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02/25/2020 10:21

Forschungsprojekt will Experimente mit roten Blutzellen realistischer machen

Thorsten Mohr Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Um Krankheiten zu verstehen und diagnostische Verfahren zu entwickeln, müssen Experimente möglichst nahe an das biologische Vorbild herankommen. Rote Blutzellen beispielsweise werden idealerweise in der Strömung untersucht, wie sie auch im Körper vorkommt. Bisherige Experiment-Konfigurationen lassen das nur bedingt zu. Ein Forschungskonsortium möchte nun das Verhalten der Blutzellen unter den Bedingungen im Körper untersuchen. Die Europäische Union fördert das Vorhaben mit 4 Millionen Euro.

    Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sind die Lastentiere im Blutkreislauf: Sie transportieren den Sauerstoff zu seinen Einsatzorten im Körper, in die Zellen von Muskeln und Organen. Außerdem transportieren sie das Abfallprodukt Kohlendioxid wieder ab. Wird die Anzahl der roten Blutkörperchen aus dem Gleichgewicht gebracht, fließen die Zellen nicht richtig, werden sie deformiert oder ihre Funktion sonstwie gestört, können die verschiedensten Krankheiten entstehen. Daher ist es von grundlegender Bedeutung zu verstehen, wie sich die roten Blutkörperchen im Blutkreislauf verhalten.

    „Im Körper ist Blut ständig in Bewegung. In der Diagnostik hingegen fast nie“, fasst Professor Lars Kaestner das Problem zusammen, das dem wirklich fundamentalen Verständnis der Blutzellen bisher im Wege steht. „Denn in Blutproben, Reagenzgläsern, auf Objektträgern unter dem Mikroskop fließt Blut nie. Zum Teil sind die Erythrozyten, die dort untersucht werden, sogar schon tot“, so der Biophysiker weiter. Viele Informationen, die sich wahrscheinlich ablesen lassen könnten, wenn das Blut möglichst realitätsnah beobachtet werden könnte, gehen so verloren.

    „Inzwischen werden zwar zunehmend Einzelzell-Untersuchungen gemacht, anders als noch vor 20, 30 Jahren“, erklärt Lars Kaestner den Fortgang der Forschung. „Damals hat man das Blut als Suspension untersucht, mit all seinen Bestandteilen, und dann irgendwie einen Mittelwert dessen gemessen, was einen interessiert hat.“ Heutige Verfahren schauten zwar genauer hin, indem sie eben einzelne Zellen in Augenschein nehmen. „Aber die sehen alle unterschiedlich aus. Die eine Blutzelle kann wenige Stunden alt sein, die andere nahe am natürlichen Lebensende einer Zelle von 120 Tagen liegen“, verdeutlicht er den Unterschied. Und je nachdem, unter welchen Bedingungen eine Zelle sich gerade befindet, verhält sie sich auch unterschiedlich.

    Gemeinsam mit weiteren Partnern aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien und Spanien möchten die Forscher um Lars Kaestner in den kommenden vier Jahren diese Umstände stärker berücksichtigen. Im Projekt „EViDENCE“ (Erythrocytes properties and viability in dependence of flow and extra-cellular environment) haben sie zum einen das Ziel, Blutzellen im Fluss zu untersuchen, also unter möglichst natürlichen Bedingungen.

    „Zweitens möchten wir grundlegend den Blutfluss im Körper verstehen lernen, indem wir ihn mathematisch modellieren“, so Lars Kaestner weiter. Gelingt es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ein mathematisches Modell des Blutflusses zu entwickeln, könnte dieses als Grundlage für viele weitere Forschungen und Versuchsaufbauten dienen, die den Blutfluss und insbesondere das Verhalten der roten Blutkörperchen im Blick haben.

    Konkrete Forschungsziele des Verbundprojektes sind etwa die Entwicklung neuartiger diagnostischer Verfahren, zum Beispiel für seltene anämische Erkrankungen ähnlich der Sichelzellenanämie, die Entwicklung einer künstlichen Milz im Labormaßstab sowie von im Labor hergestellten roter Blutzellen. „Das ist zum Beispiel für Blutkonserven wichtig“, erklärt Lars Kaestner dieses Teilprojekt. Zwar sei es technisch schon heute möglich, künstliche Blutkonserven herzustellen. „Aber eine Konserve kostet dann einige Hunderttausend Euro“, so der Biophysiker. Könnte man dieses Verfahren verbessern und damit die künstlichen Konserven günstiger machen, wären diese eine willkommene Ergänzung zu den natürlichen Blutkonserven, da die künstlichen Konserven somit auch individuell für komplizierte medizinische Fälle hergestellt werden können.

    Die Europäische Union fördert das Vorhaben im Rahmen des „Marie Sk?odowska-Curie actions“-Programm mit vier Millionen Euro. Die Leitung des Forschungskonsortiums liegt bei Professor Dr. Lars Kaestner von der Universität des Saarlandes.

    Weitere Partner:
    Biological Station Roscoff (CRNS), Frankreich
    INSERM, Frankreich
    Universität Zürich, Schweiz
    Universität Bristol, Großbritannien
    Sanquin Blood Supply, Department of Hematopoiesis, Niederlande
    Sanquin Blood Supply, Department of Blood Cell Research, Niederlande
    Nanion, Deutschland
    Erytech Pharma, Frankreich
    R&R Mechatronics, Niederlande
    CTC Research, Deutschland
    Universität Grenoble (CRNS), Frankreich
    Hospital Universitari Vall D'hebron Barcelona, Spanien
    Fundació Institut De Bioenginyeria De Catalunya Barcelona, Spanien


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Lars Kaestner
    Tel.: (0681) 3022417
    Mobil: (0151?) 50611709
    E-Mail: l_kaestner@mx.uni-saarland.de, lars_kaestner@me.com


    More information:

    https://evidence.eurice.eu


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    Prof. Dr. Lars Kaestner
    Prof. Dr. Lars Kaestner
    Foto: Universität des Saarlandes/Thorsten Mohr
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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine, Physics / astronomy
    regional
    Cooperation agreements, Research projects
    German


     

    Prof. Dr. Lars Kaestner


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