“, erklärt Autorin Martina Friesland vom Institut für Experimentelle Virologie des Twincore-Zentrums für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover. „Sie sind aber für verschiedene Infektionswege verantwortlich. Während das umhüllte Virus bei Blut-Blutkontakt, wie zum Beispiel Transfusionen, übertragen wird, wird das nackte Virus über den Stuhl ausgeschieden und sorgt für die Ansteckung zum Beispiel durch kontaminiertes Trinkwasser.“ Beide Varianten können jetzt mit dem neuen Zellkulturmodell studiert werden.

    Die Forscher hatten in einer vorangegangenen Studie nachgewiesen, dass die Mutation bei allen verschiedenen Hepatitis-E-Viren (HEV) zu einer verstärkten Vermehrung führt, und dass das auch bei verschiedenen in der Forschung verwendeten Leberzelllinien so ist. In der aktuellen Untersuchung konnten sie das Modell nochmals optimieren. „Wir haben also Erkenntnisse aus der Klinik genutzt, um ein präklinisches in-vitro-Modell zu verbessern“, erklärt Daniel Todt. Der Effekt der stärkeren Vermehrung zeigt sich auch bei gesunden menschlichen Leberzellen, ebenso wie im Tiermodell. Hier waren über mehr als einen Monat hinweg Viruspartikel sowohl im Blut als auch im Kot von Nagern nachweisbar. „Bei bisherigen Modellen gelang der Nachweis immer nur im Stuhl, weil die Anzahl der produzierten Viruspartikel zu niedrig war“, erläutert Daniel Todt. „Wir können jetzt infektiöse Viren in fast unbegrenzter Menge für die Forschung produzieren und müssen nicht auf Virusisolate aus Patienten zurückgreifen.“

    Komplettes Detailverständnis

    Da sie zum ersten Mal aus gesundem Lebergewebe isolierte Zellen reproduzierbar mit HEV infizieren konnten, unternahmen die Forscher eine Tiefensequenzierung: Sie untersuchten die gesamte genetische Information des Virus zu verschiedenen Zeitpunkten der Infektion mit und ohne Einfluss von Medikamenten. Außerdem analysierten sie die veränderte Expression verschiedener Proteine befallener Leberzellen als Reaktion auf die Infektion sowohl unter dem Einfluss von Medikamenten als auch ohne Wirkstoffeinfluss. „Wir wollten wissen, wie die Zelle auf die Infektion reagiert“, so Daniel Todt. „Es ging uns um ein komplettes Detailverständnis“, unterstreicht Eike Steinmann. „Nur das wird es uns in Zukunft erlauben, Gene, die für den Infektionsverlauf besonders wichtig sind, zu identifizieren und als mögliche Ziele für Therapieansätze ins Auge zu fassen.“ Den Datensatz, sowie das optimierte Protokoll stellen die Forscher öffentlich zur Verfügung, um der gesamten wissenschaftlichen Community die Möglichkeit zu geben, mit dem Modell und den bisherigen Erkenntnissen weiterzuarbeiten.

    Hepatitis E

    Das Hepatitis E-Virus (HEV) ist der Hauptverursacher akuter Virushepatitiden. Nach dem ersten dokumentierten epidemischen Ausbruch 1955 bis 1956 vergingen mehr als 50 Jahre, bis Forscher sich intensiv des Themas annahmen. Akute Infektionen heilen bei Patienten mit intaktem Immunsystem normalerweise von selbst aus. Bei Patienten mit reduziertem oder unterdrücktem Immunsystem wie Organtransplantatempfängern oder HIV-infizierten Patienten kann HEV chronisch werden. Auch für schwangere Frauen ist HEV besonders bedrohlich.

    Förderung

    Die Arbeiten wurden unterstützt durch das Bundesministerium für Gesundheit (CHED-Projektnummer ZMVI1-2518FSB705) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (398066876/GRK 2485/1).

    Originalveröffentlichung

    Daniel Todt, Martina Friesland et al.: Robust hepatitis E virus infection and transcriptional response in human hepatocytes, in: PNAS 2020, DOI: 10.1073/pnas.1912307117, https://www.pnas.org/content/early/2020/01/01/1912307117

    Pressekontakt

    Prof. Dr. Eike Steinmann
    Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 28189
    E-Mail: eike.steinmann@rub.de

    Dr. Daniel Todt
    Abteilung für Medizinische und Molekulare Virologie
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 22463
    E-Mail: daniel.todt@rub.de


    Contact for scientific information:

    Dr. Daniel Todt
    Abteilung für Medizinische und Molekulare Virologie
    Medizinische Fakultät
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 22463
    E-Mail: daniel.todt@rub.de


    Original publication:

    Daniel Todt, Martina Friesland et al.: Robust hepatitis E virus infection and transcriptional response in human hepatocytes, in: PNAS 2020, DOI: 10.1073/pnas.1912307117, https://www.pnas.org/content/early/2020/01/01/1912307117


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).