Kinder bestimmter Altersstufen werden nach den neuesten Beschlüssen der Regierung vielleicht erst wieder im August in die Schule zurückkehren. Dann sind seit Beginn der Coronakrise fünf Monate vergangen. Nicht alle Kinder werden diese lange Zeit ohne Lerndefizite überstehen, sind sich Expertinnen und Experten des wissenschaftlichen Beirats für Familienangelegenheiten sicher.
Prof. Dr. Birgit Leyendecker, die an der Ruhr-Universität Bochum die Arbeitsgruppe Familienforschung leitet, regt daher gemeinsam mit anderen Experten und Expertinnen aus dem Beirat an, über eine Neugestaltung der Sommerferien nachzudenken. So könne man die üblichen sechs Wochen beispielsweise reduzieren, damit die Kinder und Jugendlichen ausreichend Zeit haben, um mithilfe von Unterstützungsangeboten eventuell entstandene Lerndefizite aufzuholen.
Sommerferien anders denken - Handlungsspielräume für Familien schaffen
"Die Pandemie verstärkt sehr wahrscheinlich bestehende soziale Ungleichheiten in Deutschland und belastet Familien höchst unterschiedlich. Darum brauchen Kinder und Jugendliche in diesem Sommer vielfältige Angebote, damit sie gut in das neue Schuljahr starten können. Dies wäre ein notwendiger Beitrag nicht nur zur Bildungsgerechtigkeit, sondern auch zur Familiengerechtigkeit", erklärt Birgit Leyendecker. Eine Diskussion zur kreativen Nutzung und Umgestaltung des Sommers 2020 solle deshalb kein Tabu sein.
Coronakrise verschärft soziale Unterschiede
Die Coronakrise habe somit bereits jetzt das Potenzial, sozial bedingte Unterschiede weiter zu verschärfen und die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen ungleich zu schwächen. Denn es sei nach den sogenannten Coronaferien die Verschärfung eines Effekts zu erwarten, der aus Bildungsforschung und Schulpraxis seit Langem bekannt ist: Die Bildungsschere zeigt sich nach den Sommerferien besonders drastisch.
Unterschiede im Bildungsniveau werden durch die Zwangspause verstärkt
Während Schülerinnen und Schüler aus Haushalten mit vergleichsweise wenig Ressourcen viel Zeit benötigen, um das vorher Gelernte zu aktivieren, können Kinder und Jugendliche aus ressourcenstarken Haushalten über die Ferien ihren Wissensstand halten oder sogar noch ausbauen. "Normalerweise reduzieren sich diese Unterschiede im Laufe des Schuljahres. Die unterschiedlichen Kapazitäten in den Familien werden jedoch dazu führen, dass Unterschiede durch die durch Corona hervorgerufene Zwangspause noch weiter verstärkt werden", so Leyendecker. Die Familienforscherin empfiehlt daher: "Wir brauchen im Sommer und bis in den Herbst hinein ein breit angelegtes Bildungs- und Begleitungsangebot von guter Qualität und dafür eine breit angelegte gesellschaftliche Solidarität."
Erholung ja, aber nicht unbedingt sechs Wochen lang
Alle Kinder und Jugendliche brauchen Zeit mit ihrer Familie, für Erholung und selbstbestimmte Aktivitäten, aber in diesem Jahr müssten es nach Meinung des Expertengremiums vielleicht nicht sechs Wochen sein. Viele Kinder und Jugendliche seien nach der abrupt eingeleiteten Phase des Homeschoolings angewiesen auf gezielte Lernangebote, auf Unterstützung in einzelnen Fächern, auf kreatives Üben und Wiederholen.
Auch Eltern seien in diesen Ferien auf andere Unterstützung angewiesen als sonst: So hätten viele von ihnen nicht mehr genügend Urlaubstage für gemeinsame freie Zeit. Mütter und Väter benötigten darüber hinaus eine Entlastung von der Sorge, dass ihr Kind im neuen Schuljahr den Anschluss nicht finden könnte, weil zu viel versäumt wurde.
Prof. Dr. Birgit Leyendecker
AG Familienforschung
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
E-Mail: birgit.leyendecker@rub.de
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Journalists
Social studies, Teaching / education
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Schools and science
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