Kleinstädte finden meist ausschließlich Beachtung in einer nicht weiter differenzierten Sammelkategorie der Klein- und Mittelstädte oder als Gegenentwurf zur wahlweise mit positiven oder negativen Aspekten aufgeladenen Großstadt. Dabei bieten Kleinstädte mehr. Aber selbst die Raumwissenschaften schenken diesem Stadttypus wenig Aufmerksamkeit und bleiben vielfach in Darstellungen verhaftet, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts überraschend unverändert geblieben sind.
Der Arbeitsbericht „Kleinstadtforschung in Deutschland: Stand, Perspektiven und Empfehlungen“ des Ad-hoc-Arbeitskreises der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) bereitet den Stand der empirischen Forschung zu Kleinstädten prägnant auf und beleuchtet Perspektiven einer zeitgemäßen Kleinstadtforschung.
In neun Kurzbeiträgen zu den Themenfeldern Urbanität und Ruralität, demographische Strukturen und Entwicklungen, Sozialstruktur und soziale Beziehungen, Wohnen und sozial-räumliche Differenzierung, wirtschaftliche Entwicklung und Innovationen, Mobilität, Digitale Transformation, Stadtplanung und Governance sowie Zentralität, wird deutlich, dass Arbeiten zum Thema Kleinstadt oft thematisch und räumlich begrenzt sind. Überwiegend handelt es sich um anlassbezogene Einzelfallstudien, die methodisch auf der Auswertung von Sekundärdaten, leitfadengestützten (Experten-)Interviews, teilnehmender oder nichtteilnehmender Beobachtung oder standardisierten Befragungen basieren. Im Ergebnis finden sich erstaunlich oft Allgemeinplätze und Generalisierungen („so ist es in der Kleinstadt“). Ein gewichtiger Grund für das Fehlen vergleichender und übergreifender Untersuchungen ist dabei die äußerst unzureichende Datenverfügbarkeit, vor allem für kleinräumige Analysen.
Inhaltlich lag der Schwerpunkt der Forschung in den 1990er- bis 2010er-Jahren auf Kleinstädten in peripheren Lagen mit großen strukturellen Problemen, wohingegen Kleinstädte in zentralen, agglomerationsnahen Lagen, trotz sich hier vollziehender erheblicher Veränderungen, äußerst selten betrachtet werden. Obwohl knapp ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland in über 2000 Kleinstädten lebt, werden die Funktionen, Leistungen und Potenziale von Kleinstädten bislang nicht systematisch betrachtet – weder aus der Perspektive der dort lebenden und arbeitenden Menschen, noch bezogen auf den regionalen Kontext oder im polyzentrischen Siedlungssystem.
Umso mehr plädiert der Ad-hoc-Arbeitskreis dafür, eine systematische, interdisziplinäre und genuine Kleinstadtforschung zu etablieren. Untersuchungen sollten in neuere raumwissenschaftliche Theoriediskussionen eingebunden sein, innovative Datenquellen nutzen sowie Erhebungsmethoden und Analyseverfahren weiterentwickeln. Unumgänglich ist es aber auch, Kleinstadtforschung wissenschaftspolitisch durch Forschungsprogramme und in der universitären Lehre zu fördern.
• Lars Porsche, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Lars.Porsche@BBR.Bund.de (Leitung des Ad-hoc-Arbeitskreises)
• Dr. Annett Steinführer, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, annett.steinfuehrer@thuenen.de (Leitung des Ad-hoc-Arbeitskreises)
• Dr. Martin Sondermann, Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), sondermann@arl-net.de (Geschäftsstelle der ARL)
Porsche, Lars; Steinführer, Annett; Sondermann, Martin (Hrsg.) (2019): Kleinstadtforschung in Deutschland: Stand, Perspektiven und Empfehlungen. Hannover. = Arbeitsberichte der ARL 28. URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0156-42576
https://shop.arl-net.de/kleinstadtforschung-370.html
Kleinstadtforschung in Deutschland: Stand, Perspektiven und Empfehlungen
ARL
None
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students
Construction / architecture, Economics / business administration, Politics, Social studies
transregional, national
Scientific Publications, Transfer of Science or Research
German
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