idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
07/15/2020 16:45

Wie Proteine die Außenhülle von Bakterienzellen regulieren

Dr. Boris Pawlowski Presse, Kommunikation und Marketing
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Kieler Forschungsteam weist Beteiligung sogenannter Flotillin-Proteine an der Verflüssigung bakterieller Zellmembranen nach

    Wie alle Zellen haben Bakterien eine Membran, die sie wie eine Haut nach außen abschirmt. Sie ist nicht statisch, sondern muss einerseits sowohl Substanzen hinein- und herauslassen und andererseits beweglich sein, damit die Bakterienzellen wachsen können. Um diese Eigenschaften umzusetzen, sind verschiedene Arten von Proteinen in Zellen aktiv, unter anderem die sogenannten Flotilline. Diese Proteine sind von Bakterien bis zum Menschen in Zellen vorhanden. Bislang nahmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, dass diese Flotilline vor allem bei der Bildung anderer funktioneller Proteinkomplexe helfen und hochgeordnete Bereiche der Zellmembran eingrenzen. Ein Team aus internationalen Forschenden unter Beteiligung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) fand nun Hinweise auf eine mögliche andere Funktion der Flotilline: Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen unter anderem von den Universitäten Groningen und Bordeaux konnten die Kieler Forschenden zeigen, dass sie offenbar einen direkten Einfluss auf die Struktur der Zellmembran haben und diese unter bestimmten Bedingungen flüssiger machen können. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestern im renommierten Wissenschaftsjournal eLife.

    Flotilline funktionieren möglicherweise anders als bisher angenommen

    Alle lebenden Zellen müssen von einer trennenden Barriere umgeben sein, die sie einerseits von ihrer Umgebung abschirmt und die andererseits durchlässig für verschiedene molekulare Substanzen ist. Verschiedene Proteine sind notwendig, um diese Zellmembranen auszubilden und sie mit ihren Funktionen auszustatten. Bisher nahmen Forschende an, dass die sogenannten Flotillinproteine dazu dienen, zur Bildung der dazu notwendigen funktionellen Proteinkomplexe beizutragen – zum Beispiel indem sie bestimmte Bereiche der Membran abgrenzen. Die nun vorlegte Arbeit aus Professor Marc Bramkamps Arbeitsgruppe Mikrobielle Biochemie und Zellbiologie am Institut für Allgemeine Mikrobiologie der CAU widerspricht nun dieser Auffassung: „Gemeinsam mit einer Gruppe internationaler Kolleginnen und Kollegen haben wir Hinweise gefunden, dass die Flotillin-Proteine möglicherweise eine ganz andere Funktion übernehmen. Offenbar regulieren sie die Fluidität von Bakterienmembranen, können sie gewissermaßen flüssiger machen und so ihre Eigenschaften verändern“, betont Bramkamp. Diese Vermutung könnte auch den Effekt erklären, den Flotilline auf den Bau der Zellwand haben: Bausteine für die Zellwand werden im Inneren der Zellen produziert und müssen anschließend nach außen „geschwenkt“ werden, was in einer flüssigeren Membran einfacher gelingt. Zudem fährt die Proteinmaschinerie, die die Zellwand synthetisiert, dynamisch durch die Zellmembran und diese Bewegung ist bei Abwesenheit der Flotilline deutlich reduziert, so dass keine korrekte Zellwand ausgebildet wird.

    Ohne Flotilline keine stabile Form

    Das Kieler Forschungsteam entwickelte die neue Hypothese unter anderem mit den internationalen Kolleginnen und Kollegen auf Grundlage von Experimenten mit dem stäbchenförmigen Bakterium Bacillus subtilis. Diese zeigten, dass schnell wachsende Zellen in Abwesenheit von Flotillinen ihre typische äußere Form nicht ausbilden können. Gaben die Forschenden jedoch eine chemische Substanz zur Verflüssigung der Membranen hinzu, behielten die Bakterien ihre Form auch ohne Flotillin-Proteine. „Wir vermuten daher, dass sie einen physikalischen Effekt in den Bakterienzellen übernehmen", betont Abigail Savietto, Doktorandin in Bramkamps Gruppe an der CAU. „Die Flotilline scheinen also dazu beizutragen, dass die Membran die geeignete physikalische Struktur aufweist, damit Membrangebundene Prozesse richtig funktionieren“, so Savietto weiter.

    In weiteren Forschungsarbeiten wollen die Forschenden herausfinden, worin genau der Zusammenhang der Flotillin-Proteine mit der Membran-Fluidität besteht. Ein Ansatz könnte in der Untersuchung der sogenannten Phospholipid-Zusammensetzung liegen. Diese Lipide sind an der Bildung vieler verschiedener Biomembrane beteiligt. Möglicherweise können die Flotillin-Proteine bestimmte, die Fluidität verringernde Phospholipide binden und so die gesamte Flüssigkeit der Zellmembran erhöhen. Die neue Hypothese des Kieler Forschungsteams birgt damit vielversprechende Perspektiven auch für die Anwendung: So könnte es künftig gelingen, die physikalischen Eigenschaften der bakteriellen Zellmembranen durch die Störung der Flotillin-Funktion gezielt zu beeinflussen. „Meine Arbeitsgruppe arbeitet seit vielen Jahren an der Funktion der Flotilline und wir wissen, dass Zellen mit veränderter Membranfluidität viel empfindlicher gegenüber herkömmlichen Antibiotika sind. Möglicherweise könnte man den Mechanismus nutzen, um zum Beispiel die Membran von Bakterienzellen gezielt so verändern, dass diese einfacher durch Antibiotika abgetötet werden können“, blickt Bramkamp voraus.

    Fotos stehen zum Download bereit:

    https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2020/173-zielinska-elife-laurdan.j...
    Bildunterschrift: Prof. Marc Bramkamp und Erstautorin Abigail Savietto erforschten, wie Flotillin-Proteine die Fluidität von Bakterienmembranen regulieren.
    © Institut für Allgemeine Mikrobiologie, Uni Kiel

    https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2020/173-zielinska-elife-authors.j...
    Bildunterschrift: Phasenkontrastmikroskopische Aufnahme von Bacillus subtilis-Bakterien, bei denen Flotilline mit Hilfe des Grün fluoreszierenden Proteins GFP sichtbar gemacht wurden.
    © Prof. Marc Bramkamp

    https://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2020/173-zielinska-elife-comp.jpg
    Bildunterschrift: Die Membran von Bacillus subtilis-Zellen wurde mit dem Farbstoff Laurdan markiert und mit Hilfe von Fluoreszenzmikroskopie analysiert. Die Färbung zeigt die Fluidität der Membran an: Die Membranen der blaugefärbten Zellen sind deutlich rigider als die sehr fluiden Membranen der Vergleichszellen (in rot).
    © Prof. Marc Bramkamp

    Weitere Informationen:

    Institut für Allgemeine Mikrobiologie, CAU Kiel :
    https://www.mikrobio.uni-kiel.de/de/institut-fuer-allgemeine-mikrobiologie


    Contact for scientific information:

    Prof. Marc Bramkamp
    Mikrobielle Biochemie und Zellbiologie
    Institut für Allgemeine Mikrobiologie, CAU Kiel
    Tel.: 0431-880-4341
    E-Mail: bramkamp@ifam.uni-kiel.de


    Original publication:

    Aleksandra Zielińska, Abigail Savietto, Anabela de Sousa Borges, Denis Martinez, Melanie Berbon, Joël R. Roelofsen, Alwin M. Hartman, Rinse de Boer, Ida J. van der Klei, Anna K. H. Hirsch, Birgit Habenstein, Marc Bramkamp, Dirk-Jan Scheffers (2020): Flotillin mediated membrane fluidity controls peptidoglycan synthesis and MreB movement. eLife
    First Published: 14 July 2020
    https://doi.org/10.7554/eLife.57179


    More information:

    https://www.mikrobio.uni-kiel.de/de/institut-fuer-allgemeine-mikrobiologie


    Images

    Die Membran von Bacillus subtilis-Zellen wurde mit dem Farbstoff Laurdan markiert. Die Färbung zeigt die Fluidität der Membran an: die Membranen der blaugefärbten Zellen sind deutlich rigider als die Vergleichszellen (in rot).
    Die Membran von Bacillus subtilis-Zellen wurde mit dem Farbstoff Laurdan markiert. Die Färbung zeigt ...
    © Prof. Marc Bramkamp
    © Prof. Marc Bramkam

    Prof. Marc Bramkamp und Erstautorin Abigail Savietto erforschten, wie Flotillin-Proteine die Fluidität von Bakterienmembranen regulieren.
    Prof. Marc Bramkamp und Erstautorin Abigail Savietto erforschten, wie Flotillin-Proteine die Fluidit ...
    © IfAM, Uni Kiel
    © Institut für Allgemeine Mikrobiologie, Uni Kiel


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

    Die Membran von Bacillus subtilis-Zellen wurde mit dem Farbstoff Laurdan markiert. Die Färbung zeigt die Fluidität der Membran an: die Membranen der blaugefärbten Zellen sind deutlich rigider als die Vergleichszellen (in rot).


    For download

    x

    Prof. Marc Bramkamp und Erstautorin Abigail Savietto erforschten, wie Flotillin-Proteine die Fluidität von Bakterienmembranen regulieren.


    For download

    x

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).