Besonders geriatrische Patienten könnten die Folgen des Corona-Virus schwer treffen. Viele benötigen im Ernstfall intensivmedizinische Betreuung sowie ambulante Versorgung oder Betreuung im Pflegeheim. „Die Virus-Verbreitung zu verlangsam ist ein erster Schritt, um die Behandlungskapazitäten nicht zu überlasten. Als nächstes muss die Gesundheitspolitik Konzepte entwickeln, sodass weder ambulante geriatrische Dienste in personelle Schieflage geraten noch die Pflegeheime einen Aufnahmestopp verhängen“, sagt Hans Jürgen Heppner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) sowie Chefarzt der Klinik für Geriatrie am Helios Klinikum Schwelm.
Nur mit einem solchen Procedere würden in den Kliniken schnell wieder Behandlungsbetten frei. „Dieser Engpass in der Pflege muss von den Krisenmanagern nun gelöst werden, damit wir Altersmediziner, aber auch die Hausärzte, sich auf die Versorgung der Patienten konzentrieren können.“
Aktuell gehen Experten davon aus, dass zwei Drittel aller Deutschen mit dem Corona-Virus in Kontakt kommen – wobei rund 80 Prozent von ihnen voraussichtlich nur leicht erkranken, weitere 20 Prozent der Betroffenen brauchen die Hilfe eines Arztes. Bei rund sechs Prozent sei eine intensivmedizinische Betreuung notwendig, was in Summe mehr als eine Million Menschen beträfe. „Viele ältere Patienten gehören zur Corona-Risikogruppe. Sie sind auf die Unterstützung und Versorgung von ambulanten Diensten angewiesen. Aber genau diese Pflegedienste kommen durch die aktuellen Kita- und Schulschließungen, Quarantäne und zu erwartende Erkrankungen in den Reihen der Mitarbeiter an ihre Leistungsgrenze“, beobachtet Dr. Anja Kwetkat, Direktorin der Klinik für Geriatrie am Universitätsklinikum Jena und Leiterin der DGG-Arbeitsgruppe „Impfen“, schon jetzt in ihrem Arbeitsumfeld. „Wir befürchten in den ambulanten Pflegebereichen echte Engpässe, die letztendlich wieder zu mehr Krankenhaus-Einweisungen führen, sodass hier Behandlungskapazitäten knapper werden.“
Personalausfall: Konzepte für Injektionen und Wundversorgung benötigt
Kwetkat sieht hier vor allem die gesundheitspolitischen Krisenmanager in der Pflicht, den Engpass in der Pflege frühzeitig zu entzerren: „Lösungen dafür müssen jetzt als nächstes und nicht erst in vier Wochen erarbeiten werden, dann ist die Herausforderung in den Kliniken und bei den behandelnden Ärzten zu bewältigen.“ Insbesondere gelte dies für den Bereich der Behandlungspflege, mit beispielsweise nicht mehr sichergestellten Insulin-Injektionen oder unzureichender Wundversorgung. „Hier wird unbedingt ein Konzept benötigt, falls zu viele Mitarbeiter ausfallen“, sagt Kwetkat. „Sollten sich zu viele ambulante Pflegende abmelden, bleibt den Betroffenen nur der Weg zum Hausarzt – der aktuell ohnehin an die Behandlungsgrenzen stößt.“ Hier gelte es zu prüfen, ob die Pflegestützpunkt-Netzwerke der Bundesländer an dieser Stelle koordinierend unterstützen könnten. „Sicher sind gerade die Patienten, die den ambulanten Pflegedienst brauchen, die Gruppe mit dem höchsten Risiko der Unterversorgung, wenn die Erkrankungsfälle weiter steigen“, sagt Kwetkat.
Entlassmanagement: Kliniken spüren Aufnahmestopp von Pflegeheimen
Ein zusätzliches Problem ergibt sich laut DGG-Experten aus der zunehmend schwieriger werdenden Entlassplanung der Krankenhäuser. „In unserem Umfeld gibt es teils schon jetzt einen Aufnahmestopp für neue Heimbewohner, weil die Einrichtungen nicht wissen, wie es mit ihrem Personal gesundheitlich weitergeht – und mit wieviel Personal sie planen können. Andere Heime möchten zunächst einen negativen Abstrich auf Corona-Viren sehen. Neue Patienten für ambulante Pflegedienste sind kaum noch vermittelbar“, fasst Dr. Anja Kwetkat zusammen. Damit gebe es aber eine Art Rückstau für die Patienten in den Kliniken – was dazu führt, dass nicht genügend freie Betten für neue Corona-Fälle zur Verfügung stehen. „Diesen Teufelskreis der pflegerischen Unterversorgung in Deutschland können wir nur gemeinsam durchbrechen, wenn jetzt die verantwortlichen Krisenmanager und Gesetzgeber gemeinsam an einem Plan zur Pflege und Versorgung der geriatrischen Risikopatienten arbeiten“, unterstreicht DGG-Präsident Hans Jürgen Heppner.
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