idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/27/2020 11:00

Paläopathologische Untersuchungen an Fischsauriern aus der Zeit der Trias und des Juras.

Meike Rech Presse
Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart

    Wurde das Leben in den Urzeitmeeren im Laufe der Jahrmillionen zunehmend gefährlicher? Dieser Frage sind WissenschaftlerInnen des Naturkundemuseums Stuttgart und der Universität Uppsala in Schweden nachgegangen und haben dafür hunderte von Fischsaurierfossilen aus der Zeit der Trias vor 240 Millionen Jahren und der Zeit des Jurameeres vor ca. 180 Millionen Jahren untersucht. Die Forscher hatten in den Museumssammlungen bemerkt, dass die an den Skeletten der Fossilien sichtbaren Verletzungen -Pathologien- zum großen Teil ähnlich sind. Sie waren daraufhin überzeugt, durch genaue Analysen der Knochen mehr über die Biologie der Meeresreptilien des Erdmittelalters herausfinden zu können.

    In einem von der DFG geförderten Forschungsprojekt untersuchten sie, welche Faktoren den größten Einfluss auf die Verletzungen von Meeresreptilen hatten. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.

    Das Naturkundemuseum Stuttgart verfügt über eine weltweit bedeutende Ichthyosaurier-Sammlung mit zahlreichen Individuen aus der Zeit des Juras in Südwestdeutschland. Hier begannen die Stuttgarter Fischsaurierexpertinnen, Dr. Erin Maxwell und Dr. Judith Pardo-Pérez sowie der Wirbeltierpaläontologe Dr. Ben Kear aus Uppsala in Schweden mit ihrer Forschungsarbeit. Durch die exzellenten Erhaltungsbedingungen im Posidonienschiefer verraten die Fossilien viel über das Aussehen der ausgestorbenen Meeressaurier. Auch Spuren von Knochenbrüchen, Krankheiten und Skelettschäden sowie verheilte Bissspuren blieben erhalten. Die WissenschaftlerInnen kategorisierten bei über 100 Fossilien der Stuttgarter Sammlung die Art und Verteilung dieser Verletzungen und stellten fest, dass diese nicht zufällig waren. Beispielsweise zeigten ein Viertel der Schädel des Topräubers im Jurameer, Temnodontosaurus, Bisspuren von Artgenossen. Auch der kleinere Fischsaurier Stenopterygius zeigte diese Verletzungen. Gebrochene, aber verheilte oder im Heilungsprozess befindliche Rippen wurden bei allen Arten gefunden.

    Die ForscherInnen fragten sich auf dieser Grundlage, ob das gleiche Bild in früheren Zeitperioden, wie der Trias (vor 240 Millionen Jahren) auch zu finden sei. Skelettverletzungen und -krankheiten bei triassischen Meeresreptilien wurden bis dato in der Literatur selten beschrieben. War das ein Indiz dafür, dass das Leben in den Urzeitmeeren im Lauf der Jahrmillionen, zum Beispiel durch Fressfeinde, immer gefährlicher wurde? Um diese Frage zu beantworten, analysierten sie das Ausmaß und die Art der Skelettschäden bei weiteren 200 Ichthyosauriern der Fundstelle Monte San Giorgio aus der Mitteltrias in Sammlungen in Zürich und Mailand. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden daraufhin statistisch ausgewertet. Der Monte San Giorgio ist die bedeutendste Fundstelle für marine Fossilien der Mitteltrias und wurde von der UNESCO zum Welterbe ernannt.

    „Im Hinblick auf die Biologie und das Verhalten der Tiere sind die Resultate unserer Beobachtungen besonders interessant. Insgesamt waren Skelettverletzungen bei triassischen und jurassischen Arten in ähnlicher Zahl vorhanden. Trias-Ichthyosaurier waren also nicht gesünder als ihre Verwandten aus dem Jura“, so Dr. Erin Maxwell.

    Die WissenschaftlerInnen schließen damit aus, dass die Konkurrenz und der Prädationsdruck in der Meeresumwelt von Trias und Jura im Laufe der Jahrmillionen an Intensität zugenommen haben.

    Der Vergleich der am häufigsten vorkommenden Ichthyosaurier aus beiden Zeitperioden - Mixosaurus aus der Trias und Stenopterygius aus dem Jura - zeigt allerdings, dass sich die Skelettverletzungen unterscheiden. Bei Mixosaurus konzentrieren sich diese auf die Hinterflosse und den Schwanz. Stenopterygius weist hier die wenigsten Verletzungen auf, stattdessen im Rumpfbereich und an den Vorderflossen die meisten. Die WissenschaftlerInnen interpretieren die beobachteten Unterschiede in der Verteilung der Verletzungen als Folge von Änderungen der Körperform und des Schwimmstils. Die 240 Millionen Jahre alten Trias-Ichthyosaurier hatten eine länglichere Form mit kleiner Schwanzflosse. Diese war für traumatische Verletzungen und Gelenkerkrankungen anfällig. Bei Ichthyosauriern aus dem Jura hingegen, wird die Schwanzflosse mit Weichgeweben stabilisiert. Daher führen mechanische Beanspruchungen, die diese Region betreffen, nicht zu Gelenkbelastungen.

    Eine ähnliche Ursache vermuten die ExpertInnen für die hohe Häufigkeit gebrochener und wieder geheilter Rippen bei Stenopterygius, die bei Mixosaurus nicht beobachtet wurden. Schnelleres, weniger aalähnliches Schwimmen erhöht die Wirksamkeit des Rammverhaltens und damit die Wahrscheinlichkeit von traumatischen Verletzungen des Rumpfes der Fischsaurier. Die Verletzungen ergeben sich aus Kämpfen zwischen Tieren derselben Art sowie fehlgeschlagenen Versuchen, sich Beute abzunehmen.

    Die WissenschaftlerInnen schließen aus ihrer Forschungsarbeit, dass Änderungen des Ichthyosaurier-Bauplans einen größeren Einfluss auf die Art und Häufigkeit der beobachteten Pathologien haben als Änderungen auf der Ökosystemebene. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden nun in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.


    Original publication:

    Pardo-Pérez, J.M., Kear, B.P. & Maxwell, E.E. 2020. Skeletal pathologies track body plan evolution in ichthyosaurs. Scientific Reports 10, 4206.
    doi: https://doi.org/10.1038/s41598-020-61070-7


    More information:

    http://www.naturkundemuseum-bw.de
    https://smnstuttgart.com/


    Images

    Das Fossil des Fischsauriers Stenopterygius, der vor 180 Millionen Jahren in Baden-Württemberg lebte.
    Das Fossil des Fischsauriers Stenopterygius, der vor 180 Millionen Jahren in Baden-Württemberg lebte ...
    SMNS, M. Eklund
    None

    Ein Modell des Fischsauriers Mixosaurus im Naturkundemuseum Stuttgart
    Ein Modell des Fischsauriers Mixosaurus im Naturkundemuseum Stuttgart
    SMNS, T. Wilhelm
    None


    Attachment
    attachment icon Pressemitteilung: Paläopathologische Untersuchungen an Fischsaurier, SMNS

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Das Fossil des Fischsauriers Stenopterygius, der vor 180 Millionen Jahren in Baden-Württemberg lebte.


    For download

    x

    Ein Modell des Fischsauriers Mixosaurus im Naturkundemuseum Stuttgart


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).