Die Herstellung strategisch wichtiger Produkte wird künftig mehr im Inland stattfinden, Unternehmen werden ihre Lieferketten weniger global aufstellen: Das erwartet Prof. Dr. Bernhard Herz, Inhaber des Lehrstuhls für VWL I - Geld und internationale Wirtschaft an der Universität Bayreuth. Der Volkswirtschaftler beschäftigt sich mit Geldtheorie und Geldpolitik sowie internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Er sagt im Interview, grundsätzlich sei die internationale Arbeitsteilung sinnvoll und werde weitergeführt werden. "Fraglich ist allerdings, ob dies im gleichen Ausmaß wie bisher der Fall sein sollte."
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die internationale Wirtschaft?
Prof. Dr. Bernhard Herz: "Das besondere an der Corona-Pandemie liegt darin, dass viele Länder mehr oder weniger gleichzeitig getroffen sind. Um die Bevölkerung zu schützen und eine angemessene Versorgung der Kranken zu gewährleisten, ergreifen diese Länder ähnliche Maßnahmen. Diese Beschränkungen treffen die Wirtschaft sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite. Die Produktionsmöglichkeiten der Unternehmen werden eingeschränkt, wenn die Beschäftigten nicht mehr im vollen Umfang arbeiten können, Home Office kann dieser Effekt mildern, aber nicht ganz vermeiden. In einer globalisierten Welt mit internationalen Lieferketten können sich diese negativen Effekte verstärken, wenn etwa wichtige Vorprodukte in der Produktion fehlen, weil im Ausland nicht produziert wird. Auf der Nachfrageseite gibt es einzelne Branchen, die ganz unmittelbar und sehr stark von staatlichen Beschränkungen und Verboten betroffen sind, z.B. Fluggesellschaften, Kinos und Restaurants. Weiterreichende Folgen für alle könnten sich ergeben, wenn die privaten Haushalte durch die Pandemie so verunsichert werden, dass sie ihre Konsum-ausgaben dauerhaft verringern. Zwar ist nach Auslaufen der Pandemie damit zu rechnen, dass viele dieser aufgeschobenen Anschaffungen nachgeholt werden, dass es also sogar einen Nachkrisenboom geben könnte, unsicher bleibt aber, in welchem Umfang dies der Fall sein wird."
Ist das Anlass, Globalisierung und weltweiten Handel in Frage zu stellen?
"Grundsätzlich ist die internationale Arbeitsteilung sinnvoll und wird weitergeführt werden. Fraglich ist allerdings, ob dies im gleichen Ausmaß wie bisher der Fall sein sollte. Viele Unternehmen werden überprüfen, wie sie sich zukünftig gegen Lieferausfälle besser absichern können. Die Regierung wird entscheiden müssen, inwieweit strategisch wichtige Produkte, etwa bestimmte Arzneimittel, nicht auch im Inland produziert werden sollten."
Treffen uns diese Auswirkungen besonders stark, weil wir in einer globalisierten Welt leben?
"Die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen hätten uns auch in einer Welt ohne Globalisierung getroffen - allerdings fallen heute die Effekte stärker aus. Internationale Lieferketten sind anfälliger bei staatlichen Eingriffen wie Grenzschließungen und bei Produktionsausfällen im Ausland."
Sind die Folgen vergleichbar mit 2008?
"Die Krisenursachen sind heute offensichtlich andere als 2008. Der Ursprung der Finanzkrise lag in Übertreibungen im Finanzsektor und der Schwäche vieler Banken. Es ging damals darum zu verhindern, dass die Probleme nicht auf die Realwirtschaft überschwappen. Jetzt liegen die Probleme in der Realwirtschaft und es kommt darauf, dass daraus keine Probleme für den Bankensektor entstehen. Die bisher vorgeschlagenen Maßnahmen der Bundesregierung, etwa Kreditbürgschaften und Liquiditätshilfen, gehen in die richtige Richtung. Wenn dies gelingt, kann die nun bevorstehende Rezession zwar nicht verhindert werden, allerdings kann ihr Verlauf gemildert werden. Mit dem Abklingen der Pandemie sollte es dann zu einer zügigen Erholung kommen."
Gibt es Grund zur Sorge?
"Selbstverständlich! Neben den schlimmen Folgen für Gesundheit und Leben der Menschen wird es auch zu einem wirtschaftlichen Rückgang kommen. Paradoxerweise wird dieser wohl umso stärker ausfallen, je stärker es gelingt, den Verlauf der Pandemie zu dämpfen und zeitlich zu strecken. Denn dann dauern die Produktionsausfälle länger an, die Unsicherheit der Konsumenten könnte zunehmen. Gleichzeitig ist aber auch klar, wie den Unternehmen und ihren Beschäftigen geholfen werden kann, die Folgen der Krisen besser zu verkraften, etwa Kurzarbeit, Finanzhilfen für Unternehmen, Steuerstundungen und zusätzliche Ausgabenprogramme. Aufgrund der viel kritisierten Politik der schwarzen Null kann die Regierung jetzt klotzen statt nur zu kleckern. An fehlenden Finanzmitteln jedenfalls sollten notwendige Hilfen nicht scheitern."
Prof. Dr. Bernhard Herz
Inhaber des Lehrstuhls VWL I- Geld und internationale Wirtschaft
Universität Bayreuth
Tel.: +49 (0) 921/ 55- 6321
Mail: bernhard.herz@uni-bayreuth.de
http://www.giw.uni-bayreuth.de
Criteria of this press release:
Journalists
Economics / business administration
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results
German
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