Für selbstbefruchtende Pflanzen kann es vorteilhaft sein, weniger Samenzellen zu produzieren. Eine internationale Studie unter der Leitung der Universität Zürich hat in der Modellpflanze Arabidopsis ein Gen identifiziert, das die Pollenzahl reduziert. Die Ergebnisse unterstützen die Evolutionstheorie und könnten dazu beitragen, die Pflanzenzüchtung und Domestizierung in der Landwirtschaft zu optimieren.
Bereits im 19. Jahrhundert erkannte Charles Darwin, dass die Zahl der männlichen Keimzellen – Pollen bei Pflanzen, Spermien bei Tieren – stark zwischen Individuen und Arten variiert. Auf den ersten Blick erscheint eine grosse Anzahl an männlichen Keimzellen vorteilhaft für Männchen beim Wettbewerb, möglichst viele Nachkommen zu produzieren. Trotzdem haben viele domestizierte Arten eine verminderte Anzahl an männlichen Keimzellen. Theoretisch könnte es Vorteile bringen, den Aufwand für die Produktion männlicher Keimzellen niedrig zu halten – beispielsweise, wenn weniger Keimzellen für eine erfolgreiche Fortpflanzung nötig sind, weil die Rate an Selbstbefruchtung oder Inzucht hoch ist.
Analyse des Erbguts bei Selbstbefruchtung
«Bisher gab es nur wenig Beweise für diese Idee, da die Produktion männlicher Keimzellen ein komplexes Merkmal ist. Es wird von vielen Genen mit jeweils kleinen Effekten beeinflusst und die molekulare Grundlage war nicht bekannt», sagt Kentaro Shimizu, Professor für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften an der Universität Zürich (UZH). Eine internationale Studie unter seiner Leitung liefert nun einen solchen Beweis. Sie hat gezeigt, dass eine Verringerung der Pollenzahl bei einer Art, die sich selbst befruchtet, nicht unbedingt schädlich, sondern eher vorteilhaft ist.
Für ihre Untersuchung verwendeten die Forschenden die gut charakterisierte Modellpflanze Arabidopsis thaliana, die sich hauptsächlich selbst befruchtet und im Vergleich zu ihren Verwandten in der freien Natur eine geringere Anzahl an Pollen aufweist. Sie zählten die Pollen von 144 Einzelpflanzen, die sich genetisch leicht unterscheiden, und fanden Unterschiede von 2'000 bis 8'000 Pollen pro Blüte. Dann verglichen sie die gesamte genetische Information aller Pflanzenindividuen und suchten nach Unterschieden zwischen Pflanzen mit höheren und niedrigeren Pollenzahlen.
RDP1-Gen steuert Pollenproduktion
Diese Computeranalyse, eine so genannte genomweite Assoziationsstudie, führte zur Identifizierung eines Gens, das die Zahl der Pollen beeinflusst, die jede Pflanze produziert. Die Forschenden gaben dem Gen anschliessend den Namen Reduced Pollen Number1 (RDP1). Mit Hilfe der neuartigen CRISPR-Cas9 Technology zum Editieren von Genen erzeugten die Forschenden dann mehrere mutierte Varianten des RDP1-Gens, sowohl in Pflanzen mit hoher als auch mit niedriger Anzahl an Pollen. Sie kreuzten die mutierten Pflanzen miteinander und zählten die Pollen, die die gemischten Nachkommen produzierten. «Diese Experimente bestätigten den subtilen, aber signifikanten Effekt des RDP1-Gens», sagt Co-Autorin Misako Yamazaki, technische Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe von Shimizu. Ein Vergleich mit anderen Organismen ergab, dass das Gen für einen Faktor kodiert, der den Aufbau von Ribosomen – den zellulären Fabriken für die Proteinherstellung – begünstigt.
Weniger Pollen, höhere Fitness
Als nächstes untersuchte das Team, ob die verminderte Anzahl an Pollen tatsächlich das Resultat einer positiven Selektion ist und nicht nur durch Zufall auftritt. Hierfür verwendeten sie eine statistische Methode, um einen Einblick in die Evolution des RDP1-Gens innerhalb von Modellpflanzen mit unterschiedlicher Pollenproduktion zu erhalten. Die Ergebnisse zeigten, dass das Merkmal für die reduzierte Pollenzahl tatsächlich positiv selektiert wird.
Darüber hinaus untersuchte das Forschungsteam die Evolution der vielen Regionen im Erbgut, die mit der Anzahl an Pollen assoziiert sind. Die Selektion auf die Pollenzahl war sehr stark – verglichen mit mehr als 100 Merkmalen wie Krankheitsresistenz und Umweltreaktionen, die in früheren Studien ermittelt wurden. Dies unterstreicht die Bedeutung der Pollenzahl für den Erfolg bei der Fortpflanzung.
Optimierte Befruchtung in der Landwirtschaft
«Die Erkenntnisse unterstützen die theoretische Vorhersage, dass eine geringere Investition in männliche Keimzellen von Vorteil ist. Dies ist nicht nur wichtig für die Evolutionsbiologie, sondern auch allgemein für die praktische Anwendung in der Pflanzenzucht und im Anbau», erklärt Shimizu. «Viele Nutzpflanzen haben aufgrund der Domestizierung eine reduzierte Anzahl von Pollen. Eine Senkung der Kosten für die Produktion von Pollen könnte den Ernteertrag steigern. Andererseits könnten zu wenige Pollenkörner aber auch die Züchtung und Saatgutherstellung behindern. Unsere Studie öffnet den Weg für die molekulare Züchtung der optimalen Zahl an Pollen».
Prof. Dr. Kentaro K. Shimizu
Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 67 40
E-Mail: kentaro.shimizu@ieu.uzh.ch
Takashi Tsuchimatsu, Hiroyuki Kakui, Misako Yamazaki, Cindy Marona, Hiroki Tsutsui, Afif Hedhly, Dazhe Meng, Yutaka Sato, Thomas Städler, Ueli Grossniklaus, Masahiro M. Kanaoka, Michael Lenhard, Magnus Nordborg and Kentaro K. Shimizu. Adaptive reduction of male gamete number in the selfing plant Arabidopsis thaliana. Nature Communications. 8 June 2020. DOI: 10.1038/s41467-020-16679-7
https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2020/Pollenzahl.html
Die Pflanzenart Arabidopsis thaliana wird weltweit als Modellorganismus in der Forschung eingesetzt.
Misako Yamazaki
Universität Zürich
Reife Staubbeutel von Arabidopsis thaliana: Im Vergleich zum Wildtyp (links) enthält die rdp1-Mutant ...
Hiroyuki Kakui
Universität Zürich
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
Die Pflanzenart Arabidopsis thaliana wird weltweit als Modellorganismus in der Forschung eingesetzt.
Misako Yamazaki
Universität Zürich
Reife Staubbeutel von Arabidopsis thaliana: Im Vergleich zum Wildtyp (links) enthält die rdp1-Mutant ...
Hiroyuki Kakui
Universität Zürich
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