Die Anpassungsfähigkeit an Trockenheit und hohe Sonneneinstrahlung ermöglichte Schmuckalgen die Landbesiedelung vor etwa 600 Millionen Jahren
Eines der bedeutsamsten Ereignisse in der Geschichte des Lebens auf der Erde fand vor etwa 500 Millionen Jahren statt, als eine Süßwasseralge die Fähigkeit entwickelte, Land zu besiedeln. Dieser Vorgang hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf die Lebensbedingungen auf der Erde. Diese erste Landbesiedelung durch einfache Vertreter der Schmuckalgen (Zygnematophyceae) ebnete den Weg für eine spätere Explosion der Flora und Fauna so wie wir sie heute kennen. Aktuell haben Forscher aus den USA und Kanada in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Alisdair Fernie vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie erstmalig das Genom eines Vertreters dieser Algenart untersucht und haben die genetischen Grundlagen aufgeklärt, die den Algen die Anpassung an das Leben auf dem Land ermöglichte.
Unsere Erde ohne Tiere oder Pflanzen ist für viele unvorstellbar. Egal ob winzige Insekten, Säugetiere oder stattliche Bäume: im Laufe der Evolution hat sich auf unserem Planeten eine vielfältige Flora und Fauna ausgebildet, deren Ursprung auf die Besiedlung des Landes durch Algen einer einzigen Art zurückgeht. Der Landgang dieser Schmuckalge, war der Einstieg zur Änderung der geochemischen Zusammensetzung des Bodens, ließ den Sauerstoffgehalt ansteigen und führte zusammen mit anderen Faktoren zu einer Abnahme des Kohlenstoffdioxidgehaltes, so dass sich das Leben auf der Erde so entwickeln konnte, wie wir es heute kennen.
Sind heutzutage die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Algen und Pflanzen weitestgehend bekannt, verstehen wir die evolutionären Mechanismen bisher kaum, welche es den Vorfahren unserer Landpflanzen ermöglichten sich an die Trockenheit und die hohe Sonnenstrahlung an Land anzupassen. Um Einblicke in diese Anpassungsmechanismen zu erhalten, wurden bisher lediglich Genomsequenzen von photosynthetisch aktiven Organismen und Landpflanzen verglichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu analysieren. Jedoch fehlte bislang ein vollständig sequenziertes Genom eines Vertreters der Schmuckalgen.
In einer kürzlich im Fachmagazin „Cell“ veröffentlichten Studie haben nun Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Jocelyn Rose von der Cornell-Universität in den USA in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Alisdair Fernie vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam das Genom der Schmuckalge Penium margaritaceum sequenziert. Durch die Analyse der Daten identifizierten die Forscher die elementaren genetischen Voraussetzungen, die den Übergang von Wasser- zu Landpflanzen ermöglichten.
Beweise für die nahe Verwandtschaft von P. margaritaceum mit Landpflanzen
P. margaritaceum ist eine einzellige Alge und gehört zu der Gruppe der Schmuckalgen. Die Wissenschaftler fanden durch die Auswertung der Sequenzierungsdaten heraus, dass sich P. margaritaceum vor ungefähr 552-663 Millionen Jahren entwickelt hat und sich das Genom zu rund 80% aus sich wiederholenden Sequenzen (engl. repeats) zusammensetzt. Das Genom weist über 53.000 proteincodierende Gene auf und beinhaltet damit mehr Gene als z.B. das Genom der Kartoffel (ca. 39.000 Gene) oder Mais (ca. 32.000 Gene). Die Alge weist einen einfachen Körperbau auf, besitzt aber eine komplexe, landpflanzenähnliche Zellwand. Um die nahe Verwandtschaft zu Landpflanzen zu bestätigen, wurde das Genom von P. margaritaceum mit 13 bereits bekannten Genomen anderer Grünpflanzen verglichen. Dabei fand man eine Vielzahl an gemeinsamen Genen, von denen einige in anderen Pflanzen bereits funktionell charakterisiert wurden und deshalb angenommen werden kann, dass sie in P. margaritaceum dieselbe Funktion ausüben. Interessanterweise handelt es sich dabei hauptsächlich um Gene, welche weitere Gene steuern als Antwort auf Stressfaktoren wie zum Beispiel Wassermangel, Kälte oder Licht und Transkriptionsfaktoren genannt werden.
Anpassungsfähigkeit an Stressbedingungen als Erfolgsrezept für das Leben an Land
Ein entscheidender Schritt zur Besiedlung des Landes beruht auf der Fähigkeit, sich an schädliche Umweltbedingungen wie Trockenheit, extreme Temperaturen oder UV-Strahlung anzupassen. Um sich vor Austrocknung zu schützen, brauchten die ersten landlebenden Organismen komplexe Zellwände, die einen Wasserverlust verhinderten. Obwohl P. margaritaceum eine einzellige Alge ist, so konnten viele Gene identifiziert werden, welche die Struktur und den Aufbau der Zellwand beeinflussen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass P. margaritaceum bereits einige schützende Biopolymere synthetisieren und absondern konnte und dies den Weg für die Bildung von Lignin, Cutin und Suberin in pflanzlichen Zellwänden ebnete. Weiterhin fanden die Forscher in einem Stress-Experiment heraus, dass P. margaritaceum bei Trockenheit eine Schleimschicht, bestehend aus Polysacchariden, absondert. Diese bietet zusätzlichen Schutz vor Austrocknung, sodass die Alge dadurch gut an wasserarme Lebensräume angepasst war.
Da es zum Zeitpunkt der ersten Landbesiedelung noch keine schattenspendenden Bäume auf der Erde gab, waren die ersten Schmuckalgen der hohen Lichtintensität und UV-Strahlung an Land gnadenlos ausgesetzt. Um sich an diese neuartigen Lebensbedingungen anzupassen, benötigten sie Schutzmechanismen, die das Leben bei hoher Sonneneinstrahlung ermöglichten. Um die Anpassung von P. margaritaceum an diesen Lichtstress zu testen, kultivierten die Wissenschaftler die Alge im Labor unter erhöhter Lichtintensität. Als Antwort auf die hohe Lichtintensität wurde die Photosynthese abgeschaltet um Zellschädigungen zu vermeiden - eine Reaktion, die man auch bei Landpflanzen beobachten kann. Zusätzlich konnte die Arbeitsgruppe um Prof. Alisdair Fernie aus Potsdam mittels Massenspektrometrie verschiedene Flavonoide nachweisen, die aufgrund ihrer antioxidativen Wirkung von entscheidender Bedeutung für den Schutz vor UV-Strahlung sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in dieser Studie eine Reihe von Genen identifiziert werden konnte, die der Alge die Anpassung an einen kurzlebigen, semiterrestrischen Lebensstil erleichtert. Grund für die Entwicklung ihrer Fähigkeit den Umweltstress an Land zu tolerieren ist darin zu sehen, dass sie bereits in flachen Feuchtgebieten mit schwankendem Wasserspiegel gelebt hat, die zeitweilig sogar ausgetrocknet waren. Somit besitzt diese uralte Alge der Zygnematophyceen die für ein Leben an Land notwendigen genetischen Voraussetzungen und kann als Vorläufer unserer Landpflanzen betrachtet werden.
Im weiteren Verlauf der Evolution bietet die Entwicklung mehrzelliger Lebensformen einen weiteren Vorteil für das Leben an Land, da dadurch eine größere Oberfläche für die Photosynthese und die Nährstoff- und Wasseraufnahme aus dem neuen Lebensraum entsteht.
Prof. Dr. Alisdair Fernie
Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie
Tel.: + 49 (0)331 567 8211
Fernie@mpimp-golm.mpg.de
Am Mühlenberg 1
14476 Potsdam
Jiao, C., Sorensen, I., Sun, X., Sun, H., Behar, H., Alseekh, S., Philippe, G., Palacio Lopez, K., Sun, L., Reed, R., Jeon, S., Kiyonami, R., Zhang, S., Fernie, A.R., Brumer, H., Domozych, D.S., Fei, Z. and Rose, J.K.C.
The Penium margaritaceum Genome: Hallmarks of the Origins of Land Plants.
(2020) Cell 181(5), 1097-1111 e1012.
https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.04.019
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© 2020 Elsevier Inc.
Criteria of this press release:
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