Für politische Entscheidungen sind Informationen über die Entwicklung von Kriminalität und die Effektivität ihrer Bekämpfung zentral. Die Statistiken der deutschen Polizeien und der (Straf-)Justiz sind hier einschlägig, weisen aber erhebliche Lücken auf. Datenverknüpfungen zwischen den Statistiken sind nicht möglich. Aufgrund des unvollständigen Zuganges zu den Statistiken kann die wissenschaftliche Forschung ihre Potenziale auch zur Beratung nicht ausschöpfen. Die Veröffentlichung des RatSWD analysiert das (unvollständige) Ineinandergreifen der bestehenden Statistiken und entwickelt Lösungsansätze. Die Analyse richtet sich an Politik, Behörden und die statistikproduzierenden Stellen.
Für eine evidenzbasierte Kriminalpolitik, zur effizienten Ressourcenplanung, zur rechtsstaatlichen Kontrolle, für die Wissenschaft und damit auch für die Information der Öffentlichkeit sind valide, aktuelle und gut ausgebaute Kriminal- und Strafrechtspflegestatistiken unabdingbar. Die Kriminalstatistik beinhaltet beispielsweise die polizeilich registrierten Straftaten. Die Strafrechtspflegestatistiken fassen einen Korpus an Statistiken zusammen, die über die Phasen eines Strafverfahrens hinweg anfallen. Der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) nennt in seiner jüngsten Publikation zentrale Lücken der deutschen Kriminal- und Strafrechtspflegestatistiken und formuliert konkrete Empfehlungen zur Optimierung.
Gegenwärtig gibt es beispielsweise keine bundesgesetzliche Grundlage für eine flächendeckende und einheitliche Erfassung der Strafrechtspflegestatistiken. Der RatSWD begrüßt daher das Bekenntnis zu einem solchen Strafrechtspflegestatistikgesetz im aktuellen Koalitionsvertrag und erwartet dessen Umsetzung. Die Vielzahl an Statistiken, die derzeit Daten zur Kriminalität und Strafrechtspflege enthalten, basiert auf verschiedenen Aufbereitungs- und Erhebungskonzepten und verwenden unterschiedliche Zählweisen. Die Harmonisierung zwischen den Statistiken würde das große Erkenntnispotenzial der aufwendig erstellten Einzelstatistiken erheblich fördern. Durch die Vielzahl nicht verknüpfter Statistiken sind momentan auch keine Analysen möglich, die den Verlauf zwischen Tatverdacht, Verurteilung und ggf. Freilassung oder gar wiederholten Straftaten nachzeichnen können. Der RatSWD empfiehlt die Durchführung einer Machbarkeitsstudie.
Die bestehenden Statistiken könnten mit Daten vervollständigt werden, die bereits jetzt in elektronischer Form erhoben, aber nicht statistisch genutzt werden. Dies betrifft z.B. die Aufnahme von demographischen Angaben zu Beschuldigten und Straftatbeständen, Formen der Sanktionen, Eckdaten zur Vollstreckung von Geldstrafen, Resozialisierungsangeboten, Jugendarrest und eine flächendeckende Statistik zum Maßregelvollzug. Diese pragmatischen Ergänzungen können den evidenzbasierten Umgang mit Kriminalität in Deutschland verbessern.
Die amtlichen Statistiken beschränken sich auf das sog. Hellfeld der Kriminalität. Für eine realistische Einschätzung von Struktur und Entwicklung der Kriminalität sowie zur Erfassung von Kriminalitätsfurcht sind jedoch bundesweite, verstetigte Opferbefragungen erforderlich. Hierdurch werden auch Vorkommnisse erfasst, die nicht zur Anzeige gebracht worden sind (siehe hierzu auch RatSWD Output 2 (6), https://www.ratswd.de/pressemitteilung/22102018 ).
Die unabhängige wissenschaftliche Forschung benötigt einen geregelten und gesicherten Zugang zu den Mikrodaten der genannten Statistiken und der Dunkelfeldbefragungen, um ihr Forschungs- und Beratungspotenzial voll ausschöpfen zu können. Über das etablierte Modell von Forschungsdatenzentren (FDZ) könnte ein datenschutzkonformer Zugang strukturiert werden. Damit würden für die Wissenschaft, für die Sicherheitsbehörden und die gesamte Gesellschaft erhebliches Potenzial für das Verständnis staatlichen Handelns im Bereich der Inneren Sicherheit entstehen.
Der Bericht richtet sich an Forschende, die Politik, Sicherheits- und Justizbehörden, die statistikproduzierenden Stellen wie auch die interessierte Öffentlichkeit. Er steht auf der Webseite des RatSWD zum freien Download zur Verfügung: https://doi.org/10.17620/02671.46
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Der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD)
berät seit 2004 die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in Fragen der Forschungsdateninfrastruktur für die empirischen Sozial-, Verhaltens- und Wirtschaftswissenschaften. Im RatSWD arbeiten acht durch Wahl legitimierte Vertreterinnen und Vertreter der sozial-, verhaltens- und wirtschaftswissenschaftlichen Fachdisziplinen mit acht Vertreterinnen und Vertretern der wichtigsten Datenproduzenten zusammen.
Er versteht sich als institutionalisiertes Forum des Dialoges zwischen Wissenschaft und Datenproduzenten und erarbeitet Empfehlungen und Stellungnahmen. Der RatSWD engagiert sich für eine Infrastruktur, die der Wissenschaft einen breiten, flexiblen und sicheren Datenzugang ermöglicht. Solche Daten werden von staatlichen, wissenschaftsgetragenen und privatwirtschaftlichen Akteuren bereitgestellt.
Der RatSWD hat 34 Forschungsdatenzentren (FDZ) akkreditiert, deren Kooperationen er fördert. | https://www.ratswd.de
RatSWD [Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten] (2020): Weiterentwicklung der Kriminal- und Strafrechtspflegestatistik in Deutschland. RatSWD Output 7 (6). Berlin, Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD). https://doi.org/10.17620/02671.46
https://www.ratswd.de/pressemitteilung/28022020 PM auf der Webseite des RatSWD
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Information technology, Law, Philosophy / ethics, Politics, Social studies
transregional, national
Research results, Science policy
German
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