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10/30/1998 00:00

Reparaturzellen für das Gehirn

Dorothea Carr Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Wissenschaftler am Institut für Neuropathologie der Universität Bonn verfolgen das Ziel, Nervenzellen aus frühen, embryonalen Vorläuferzellen (sog. embryonalen Stammzellen) in großer Anzahl durch Zellkultur in der Schale zu gewinnen. Die künstlich gewonnenen Nervenzellen sind dazu bestimmt, durch Transplantation in das defekte Nervensystem inkorporiert zu werden und dort die Funktionen von lädierten Zellen zu übernehmen (z. B. bei Schlaganfall, Muliple Sklerose, Alzheimersche oder Parkinsonsche Krankheit). Die Wissenschaftler arbeiten ausschließlich am Tiermodell und können bereits sehr gute Erfolge vorweisen.

    Krankheiten des Gehirns stellen für die Wissenschaft auch heute große ungelöste Probleme dar. Im Gegensatz zu anderen Gewebezellen regenerieren sich Nervenzellen grundsätzlich nicht mehr. Lädierte Zellen sind für immer verloren. Die Folgen dieser Schädigung manifestieren sich als Schlaganfall, Multiple Sklerose, Alzheimersche Krankheit, Parkinsonsche Krankheit und vieles andere mehr. Wissenschaftler in anderen Ländern sind in einigen Fällen dazu übergegangen, Nervenzellen gezielt in die erkrankte Hirnregion zu verpflanzen. Doch das wirft ethische und auch Mengenprobleme auf. Denn hierfür werden Spenderzellen von Feten in großer Anzahl benötigt.

    Hier setzt ein Forschungsprojekt an, das seit über einem Jahr am Institut für Neuropathologie unter Leitung von Prof. Dr. Otmar D. Wiestler angesiedelt ist. Das Projekt unter der Bezeichnung "Neurale Stammzellen: eine neue Perspektive für die Behandlung neurologischer Defizite" erhielt vor kurzem aus dem "Innovationsprogramm Forschung" des Ministeriums für Schule, Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung NRW DM 700.000 als Anschubfinanzierung. Ein Arbeitsteam unter Leitung von Dr. Oliver Brüstle, das vor einem Jahr am Institut gebildet wurde, kann somit seine vielversprechenden Arbeiten im Tiermodell weiter verfolgen.

    Oliver Brüstle verfolgt das Ziel, Nervenzellen aus frühen, embryonalen Vorläuferzellen (sog. embryonalen Stammzellen) in großer Anzahl durch Zellkultur in der Schale zu gewinnen. Diese Technik hat er während eines vierjährigen Aufenthalts an den National Institutes of Health, Bethesda, mit großem Erfolg entwickelt und erprobt. Mit seiner Rückkehr nach Deutschland hat er die Methode an die Bonner Universität gebracht. Hier verfolgt er sein Ziel mit Unterstützung von drei Doktoranden und einer Medizinisch-Technischen Assistentin weiter.

    Die Bonner Wissenschaftler arbeiten ausschließlich am Tiermodell, zur Zeit vorzugsweise mit Nagetieren. Ausgangsmaterial sind embryonale Stammzellen, die kurze Zeit nach der Befruchtung noch in der Lage sind, jede Art von Gewebe, sei es Haut, Knochen, Muskeln oder anderes zu bilden. Hier interessieren zu allererst diejenigen, die als Vorläuferzellen des Nervensystems dienen. Mit Hilfe der von Brüstle entwickelten Technologie können frühe Vorläuferzellen für das Nervensystem in der Zellkulturschale in praktisch unbegrenzten Mengen gewonnen werden. Voraussetzung des Verfahrens ist, die Ausreifung so zu steuern, daß gezielt Nervengewebe in der Kultur entsteht. Diese künstlich gewonnenen Nervenzellen sind dazu bestimmt, durch Transplantation in das defekte Nervensystem inkorporiert zu werden und dort die Funktionen der lädierten Zellen zu übernehmen. In einer in den Proceedings of the National Academy of Sciences USA veröffentlichten Arbeit konnten Brüstle und Mitarbeiter zeigen, daß derartig gewonnene Vorläuferzellen nach Transplantation ins Gehirn einwandern und ausreifen (PNAS 94:414809-14814,1997)

    Erschwerend für die Behandlung neurologischer Erkrankungen ist, daß je nach Krankheitsbild unterschiedliche Zellen des Nervensystems betroffen sein können. Allein die Nervenzellen sind in viele Untergruppen gegliedert, die in ihren Funktionen und Aufgaben voneinander abweichen und verschiedene Botenstoffe benutzen. Im Krankheitsfall, der eine Transplantation erforderlich macht, muß der passende Zelltyp ersetzt werden, um Erfolg zu erzielen. Die gezielte Herstellung verschiedener Typen von Nervenzellen steht momentan im Zentrum der Zellkulturexperimente. Zusätzlich zu den eigentlichen Nervenzellen existieren zwei verschiedene Typen von Stützzellen, die Astrocyten und Oli- godendrocyten. Letztere sind verantwortlich für die Markscheiden. Sie bilden eine Isolierschicht, die sich um den einzelnen Nervenfaserfortsatz legt. Beim häufigen Krankheitsbild der Multiplen Sklerose werden die Markscheiden zerstört. Auf dieses Krankheitsbild möchten sich die Bonner Wissenschaftler in ihren Arbeiten am Tiermodell besonders konzentrieren und können schon handfeste Erfolge vorweisen. "Hier sind wir in der Entwicklung schon sehr weit", versichert Brüstle. In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen die Wissenschaftler beweisen, daß es im Tiermodell möglich ist, durch Transplantation von in der Schale vermehrten Zellen nervlich bedingte Krankheiten zumindest im Experiment mit Ausblick auf Heilung anzugehen.

    Noch sind viele, aus heutiger Sicht schwierige Hürden zu nehmen, um diese Methode auch auf menschliche Krankheiten anzuwenden. Gesetzgeberische und ethische Vorbehalte stellen sich solchen Zukunftsvisionen ebenfalls in den Weg. Prof. Wiestler mag allerdings angesichts der Häufung und Schwere neurologischer Erkrankungen beim Menschen zukünftige Entwicklungen in Richtung auf eine Transplantationsbehandlung mit Vorläuferzellen nicht ausschließen. Doch für die nächsten Jahre heißt es für Prof. Wiestler, Dr. Brüstle und Mitarbeiter: Die vorhandene Technologie ausbauen und verfeinern und den Beweis antreten, daß die Methode im Tiermodell zum überzeugenden Erfolg führt.

    Rückfragen an:
    Prof. Dr. Wiestler, Direktor des Instituts für Neuropathologie,
    Tel.0228/287 6523, Fax 0228/287 4331,
    e-mail: neuropath@uni-bonn.de


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    Criteria of this press release:
    Biology, Information technology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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