Bei der Produktion von Arzneimitteln sind sie unabkömmlich: Chinoline, cyclische Kohlenstoffverbindungen, deren charakteristische Ringstruktur mit einem Stickstoffatom versehen ist. In katalytischen Verfahren werden sie hydriert – und damit in pharmazeutische Wirkstoffe verwandelt. Üblicherweise verwendet die Pharmaindustrie dabei teure Edelmetall-Katalysatoren. Am Rostocker Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT) gelang diese Reaktion jetzt erstmals mit dem Nicht-Edelmetall Mangan. Und zwar bei Raumtemperatur und unter Normaldruck. Das Paper der Doktorandin Veronica Papa erschien in NATURE CATALYSIS.
Als Grundstruktur von medizinischen Wirkstoffen werden Chinoline in einer klassischen chemischen Reaktion, der Hydrierung, modifiziert. Dabei werden Wasserstoffatome an Doppelbindungen addiert, sie verändern so die Struktur dieses Ausgangsstoffs. Das funktioniert bislang nur unter Mitwirkung von Edelmetall-Katalysatoren. „Die sind allerdings teuer und nur begrenzt verfügbar“, sagt Veronica Papa, Hauptautorin des Papers (DOI: 10.1038/s41929-019-0404-6).
Seit Jahren spezialisiert sich der Bereich von LIKAT-Direktor Prof. Dr. Matthias Beller, Papas Doktorvater und Mitautor, deshalb auf Nicht-Edelmetalle, wie Eisen und Mangan. Damit liegt das Leibniz-Institut auf der aktuellen Linie der EU-Kommission, die in einem 2018 veröffentlichten Bericht den Ersatz „kritischer Rohstoffe“ und die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft anmahnt.
Nachteile: Reaktionsbedingungen und Struktur
Nach Eisen ist Mangan von allen sogenannten Übergangsmetallen das dritthäufigste chemische Element der Erdkruste. Dass es für eine so klassische Reaktion wie die Hydrierung bislang vernachlässigt wurde, liegt, wie Veronica Papa erläutert, an den drastischen Bedingungen, die eine Hydrierung von Chinolin erfordern würde: Temperaturen über 100 Grad Celsius und Drücke bis zu 50 bar.
Und es gibt noch eine weitere Hürde zu nehmen: Im Katalysator wird das Metall-Atom – in diesem Fall Mangan – als aktives Zentrum durch ein komplexes molekulares Korsett, sogenannte Liganden, stabilisiert. Der Aufwand, der damit für die Pharmaindustrie verbunden ist, wiegt die Vorteile dieses billigen Materials rasch wieder auf.
Entdeckung per Zufall
Im Rahmen ihrer Doktorarbeit entdeckte Veronica Papa eher zufällig, dass es dieses aufwändigen Korsetts gar nicht bedarf. Sie kam in einem Kontrollexperiment darauf, als sie Mangansalz, handelsüblich aus dem Chemikalienkatalog, ohne die kompliziert strukturierten Liganden in die Reaktionslösung gab. Papa: „Überraschenderweise erzielte diese Reaktion ein gutes Ergebnis.“
Das motivierte sie, in weiteren Experimenten die Bedingungen dieser Reaktion zu optimieren. Inzwischen schafft das schlichte Mangansalz die Hydrierung unter milden Bedingungen: Normaldruck (1 bar) und Raumtemperatur – ein Novum für die Fachwelt. Veronica Papa konnte nachweisen, dass der Mangan-Katalysator in der Reaktion funktionale Molekülgruppen in der Ausgangssubstanz verschont. Das bedeutet, er ist für die gesamte Stoffklasse der Chinoline, einschließlich der Abkömmlinge, verwendbar.
Dr. Kathrin Junge, Arbeitsgruppenleiterin von Veronica Papa und Mitautorin, erläutert: „Der Produzent braucht den Katalysator nicht für jeden neuen Wirkstoff wieder neu zu entwickeln, sondern kann ihn jederzeit quasi billig von der Stange bekommen.“
Zwischenstufen isoliert
Wenn etwas im Labor auf überraschende Weise funktioniert, wollen es Chemiker gern genauer wissen. Wie kann ein so schlichter Katalysator eine komplexe Reaktion steuern? Für eine Antwort darauf hat Veronica Papa den Reaktionsmechanismus dieser Hydrierung erkundet. Sie entdeckte dabei, dass der Mangan-Katalysator während der Reaktion mehrfach seine Struktur verändert und Zwischenstufen ausbildet.
Für diese Erkenntnis musste sie den Reaktionszyklus, der in einer Lösung im laborüblichen Schlenkgefäß kontinuierlich abläuft, immer wieder „anhalten“. Das gelang ihr, indem sie unter definierten Bedingungen und „mit ein bisschen Glück“, wie sie sagt, die Zwischenstufen im Reaktionsgefäß kristallisieren ließ. Die so isolierten Kristalle wurden am Institut mittels Röntgen-Kristallstrukturanalyse vermessen und geben Hinweis auf den Aufbau des Katalysators auf molekularer Ebene.
Pas de trois mit Tutu
Bislang sind drei Zwischenstufen nachgewiesen, die der Mangan-Katalysator sozusagen während seiner Arbeit einnimmt. Um sich räumlich ein Bild von der Struktur ihrer Ergebnisse zu machen, stellen Chemiker sie üblicherweise in Strukturformeln dar, was oftmals ihre Phantasie anregt. Veronica Papa erinnerten die Strukturformeln des Mangan-Katalysators und seiner Zwischen-stufen an ausgebreitete Ballet-tröckchen. So kam ihr die Idee eines Pas de trois, die sie für die Illustration ihres Papers nutze.
Dr. Kathrin Junge
https://doi.org/10.1038/s41929-019-0404-6
Illustration der Manganverbindungen als "Pas de Trois"
LIKAT
None
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Journalists
Chemistry, Medicine
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results
German
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