Moralische Ansprüche spielen bei wirtschaftlich relevanten Entscheidungen eine weitaus größere Rolle, wenn sie allein verantwortet werden. Diesen Zusammenhang hat ein Forschungsteam um den Bonner Ökonomen Armin Falk in Verhaltensexperimenten mit mehreren hundert Teilnehmern nachgewiesen. Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen eher bereit sind, für einen finanziellen Gewinn den Tod einer Maus in Kauf zu nehmen, wenn die Entscheidung in einem Gruppenkontext getroffen wird. Falks gemeinsam mit Thomas Neuber von der Universität Bonn und Nora Szech vom Karlsruher Institut für Technologie verfasste Studie ist in der Fachzeitschrift Review of Economic Studies erschienen.
Im Hauptexperiment stellten die Forscher über 250 Probanden vor die moralische Entscheidung, auf einen in Aussicht gestellten Geldbetrag von zehn Euro zu verzichten und damit das Leben einer Maus zu retten – oder aber das Geld zu nehmen und die Maus zu opfern.
Bei den Tieren handelte es sich um sogenannte „überzählige Mäuse“ in ausländischen Forschungslaboren, die alle eingeschläfert worden wären. Durch das Experiment wurde also keine zusätzliche Maus getötet, sondern im Gegenteil viele Mäuse gerettet. Entschied sich eine Testperson dafür eine Maus zu retten, wurde die Maus von den Leitern der Studie gekauft. Die geretteten Mäuse leben unter bestmöglichen Laborbedingungen und medizinischer Versorgung weiter.
Etwa die Hälfte der Probanden konnte eigenständig über das Leben einer Maus entscheiden. Die andere Hälfte wurde in Gruppen von acht Personen eingeteilt, die jeweils acht Mäuse retten konnten, wenn alle Mitglieder der Gruppe zeitgleich das Geld ablehnten. Entschied sich eine Person innerhalb der Gruppe für das Geld, wurden alle acht Mäuse getötet.
Das Ergebnis: Bei den Einzelentscheidungen wählten 46 Prozent der Testpersonen das Geld und den Tod der Maus. Bei den Entscheidungen als Teil einer Gruppe entschieden sich mehr als 58 Prozent dafür, das Geld zu nehmen. Das führte dazu, dass im Gruppenkontext keine der Mäuse überlebten.
Die Forscher erklären ihren Befund damit, dass unmoralische, eigennützige Entscheidungen leichter fallen, wenn die Einzelperson glaubt, selbst für das Resultat nicht ausschlaggebend zu sein, also die Konsequenzen ohnehin nicht maßgeblich beeinflussen zu können. So entschieden sich im Gruppenkontext mehr als 82 Prozent der Probanden, die ihren Einfluss auf das Ergebnis „gleich null“ einschätzten, für das Geld und gegen das Leben der Mäuse.
In einer Variante des Experiments, in der es um die Wahl zwischen einem persönlichen Geldgewinn und einer gemeinnützigen Spende für krebskranke Kinder ging, bestätigte sich der Befund. Allein vor die Entscheidung gestellt, verzichteten 58 Prozent der Teilnehmer zugunsten der Spende auf das Geld. Als Teil einer Gruppe verhielten sich nur noch 40 Prozent prosozial.
„Sobald die Verantwortung diffus wird, rücken moralische Erwägungen eher in den Hintergrund. Das zeigt sich auch im realen Leben bei vielen Entscheidungen zwischen Gewinn und Moral, beispielsweise im Abgasskandal“, erklärt Armin Falk, der das briq-Institut für Verhalten und Ungleichheit leitet. Um zu vermeiden, dass die Moral bei wirtschaftlichen Entscheidungen auf der Strecke bleibe, sollten Verantwortlichkeiten daher klar definiert sein und Entscheidungsträger möglichst individuell in der Verantwortung stehen, so die Schlussfolgerung der Studie.
Prof. Dr. Armin Falk
briq Institute on Behavior & Inequality
Tel.: (0228) 3894-701
E-Mail: armin.falk@briq-institute.org
Falk, A., Neuber, T. & Szech, N. (2020). Diffusion of Being Pivotal and Immoral Outcomes. The Review of Economic Studies, rdz064. https://doi.org/10.1093/restud/rdz064
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
Economics / business administration, Politics, Psychology, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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