Die Integration von Pflegeexperten auf Masterniveau stellt in Kliniken deutschlandweit bisher noch eine Ausnahme dar. Am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) wurde diese neue Versorgungsstruktur bereits erfolgreich etabliert, indem Pflegeexperten die Patientenversorgung in sensiblen und komplexen Bereichen unterstützen.
Die Zunahme hochinvasiver und spezialisierter Behandlungsverfahren und der damit verbundene erhöhte Pflege- und Überwachungsbedarf der betroffenen Patienten sind wesentliche Herausforderungen, die den Arbeitsalltag von Pflegenden in einem Klinikum der Maximalversorgung wie dem UKR kennzeichnen. Um dieser Entwicklung noch besser gerecht werden zu können, müssen Kliniken ihre Versorgungsstrukturen anpassen – ein Weg, den das UKR unter anderem durch den Einsatz hochschulisch gebildeter Pflegekräfte auf Masterniveau geht. „Sogenannte Pflegeexperten ANP (Advanced Nursing Practice) unterstützen die direkte Patientenversorgung in komplexen und sensiblen Bereichen und entlasten so die Standardpflege. Gleichzeitig werden die Versorgungsqualität und Patientenzufriedenheit weiter ausgebaut, da Patienten neben der Standardpflege eine zusätzliche intensive und individualisierte Versorgung erhalten“, beschreibt Alfred Stockinger, Pflegedirektor am UKR, die Wichtigkeit des ANP-Konzepts. Birgit Heinze und Marc Dittrich sind die ersten voll ausgebildeten Pflegeexperten ANP am UKR.
Aufgaben eines Pflegeexperten – patientennah und beratend
Birgit Heinze und Marc Dittrich gehören zu den ersten Absolventen in Süddeutschland, die den Masterstudiengang ANP im Bereich Akutpflege erfolgreich abschlossen. Ihr zweijähriges Vollzeitstudium an der Evangelischen Hochschule Nürnberg und der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg kombinierte pflegewissenschaftliche Inhalte mit Praxiseinsätzen und bereitete sie optimal auf ihre Tätigkeit als Pflegeexperten am UKR vor. Auch ein Auslandseinsatz, beispielsweise in Skandinavien oder dem anglo-amerikanischen Raum, in denen ANP-Modelle bereits seit vielen Jahren in das klinische Handeln verankert sind, ist Teil des Masterstudiums.
Am UKR agieren die beiden Experten in komplexen Pflegesituationen einerseits direkt mit dem Patienten, andererseits stehen sie ihren Kollegen dabei beratend zur Seite. Der enge Kontakt und Austausch mit Angehörigen gehören ebenso zu den Aufgaben.
Critical Care und ECMO – zwei Einsatzfelder von Pflegeexperten am UKR
UKR: Was sind Ihre aktuellen Einsatzbereiche am UKR und wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Marc Dittrich: Ich bin in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II tätig, die auf die Bereiche Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin spezialisiert ist. Wird zum Beispiel ein Patient von Intensiv- auf Allgemeinstation verlegt, beurteile ich im Rahmen eines Patienten-Screenings und in Zusammenarbeit mit der Pflege vor Ort, ob bei dem Patienten ein erweiterter Pflegeaufwand besteht. Ist dies der Fall, bespreche ich mich mit den behandelnden Ärzten, entwickle die notwendigen pflegerischen Maßnahmen und führe diese entweder selbst durch oder leite das Pflegeteam entsprechend an.
Birgit Heinze: Ich betreue Patienten, die an eine ECMO (Herz-Lungen-Maschine) angeschlossen sind. Im Rahmen der Pflegevisite besuche ich diese Patienten täglich, kläre mit der Pflege vor Ort ab, ob es pflegerische Auffälligkeiten gibt und ob Unterstützungsbedarf besteht. Im Dienst bin ich jederzeit auf Rufbereitschaft, denn sobald Zwischenfälle eintreten, ist eine schnelle Reaktion gefragt, da der Patient auf die Maschine angewiesen ist und sein Leben davon abhängt.
Mein Wissen rund um die ECMO an Kollegen weiterzugeben und diese im Umgang mit dem Gerät zu schulen, ist ein weiterer wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Gerade bereite ich zum Beispiel den ersten dreitägigen, deutschsprachigen und interdisziplinär durchgeführten Pflege-ECMO-Kurs vor, der im Herbst am UKR stattfindet und bei dem auch Interessierte aus externen Häusern herzlich willkommen sind.
Neben der erhöhten Versorgungsqualität und Patientenzufriedenheit verbessert der Einsatz von Pflegeexperten ANP auch die Mitarbeiterzufriedenheit in den Teams – eine Erkenntnis, die Marc Dittrich in seiner Abschlussarbeit herausfand und in seiner täglichen Arbeit bestätigt bekommt. „Durch diese neue Rollenstruktur hat auch die Standardpflege wieder mehr Zeit für den Patienten und kann auf dessen Bedürfnisse noch stärker eingehen“, berichtet Marc Dittrich.
Verbindung von wissenschaftlichem Know-how und fachlicher Erfahrung
UKR: Was ist Ihr persönlicher und fachlicher Mehrwert, den Sie aus Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit als Pflegeexperten ziehen?
Birgit Heinze und Marc Dittrich: Während unseres Studiums haben wir viele pflegewissenschaftlich basierte Methoden erlernt, die wir nun in unseren Arbeitsalltag einbinden. Durch das Anwenden dieser Modelle handeln wir stets nach aktuellstem Stand der Wissenschaft. Wir haben mehr Entscheidungskompetenz und innovative Handlungsmöglichkeiten und können komplexeren Patientensituationen begegnen. Gleichzeit geben wir dieses fundierte Wissen an unsere Kollegen weiter, die die neuen Methoden gerne annehmen.
Birgit Heinze und Marc Dittrich übertragen theoretische Modelle aus der Literatur nicht eins zu eins in die Praxis, da jede pflegerische Maßnahme auf den Patienten und die individuellen Rahmenbedingungen abgestimmt sein muss. Für eine optimale Versorgungsqualität ist das Zusammenspiel zwischen wissenschaftlichem Know-how und fachlicher Erfahrung essenziell – Kompetenzen, die ein angehender Pflegexperte am UKR erfüllen muss.
Fundierte Berufserfahrung und akademische Laufbahn als Voraussetzungen
UKR: Welche Ausbildung muss ich mitbringen, um am UKR als Pflegeexperte ANP arbeiten zu können?
Birgit Heinze und Marc Dittrich: Wesentliche Voraussetzungen sind pflegerisch-fachliches Expertenwissen und mehrere Jahre einschlägige Berufserfahrung in dem Bereich, in dem man als Pflegeexperte tätig sein möchte. Außerdem werden ein pflegewissenschaftliches Bachelorstudium sowie ein Masterstudium im Bereich Advanced Nursing Practice vorausgesetzt.
Weitere ANP-Modelle im Aufbau
„Die neue Versorgungsstruktur findet sowohl bei Mitarbeitern als auch Patienten und Angehörigen große Anerkennung. Derzeit befinden sich am UKR ANP-Modelle für die Pflege von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und kognitiven Einschränkungen (Demenz und Delir) sowie Palliativ- und Schlafanfall-Patienten im Aufbau“, gibt Alfred Stockinger einen Einblick in die Entwicklungen am UKR. Außerdem werden die bestehenden ANP-Modelle im Rahmen interprofessioneller Fallbesprechungen kontinuierlich evaluiert und weiter optimiert.
Stephanie Schmidbauer
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Pflegeexperten ANP agieren in komplexen Pflegesituationen einerseits direkt mit dem Patienten, ander ...
Franziska Holten
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