Wie mit Hilfe eines kleinen Moleküls der Zuckerstoffwechsel in Pflanzen beeinflusst wird
Pflanzen verwenden in einem als Fotosynthese bezeichneten Prozess die Energie des Sonnenlichts dazu, um aus Wasser und Kohlendioxid, Zucker und Sauerstoff zu erzeugen. Der auf diese Weise gebildete Zucker muss einerseits vom Ort der Entstehung zum Ort des Verbrauchs transportiert werden, andererseits dient er aber auch als Ausgangsstoff für die Bildung von Reservestoffen. Franziska Fichtner, John Lunn und Kolleg*innen aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Mark Stitt vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm erforschen gemeinsam mit Wissenschaftler*innen internationaler Forschungseinrichtungen ein kleines Molekül, das ähnlich dem Insulin beim Menschen, den Zuckerstoffwechsel, den Zuckertransport und die Reservestoffbildung in Pflanzen reguliert.
Aufgabe von Insulin bei Mensch und Tier
Insulin ist ein Hormon, dessen Aufgabe in Menschen und Tieren es ist, den Kohlenhydratstoffwechsel zu regulieren. Nach dem Verzehr von zuckerhaltigen oder stärkehaltigen Lebensmitteln steigt der Blutzuckerspiegel an und löst die Ausschüttung von Insulin ins Blut aus. Dies ist ein Signal für die Muskeln und andere Zellen, Glukose aufzunehmen. Überschüssiger Zucker, der dort nicht direkt zur Energiegewinnung benötigt wird, wird in Form von Glykogen in der Leber oder aber in der Muskulatur gespeichert. Wenn der Blutzuckerspiegel sinkt, löst ein anderes Hormon, Glucagon, die Umwandlung dieser Speicherreserven zurück in Glucose aus. Zusammen halten diese beiden Hormone einen optimalen Glukosespiegel im Blut aufrecht.
Pflanzen müssen auch ihren Zuckerstoffwechsel regulieren, um einerseits sicherzustellen, dass sie nachts - wenn eine Photosynthese nicht möglich ist - nicht verhungern, und um andererseits ihre Kohlenhydratversorgung für Wachstum und Fortpflanzung optimal zu nutzen. Pflanzen haben jedoch kein Insulin. Wie regulieren sie ihren Zuckerstoffwechsel, den Zuckertransport und die Reservestoffspeicherung?
Wie regulieren Pflanzen ihren Zuckerhaushalt?
Seit längerer Zeit arbeiten Forscher*innen am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam daran dieses Rätsel zu lösen. John Lunn erläutert dazu: „Wir haben entdeckt, dass ein kleines Molekül namens Trehalose-6-phosphat (T6P) in Pflanzen eine ähnliche Rolle wie Insulin beim Menschen einnimmt.“ T6P ist ein Zwischenprodukt bei der Synthese eines Zuckers namens Trehalose. Trehalose kommt in Bakterien, Pilzen und niederen Tieren vor und dient dort als Transportmittel und Speicher für Zucker, sowie als Stress-Schutzmittel. Trehalose gibt es aber auch in niederen Pflanzen, wie Moosen und Algen, wo sie sich diese Funktionen mit einem chemisch ähnlichem Zucker teilt, der Saccharose. In der Entwicklung der höheren Pflanzen wurde Trehalose weitgehend durch Saccharose ersetzt, die die Funktionen von Trehalose übernahm. Der Biosyntheseweg zur Herstellung von Trehalose wurde aber trotzdem beibehalten. Das dabei entstehende T6P übernahm zunehmend eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Zuckerstoffwechsels und der Pflanzenentwicklung. Die Übernahme einer neuen Funktion wie sie für T6P stattgefunden hat, wird als „Neofunktionalisierung“ bezeichnet.
Vergleichbar der Insulinausschüttung bei Mensch und Tier, als Reaktion auf einen hohen Blutzuckerspiegel, steigt der T6P-Spiegel bei steigendem Saccharose-Gehalt in Pflanzen an. Wenn die Pflanze während der Photosynthese zu viel Saccharose produziert, sorgt der T6P Anstieg in den Blättern dafür, dass ein Teil des neu fixierten Kohlenstoffs dafür genutzt wird um organische Säuren und Aminosäuren zu bilden. Nachts, wenn Saccharose aus den über den Tag angelegten Stärkereserven hergestellt wird, hemmt ein hoher T6P-Wert den Stärkeabbau. So wird verhindert, dass die Pflanze mehr Saccharose herstellt, als sie für ihr Wachstum verwenden kann. In den wachsenden Teilen der Pflanze signalisiert der T6P-Spiegel, wie viel Saccharose für das Wachstum und die Akkumulation von Speicherreserven verfügbar ist. Franziska Fichtner fügt hinzu: „Wir wissen, dass T6P auch Entwicklungsübergänge wie die Sprossverzweigung und den Blühzeitpunkt beeinflusst, die den zukünftigen Zuckerbedarf der Pflanze bestimmen. Zum Beispiel führt das Blühen der Pflanze zur Samenbildung, die viel Zucker und Energie benötigt, damit die Samen wachsen und reifen können.“ Durch die Verknüpfung der Entwicklung mit der Zuckerversorgung hilft T6P den Pflanzen, den Samenertrag zu maximieren, ohne dass der Kohlenstoff ausgeht, bevor die Samenproduktion abgeschlossen ist.
Untersuchung der Regulation des Zuckerhaushalts mit Hilfe von Mutanten
Die insulinähnliche Funktion von T6P bei der Signalübertragung und Regulierung des Saccharose-Spiegels in Pflanzen ist mittlerweile gut bekannt. Es fehlte jedoch ein detailliertes Wissen darüber, wie die T6P-Signalübertragung funktioniert und wo sie stattfindet. In ihrem Artikel, der gerade in der renommierten Zeitschrift "The Plant Cell" veröffentlicht wurde, haben Dr. Fichtner und ihre Kollegen einen wichtigen Schritt zur Beantwortung dieser Fragen getan. T6P wird durch das Protein Trehalose-6-Phosphat-Synthase 1 (kurz TPS1) hergestellt (synthetisiert). Die Funktion von TPS1 wurde in Arabidopsis thaliana untersucht, der Modellpflanze vieler Pflanzenforscher. Um das TPS1-Protein zu „markieren“, nutzen die Forscher sowohl einen fluoreszierenden als auch einen enzymatischen Marker, wodurch das Protein unter dem Mikroskop sichtbar wird und so seine Position in der Pflanze preisgibt. "Wir waren zunächst sehr überrascht, dass sich das TPS1-Protein in den Regionen des Blattes befindet, in denen Saccharose in das Phloem transportiert wird, man könnte von „Phloem-Ladezonen“ sprechen“, erklärt Dr. Fichtner. „Das Phloem wiederum kann man sich vorstellen, wie eine Pipeline, in der Zucker transportiert wird. Es verbindet die Teile des Blattes, in denen Saccharose hergestellt wird, mit den wachsenden Teilen der Pflanze, in denen Saccharose verbraucht wird. Somit sind diese Phloem-Ladezonen ein strategisch wichtiger Ort für die Überwachung, wie viel Zucker hergestellt wird und wie viel verbraucht wird“, fügt John Lunn hinzu. Als nächstes fragten die Wissenschaftler, welche Teile des TPS1-Proteins notwendig sind, damit die T6P-Signalübertragung korrekt funktioniert. Zu diesem Zweck modifizierten sie das TPS1-Gen, das für die Bildung des TPS1-Proteins zuständig ist, auf verschiedene Weise und führten die modifizierten Genvarianten in Arabidopsis-Mutanten ein, die nicht richtig wachsen, da sie das TPS1-Protein nicht bilden können. Einige dieser eingeführten Varianten des TPS1-Gens ließen die Pflanzen normal wachsen, andere nicht. Diese Experimente zeigten, dass zusätzlich zum katalytischen Zentrum andere Teile des TPS1-Proteins benötigt werden, damit die T6P-Signalübertragung ordnungsgemäß funktioniert. Einige dieser Pflanzen können mit Diabetikern verglichen werden, da sie, wie die an Diabetes erkrankten Menschen, ihren Zuckergehalt nicht richtig regulieren können. Diese Pflanzen werden verwendet, um genauer zu untersuchen, wie der Zuckerstoffwechsel durch T6P gesteuert wird und warum es für die Pflanze so katastrophal ist, wenn dieses System nicht richtig funktioniert.
Dr. Franziska Fichtner
Seit Januar 2020
University of Queensland
f.fichtner@uq.edu.au
Dr. John Lunn
Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzen Physiologie
Tel. +331 567 8171
Lunn@mpimp-golm.mpg.de
Franziska Fichtner, Justyna Jadwiga Olas, Regina Feil, Mutsumi Watanabe, Ursula Krause, Rainer Hoefgen, Mark Stitt, John E. Lunn
Functional features of TREHALOSE-6-PHOSPHATASE1 – an essential enzyme in Arabidopsis thaliana.
The Plant Cell, April 2020, DOI: https://doi.org/10.1105/tpc.19.00837
Schema der Saccharosesynthese und des Saccharosetransports im Blatt und Lokalisierung des T6P-synthe ...
Franziska Fichtner
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Schema der Saccharosesynthese und des Saccharosetransports im Blatt und Lokalisierung des T6P-synthe ...
Franziska Fichtner
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